Previous Page  9 / 20 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 9 / 20 Next Page
Page Background

9

FSU-Newsletter/Sommer 2017

Personalia

„Für mich der perfekte Weg“

Gewalt verhindert – und selber erlitten

Neuer Höchststand: 422 FSU-Studierende absolvieren Studium ohne Abitur

Viele Wege führen nach Rom – und an

die Universität. Eine kürzlich veröffent-

lichte Studie des Centrums für Hoch-

schulentwicklung (CHE) zeigt, dass

inzwischen 51.000 Studierende an deut-

schen Unis nicht die allgemeine Hoch-

schulreife erworben haben – auch die

FSU verzeichnet derzeit einen Höchst-

stand. „Im aktuellen Sommersemester

sind 422 Studierende ohne Abitur imma-

trikuliert. Noch vor zwei Jahren lag der

Wert nicht einmal bei der Hälfte“, berich-

tet Michael Götz, Leiter des Studieren-

den-Service-Zentrums (SSZ). „Uns ist es

wichtig, dies weiter auszubauen, denn

einige junge Menschen erkennen erst

etwas später, dass sie gern studieren

möchten und das Studium für die inzwi-

schen gereifte Karriereplanung sinnvoll

oder erforderlich ist.“

Studium auf Probe

Genauso erging esTommy Melzer, der

nach der 10. Klasse zunächst eine Aus-

bildung zum Chemisch-Technischen As-

sistenten absolvierte und im Anschluss

als Chemielaborant in Fulda gearbeitet

hat. „Das hat Spaß gemacht, aber ich

wollte noch mehr“, erzählt der gebürtige

Thüringer aus Geisa. Deswegen hat er

sich entschieden, den Schritt an die Uni

noch zu wagen. In Jena sei das im Fach

Chemie durch ein Probestudium ganz

unkompliziert gewesen. „Das heißt,

dass ich in den ersten zwei Semestern

mindestens die Hälfte der Prüfungen be-

stehen musste“, erinnert er sich.

Das erste Studienjahr zu überstehen,

war für ihn kein Problem – nur in Ma-

the hat er gemerkt, dass seine Kom-

militonen ihm ein Stück voraus waren.

Ganz anders im praktischen Teil: „Im

Labor war ich von Beginn an sicher, da

hat mein Job vorher den Einstieg sehr

erleichtert.“ Inzwischen hat der Bache-

lorstudent das vierte Semester erreicht.

Dass er im Anschluss einen Masterstu-

diengang beginnen will, steht für ihn

schon fest. Auch eine Promotion in der

organischen Chemie schließt der 24-Jäh-

rige nicht aus. Für ihn selbst und seine

Mitstudierenden hat es nie eine Rolle

gespielt, dass er nicht über den „klassi-

schen Weg“ an die Hochschule gekom-

men ist. „Studenten sind doch immer

eine bunte Mischung. Manche kommen

vom Internat, waren vorher im Ausland

oder haben eben schon gearbeitet, das

macht es ja auch spannend“, findet Mel-

zer. „Für mich war es der perfekte Weg.

Mit 18 war ich einfach noch nicht bereit

Medizinstudentin Louise Beckmann erhält Jenaer Preis für Zivilcourage

Manchmal verändert ein Moment das

ganze Leben. Für Louise Beckmann pas-

sierte es am 22. Oktober 2016. Die Me-

dizinstudentin war mit Freunden unter-

wegs, sie stiegen am Paradiesbahnhof

aus der Straßenbahn. Dort trafen sie auf

eine Gruppe betrunkener Männer. Als

einer aus dieser Gruppe auf einen ihrer

Begleiter losging, stellte sich Beckmann

dazwischen, um den Streit zu schlichten.

Doch der Betrunkene schlug zu und ver-

letzte die 22-jährige Studentin am Auge.

Der Täter floh und ist bis heute nicht

identifiziert. Louise Beckmann erlitt bei

diesem Angriff so schwere Schädigun-

gen am Auge, dass sie trotz mehrerer

Operationen und langer Krankenhaus-

aufenthalte bis heute auf dem verletzten

Auge fast blind ist – ohne Aussicht auf

Besserung.

Für ihr mutiges Eingreifen ist Louise

Beckmann am 12. Mai mit dem 16. Je-

naer Preis für Zivilcourage ausgezeich-

net worden. Doch sicher wurde nicht

nur ihr Einsatz von der Jury honoriert,

sondern auch ihre Einstellung, dass sie

es trotz aller Konsequenzen immer wie-

der machen würde. Denn auf die Frage,

ob sie ihr Eingreifen bereue, sagte die

Medizinstudentin: „Was wäre passiert,

wenn ich nicht eingegriffen hätte? Diese

Variante wäre sicher schlimmer gewe-

sen als das, was passiert ist“. Sie würde

wieder schlichten wollen, betonte die

couragierte Studentin.

Sie nutzte die Preisverleihung, um

sich bei vielen zu bedanken: allen voran

bei ihren Kommilitoninnen und Kommi-

litonen, die ihr während ihrer Kranken-

hausaufenthalte beim Lernen halfen

und vorlasen. Auch bei der Uni und den

medizinischen Instituten bedankte sie

sich sowie beim „Weißen Ring“, jenem

Verein, der Opfern von Gewalttaten hilft

– bei Behördengängen ebenso wie bei

hilfreichen Gesprächen.

AB

Couragiert:LouiseBeckmann.

Studiertohne

allgemeineHoch-

schulreifeander

UniJena:Tommy

Melzer.

für ein Studium, jetzt schon. Ich würde

es genauso wieder machen.“

An der Chemisch-Geowissenschaft-

lichen Fakultät ist Tommy Melzer einer

der wenigen, die ohne reguläres Abitur

studieren. Die meisten Studierenden

ohne Abi gibt es an der FSU in denWirt-

schafts- und Rechtswissenschaften und

der Soziologie.

jd

Foto:Kasper

Foto:Schimmel