die fakultät für sozial- und verhaltenswissen-
schaften
(FSV) gehört mit knapp 4.000 Studieren-
den imWintersemester 2013/2014 nicht nur zu den
größten der Friedrich-Schiller-Universität, sondern
weist womöglich auch das breiteste Fächerspek-
trum unter den zehn Jenaer Fakultäten auf. Von den
klinisch-experimentellen Bereichen der Psychologie
und der Sportwissenschaft bis hin zu den historisch-
hermeneutischen Arbeitsfeldern des Instituts für
Bildung und Kultur oder des Ethikzentrums spannt
sich ein äußerst vielfältiges Feld der Erkenntnispro-
duktionundWissensvermittlung,dassich imKernals
theoretisch angeleitete empirische Sozialforschung
charakterisieren lässt. Dabei sehen sich alle in der
Fakultät vertretenen Fächer, seien es nun die Erzie-
hungs-, Kommunikations-, Politik- oder Sportwissen-
schaft, die Psychologie, Soziologie oder die (nomen
est omen) Angewandte Ethik gemeinsam dem Ziel
verpflichtet, Grundlagenforschung mit Anwendungs-
bezug zu betreiben – stärker auf der „Makroebene“
gesellschaftlicher StrukturdynamikenundHandlungs-
systeme die einen, mehr auf der „Mikroebene“ indivi-
dueller Verhaltensweisen und Entwicklungsprozesse
dieanderen.
GrundlagenforschungmitAnwendungsbezug–diese
Charakterisierung trifftnicht nur für die großen, dritt-
mittelfinanzierten Einrichtungen der Spitzenfor-
schung und strukturierten Nachwuchsförderung zu,
an denen die Fakultät und ihre Fächer maßgeblich
beteiligtwarenundsind:etwa fürdenDFG-Sonderfor-
schungsbereich580 „GesellschaftlicheEntwicklungen
nachdemSystemumbruch“, die vomLandThüringen
geförderte Graduate School „Human Behavior in
Social and Economic Change“ oder zuletzt die DFG-
Kollegforschergruppe „Postwachstumsgesellschaften“.
Alle drei Einrichtungen widme(te)n sich den hier-
zulande wie in einem Brennglas sich zuspitzenden
Fragenvon sozialemWandelund seiner individuellen
und kollektiven Bewältigung, und beide genießen in
ihremFeldhohe internationaleAnerkennung.
Doch
Grundlagenforschung
mit Anwendungsbezug
der systematische Anwendungsbezug von
Forschung und Lehre in den Jenaer Sozial- und Ver-
haltenswissenschaften spiegelt sich darüber hinaus
auch „im Kleinen“ wider, in ebenso zahlreichen wie
breitgefächerten Projekten, Programmen und Aktivi-
täten, von denen im Folgenden einige wenige exem-
plarisch dargestellt seien. Sie stehen hier stellver-
tretend für die gute wissenschaftliche Praxis, die
Erforschung des menschlichen Lebens und Zusam-
menlebens inkomplexen sozialenZusammenhängen
in den Dienst einer Förderung der subjektiv – von
den Menschen selbst – wahrgenommenen Qualität
ebendiesesLebensundZusammenlebens zu stellen.
Nicht immer lässt sichdieseZielsetzung sounmit-
telbarnachvollziehenundsoplastischdarlegenwie in
den folgenden Beispielen. Insofern sind diese durch-
ausnichtwillkürlichausgewählt –eshätten sichaber
ohneWeiteres auchweitereBeispielfälle aus anderen
Bereichender Fakultät finden lassen,undeswäre,bei
etwas mehr Raum, zudem der Rede wert gewesen,
dass auch eine stärker theoretisch oder historisch
orientierte Sozialforschung einen unverkennbaren
„Mehrwert“ für dieGestaltung einer lebenswertenGe-
sellschaft aufweist.
leitthemen:
mobilität und flexibilität der lebensführung
Die Bezugspunkte der im Folgenden präsentierten
wissenschaftlichen Arbeits- und Wirkungszusam-
menhänge sind die großen gesellschaftlichen und
gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Ge-
genwart – nicht nur, aber in besonderemMaße auch
fürThüringen: dieMobilität undFlexibilität der indivi-
duellen Lebensführung, der demographischeWandel
unddieBildungsexpansion.
Drei Herausforderungen:
Mobilität, demographischerWandel,
Bildungsexpansion
Mobilität, zumal räumliche Beweglichkeit, ist in der
Gegenwart vonallenunddamit von jedemEinzelnen
gefordert: von der Bereitschaft, der Arbeit „hinterher
zuziehen“, bis zuder Erwartung, bis inshoheAlter in
Bewegung zu bleiben.Wer in einer solch hochgradig
mobilenGesellschaft schon körperlichnichtmithal-
ten kann, verfügt über systematisch verringerte
Lebenschancen.
Die am Institut für Sportwissenschaft (Abtei-
lung Bewegungswissenschaft) angesiedelte Jenaer
Bewegungsforschung erkundet seit vielen Jahren
die Biomechanik des menschlichen Bewegungsap-
parats und -ablaufs. Ihre international anerkann-
te Grundlagenforschung, die auf der Entwicklung
hochkomplexer Messtechniken und -apparaturen
(zum Beispiel der kleinsten Kraftmessplatte der
Welt)beruhtundbei derwichtigeErkenntnisseauch
durchdenVergleichmit tierischenSpezies (etwamit
Blick auf die in Spinnenbeinenwirksamen hydrauli-
schenMechanismen) gewonnenwerden, trägt nicht
nur zum Renommee des Forschungsstandorts Thü-
ringen bei. Sie zeitigt vielmehr auch ganz konkrete,
hand- beziehungsweise „fußfeste“ Innovationen im
Sinne der Steigerung der Lebensqualität körperlich
eingeschränkterMenschen.
wissenschaffen
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universität jena.
weltweit vernetzt. thüringen verpflichtet.