WELTWEIT VERNETZT. THÜRINGEN VERPFLICHTET. - page 49

exkurs
Erziehungs- undBildungsgeschichte Thüringens
Thüringen ist national und international in Fragen päda­
gogischerReformmodellederNeuzeit eineersteAdresse.
In kaum einer anderen Region konzentrieren sich so vie­
le Ansätze pädagogischer Innovationen – nicht nur in
der Theorie, sondern vor allem auch in der Praxis. Der
„Kindergarten“ ist sogar dem Wort nach ein Export­
schlager, hat die deutsche Bezeichnung doch Eingang
in andere Sprachen gefunden. Der Sache nach ist der
Kindergarten eine pädagogische Institutionmit eigenen
Erziehungsbotschaften – eine originelle pädagogische
Praxis, wie Thüringen sie mehrfach hervorgebracht hat.
In diese Reihe gehören das Philanthropin in Schnep­
fenthal, der Lutherhof inWeimar, das ältestenochaktive
Landerziehungsheim Haubinda oder Volkshochschule
und Sophienhöhe in Jena. International stark rezipiert
wurde – jenseits aller notwendig kritischen Auseinan­
dersetzungmit der Biographie des Gründers – auch das
Schulmodell „JenaPlan“. In all’ diesen pädagogischen
Reformansätzen spiegelt sich ein bestimmtes Verhältnis
von Bildung und Kultur, das an der Universität Jena in
vielen Disziplinen zwischen Theologie, Philosophie, Ger­
manistik, Kulturwissenschaft, Politikwissenschaft und
Soziologie untersucht wird. Gebündelt werden die For­
schungen zu diesem gleichermaßen historisch wie öko­
nomisch relevanten Themenfeld im Institut für Bildung
und Kultur, das neben den noch darzustellenden Vernet­
zungen in verschiedene Forschungssysteme hinein vor
allem auch den interdisziplinären MasterStudiengang
„Bildung –Kultur –Anthropologie“ verantwortet.
Die Forschungen zur Erziehungs und Bildungsgeschich­
te Thüringens bilden auch eine Säule im universitäts­
weiten Schwerpunkt „Laboratorium Aufklärung“. Unter
dieser Perspektive kann Thüringen aus heutiger Sicht
gedeutet werden als ein großes Laboratorium, in dem
seit Jahrhunderten in herausragender Weise über die
angemessenen Ideen und Praktiken einer zeitgemäßen
Bildungsreform intensiv gerungenwurde.Wasman sein
und werden kann beziehungsweise soll, hängt in zu­
nehmendemMaße von einem selbst, von der eigenen
Entscheidung und Gestaltungskraft ab. Diese Grundan­
nahme neuzeitlicher Aufklärung verweist auf einenweit­
reichenden Bedeutungszuwachs in einer bestimmten
Perspektive des MenschSeins: die Rolle und Funktion
des Lernens ändert sich grundlegend. Mit Bezug auf
andere Menschen, vor allem die jeweils nachfolgende
Generation der Kinder und Jugendlichen, wird das The­
ma„Erziehung“alsFragenachangemessenenModellen
der Lernsteuerung zu einem Dauerthema. Mit Blick auf
dieeigeneFreiheit undAutonomieaber rückt als zweites
das neu akzentuierte Verständnis eines aus der Mystik
tradiertenundjetztaufSelbstreflexivitätumgeformten­
Leitmotivs ins Zentrumder Überlegungen: Bildung.
Nach Meister Eckehart im ausgehenden Mittelalter
war es vor allem die Reformation, die für folgenreiche
Impulse in der Region gesorgt hatte. Die Gründung der
Universität Jena und die pädagogischen Reforminitia­
tiven am Gothaer Hof im 17. Jahrhundert sind hierfür
Gesammelter Geist: FriedrichWilhelmSchelling (1775–1854),
GeorgWilhelm Friedrichhegel (1770–1831) und
JohannGottlieb Fichte (1762–1814).
WISSEnSchAFFEn 49
universität jena.
weltweit vernetzt. thüringen verpflichtet.
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