stellen sichdieKirchenmit ihrenTraditionendemkri-
tischen Blick theologischerWissenschaft und verant-
worten sich imöffentlichenDiskurs.
Bewusstsein fürWidersprüche und
Brüche immenschlichen Leben
Die Theologie befasst sich mit den Grundlagen
menschlichenLebens undhat denganzenMenschen
alsAbbildGottesvorAugen.SiehältErfahrungendes
Menschenvonder SuchenachGott undnachSinnge-
bungmenschlichen Lebens wach und formuliert die-
se immer wieder neu für die Gegenwart. Sie über-
schreitet zugleich Vergangenheit und Gegenwart,
indem sie die christliche Hoffnung auf Vollendung
der ganzen Schöpfung bei Gott artikuliert. Auf diese
Weise präsentiert sie eine integrale Sicht des Men-
schen, die in einer hoch differenzierten und speziali-
siertenGesellschaft gefragt ist. Gerade in ihrer spezi-
fisch christlichen Ausprägung vertritt die Theologie
eine „Kultur des Lebens”, die aus der Spannung von
Tod undAuferstehung JesuChristi gespeist wird. Sie
fordert das Gedächtnis der Leidenden und Toten ein
undentwickelt ausdemEvangeliumherausOptionen
für unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche, um
eine „Kultur des Todes” zu überwinden. Sie hält das
Bewusstsein fürWidersprüche undGebrochenheiten
menschlichenLebenswachund zeigt,wiedarausOp-
tionen für eine menschliche Gesellschaft entstehen
können.
Richtet man den Blick abschließend noch einmal auf
Thüringen, so zeigen sich hier besondere Aufgaben
undHerausforderungen.Menschen, die heute inMit-
teldeutschland leben, haben inder Regel einebeweg-
te Lebensgeschichte hinter sich. Die Generation der
heute Achtzigjährigen kennt noch die Kriegs- und
Nachkriegszeit, hat die SpaltungDeutschlandsmiter-
lebt und ebenso seineWiedervereinigung. Die heute
Sechzigjährigen sind mit der DDR groß geworden
undhaben ihrenZusammenbrucherlebt, diemeisten
mit Genugtuung, viele aber auchmit schmerzhaften
persönlichen Umbrüchen. Wer heute vierzig ist, hat
in der Regel sehr unterschiedliche Erfahrungen mit
„seinem“ Land gemacht, das jetzt Thüringen heißt
und zur RegionMitteldeutschland gehört. Die heute
Zwanzigjährigen sind schon im vereinten Deutsch-
land geboren und aufgewachsen, kennen die DDR-
Vergangenheit nur noch in Erinnerungsresten und
erleben tagtäglich die Möglichkeiten, aber auch die
Schwierigkeitender sichdehnendenZeit desNeuauf-
baus. Und die, die heute geborenwerden?Was wird
ihnen Thüringen einmal bedeuten? Werden sie es
als ferne Kindheitserinnerung betrachten, wenn sie
längst anderswo in Deutschland oder in der weiten
Welt ihrenLebensmittelpunkt gefundenhaben?Oder
wird Thüringen sie dauerhaft prägen können und ih-
nenHeimat bleiben?
Menschen, die heute hier leben, suchen nach Orien-
tierung in bewegten Zeiten, jede Generation anders
und indenGenerationen jeder auf seineWeise.Aber
jeder Versuch, Orientierung zu finden, setzt Fixpunk-
te inder Landschaft voraus.
Gibt es Gesichtspunkte zu einer Thüringer oder ei-
ner mitteldeutschen Identität, die in der gegenwärti-
gen ökonomischen, sozialen, politischen, kulturellen
und religiösen Lage näher zu betrachten sich lohnt?
Welche Rolle spielen in dieser Region kulturelle und
religiöseTraditionen,wennMenschennachdauerhaf-
tenLebensorientierungen suchenund angesichts der
Herausforderungender individuellenBiographieund
der Aufgaben in der Gesellschaft der Stärkung ihrer
Persönlichkeit bedürfen?Was kanneinevertiefteund
umfassende Bildung der jungen Generation in und
für Thüringen bewirken?Wie können Kompetenzen
und Potenzen derWissenschaft, die inMitteldeutsch-
land konzentriert sind, gefördert, weiterentwickelt
und zum Vorteil der Menschen in der Region einge-
setztwerden?Wiekönnteein spezifischerBeitragaus
Thüringen für dieWeiterentwicklung der kulturellen
undpolitischen IdentitätDeutschlands inEuropaaus-
sehen?AuchTheologie inThüringen stellt sichheute
solchen Fragenund sucht imGesprächmit den ande-
ren Disziplinen der universitas litterarum nach Ant-
worten.
WiSSENSCHaFFEN
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universität jena.
weltweit vernetzt. thüringen verpflichtet.