Previous Page  7 / 20 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7 / 20 Next Page
Page Background

7

FSU-Newsletter/Sommer 2017

Personalia

Brücken nach Osteuropa gebaut

Ehrendoktorwürde für Włodzimierz Borodziej und Herta Müller

Die Beziehungen der Uni Jena nach Ost-

europa sind seit langem sehr eng. Dass

sich das auch in den letzten 25 Jahren

nicht geändert hat, ist neben vielen akti-

ven Jenaern auch besonderen Partnern

zu verdanken. Zwei dieser Brückenbauer,

die sich zudem in herausragenderWeise

um Geschichte und Literatur verdient

gemacht haben, wurden am 20. Juni

gewürdigt: Der polnische Historiker

Włodzimierz Borodziej und die deutsche

Schriftstellerin Herta Müller erhielten in

einem gut besuchten Festakt die Ehren-

doktorwürde der Philosophischen Fakul-

tät der Universität Jena.

Öffentlicher Intellektueller

Der langjährige (2010-2016) Co-Di-

rektor des „Imre Kertész Kollegs Jena“,

Prof. Dr.Włodzimierz Borodziej, der noch

heute dem Kertész-Kolleg als Vorsitzen-

der des wissenschaftlichen Beirats ver-

bunden ist, wurde ausgezeichnet „für

seine herausragenden wissenschaftli­

chen Beiträge zur Geschichte Polens

und Deutschlands in Europa und seine

besonderen Verdienste um die zeithisto­

rische Forschung an der Friedrich-Schil-

ler-Universität Jena“, so der Text der

Promotionsurkunde. Der produktive

Wissenschaftler, der fließend Deutsch

spricht und in seinen Büchern großes

erzählerisches Geschick beweist, ist ein

exzellenter Kenner der europäischen

Geschichte des 20. Jahrhunderts. Sein

Werk und seinWirken haben einer euro-

päischen Geschichtskultur den Weg ge-

wiesen. Borodziejs Interesse geht aber

über historische Betrachtungen hinaus.

Der 60-Jährige engagiert sich für die

deutsch-polnische Aussöhnung und ein

grundlegendes Verständnis der beiden

Staaten im Prozess der europäischen Ei-

nigung. Die Politikwissenschaftlerin und

ehemalige Präsidentin der Europa-Uni-

versität Viadrina (Frankfurt/Oder), Prof.

Dr. Dr. h. c. Gesine Schwan, würdigte

Borodziejs „immer leicht ironischen Stil“

und dass der „Intellektuelle sich in die

öffentliche Arena begibt“.

Von der Arbeit des Schreibens

Für ein grundlegendes Verständnis

zwischen Deutschland und Osteuropa,

genauer Rumänien bzw. dem Banat,

setzt sich auch Dr. h. c. Herta Müller

ein. Die in Rumänien geborene Auto-

rin, die 1987 vor den Repressionen des

Ceausescu-Regimes nach Deutschland

geflohen ist, hat in ihrenWerken, Essays

und engagierten Reden die komplexen

Unterdrückungsmechanismen einer

EineneueBankstehtnunamEingangdesErnst-Haeckel-Hauses.Gestiftethatdienotwendigen

1.000EuroGüntherRaithel(l.),GesellschafterderKAHLA/ThüringenPorzellanGmbH.Uni-Prä-

sidentProf.Dr.WalterRosenthal(r.)dankteRaithelundseinemUnternehmenfürdielangjährige

undvielfältigeUnterstützung.MitdieseredlenBankwirddieimletztenJahr,anlässlichdes25-jäh-

rigenBestehensderGesellschaftderFreundeundFördererderFriedrich-Schiller-UniversitätJena,

ausgerufeneSonderaktion„25Sitzgelegenheitenfür25JahreFreundeundFörderer“abgeschlossen

–durchdieweitmehrals25SitzgelegenheitenanmarkantenStellenderUniversitäterrichtetwer-

denkonnten.

Neue Bank am Ernst-Haeckel-Haus

Foto:Kasper

DekanStefanMa-

tuschek(l.)und

Uni-PräsidentWalter

Rosenthal(r.)mitden

aktuell„jüngsten“

Ehrendoktorender

Friedrich-Schiller-

Universität:Włod­

zimierzBorodziej

undHertaMüller.

Foto:Kasper

kommunistischen Diktatur aufgeschlüs-

selt und damit für das Schicksal politisch

unterdrückter Menschen sensibilisiert.

Die Ehrendoktorwürde wurde Herta

Müller verliehen „in Anerkennung ihres

umfangreichen literarischen Schaffens

sowie ihres intensiven Engagements für

die Auseinandersetzung mit den Grau-

samkeiten, die Menschen ihren Mitmen-

schen antun. Damit hat sie in sprachlich

eindrucksvoller Weise einen wichtigen

Beitrag zum besseren Verständnis der

Situation politisch verfolgter Menschen

in totalitären Regimen geliefert“.

Die 2009 für ihre sprachgewaltigen

Werke über die Folgen der kommunisti­

schen Diktatur in Rumänien mit dem

Literatur-Nobelpreis ausgezeichnete Au-

torin streite für die Würde und Identität

des Menschen und reflektiere zugleich

die Bedeutung und Reichweite von Spra-

che, betonte Prof. Dr. Stefan Matuschek,

Dekan der Philosophischen Fakultät.

Und – für eine Universität nicht unwich-

tig – „Herta Müller wirft immer wieder

von neuem grundlegende Fragen der

Literatur auf und gibt der Literatur- und

Kulturwissenschaft wichtige Impulse“.

Dies bewies Müller bereits 1994, als sie

im Rahmen der „Jenaer Poetik-Vorlesun-

gen“ über „Das Ticken der Norm“ und

die Mechanismen der Diktatur und ihrer

unmenschlichen Auswirkungen sprach.

In der Jenaer Aula unterhielt sie sich,

nachdem der Schriftsteller und Verleger,

Dr. h. c. Michael Krüger, sie gewüdigt

hatte, mit dem Germanisten Prof. Dr.

Dirk von Petersdorff v. a. über ihre ly­

rischen Collagen und offenbarte dabei

neben vielem auch: „Ich wollte immer

Friseuse werden“ – wegen der Arbeit an

Schönheit. Herta Müller leistet diese Ar-

beit inzwischen seit Jahrzehnten in und

an der Literatur. Denn Literatur schaffen

ist anstrengend: „Ich muss mir die Wör-

ter gefügig machen.“ AB