nur zwei herausragende Beispiele. In Jena wurden von
den frühaufklärerischen Impulsen eines Erhard Weigel
an jene innovativen Deutungsmuster gesucht und eben
solche Handlungsmodelle entwickelt, mit denen sich
Menschen über sich selbst und untereinander verstän
digen können. Die Notwendigkeit einer solchen Verstän
digung erwuchs aus demDenkhorizont, der bereits seit
derFrühaufklärungschrittweisedenMenscheneröffnet
wurde: Freiheit und ein damit verbundener beziehungs
weise daraus resultierender Zwang zur Wahl der Selbst
deutung und (im Rahmen ökonomischer Möglichkeiten)
von Handlungsoptionen. Seitdem lebt der Mensch – so
könnte man zugespitzt formulieren – in einem einzigen,
einzigartigen Experiment, in einer Art Laboratorium im
Gefolge der Aufklärung.
Der prinzipielleGedankederMöglichkeit vonFreiheitwar
unhintergehbar, der Fluchtweg aus dem „Laboratorium
Aufklärung“ zurück in unhinterfragbarfestgefügte Ein
deutigkeitenversperrt.Geradeauf denFeldernErziehung
und Bildung, auf denen es angesichts der Unverfüg
barkeit des Menschen gleichermaßen um die Ermögli
chung von Freiheit und deren steuernde Einschränkung
geht, spiegeln sich die Umgangsvariantenmit dem Frei
heitsappell derAufklärung invielfältigenVariationen: von
idealistischen Überhöhungen der Freiheit in einem be
stimmten Bildungsideal bis zu deren nahezu vollständi
gerNegierung inKonzeptionender Formationserziehung.
Der Ausgangspunkt im langen 18. Jahrhundert war klar:
Im „Laboratorium Aufklärung“ gelten Freiheit, Mündig
keit und Autonomie als Maßstäbe für eine vernunftge
leitete Gestaltung des Lebenslaufs – wie immer damit
umgegangen wird, wie immer auch diese Maßstäbe
begrüßt oder verworfen werden. Diese Ideale verleihen
insbesondere der Leitvorstellung „Bildung“ einen beson
derenAkzent. Bildungwird ineinemumfassendenSinne
an die tätige Kulturaneignung des Individuums gebun
den. In den heutigen Debatten um den Zusammenhang
von Lebenslauf und Lernen imHorizont von Kultur wird
vorausgesetzt, dass der Mensch – inmitten aller fakti
schenAbhängigkeiten – seinen Lebensweg als Lernweg
unter demAnspruch und der Maßgabe eines kritischre
flektiertenVernunftgebrauchsselbstgestaltet.Erkannes,
er darf es, ermuss es.
HistorischeSchwerpunkte
Blickt man nun darauf, womit Thüringen nicht nur
national, sondern auch international wahrgenommen
wird, so spielenFragender ErziehungundBildungeine
bedeutsame Rolle. Zugleich lassen sich Zeitkontexte
identifizieren,dieinbesondererWeisefürInnovations
schübe indiesemBereich stehen.
Zum einen das lange 18. Jahrhundert, in dem Thüringen
vor allem, jedoch keineswegs nur im „Ereignis Weimar
Jena“ einen Fokus gefunden hat, der auch für Erziehung
undBildungmaßgebliche Impulsebrachte. Exemplarisch
für diesen Zeitraum steht der Namensgeber der Jenaer
Universität:FriedrichSchiller.DieuntrennbareVerflech
tungvonBildungundKultur, hier vor allemverstandenals
Balance von Sinnlichkeit und Intellekt, Körper und Geist,
wird von ihm in besonderemMaße repräsentiert. Schil
ler und all' die anderen hatten eine weit reichende Wir
kung: sie strahlten über die Region aus in nationale und
internationale Wahrnehmungs und Rezeptionsprozesse.
Solche Beispiele ließen sich für die Zeit „des Laborato
riums Aufklärung“ im 18. Jahrhundert leicht vermehren:
der Ökonom Darjes mit seiner Rosenschule, die kultur
zentrierten Bildungskonzeptionen Herders und Goethes,
die spekulatividealistischen SelbstModelle bei Fichte
und Hegel, die sozialdiakonische Praxis des Lutherhofs
von Falk inWeimar, der frühe Neuhumanismus bei Niet
hammerbishinzueinerspezifischenÜberprüfungdes
Selbst in den Bildungskonzeptionen der Frühromantiker.
Die Liste derjenigen Personen, Werke, Zeitströmungen,
aber auch sozialen Praktiken (zum Beispiel der Volksauf
klärung oder der gelehrten Salons) ist lang, die als je un
terschiedlicheAntwortversuche auf die eineHerausforde
rungderAufklärung, dieFreiheit, kritischgelesenwurden
beziehungsweise erst noch entdecktwerdenmüssen.
Zum anderen der Zeitraum um 1900, in dem zum Bei
spiel Jena – nicht zuletzt auf dem Hintergrund der öko
nomischen Gründerleistungen von Otto Schott und Carl
Zeiss sowie der sozialreformerischen Aktivitäten Ernst
universität jena. weltweit vernetzt. thüringen verpflichtet.
wissenschaffen
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