Uni-Journal Jena April 2014 - page 23

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Uni-JournalJena04/14
Forschung
Blutgefäße unter Druck
Humangenetiker schlagen neuen Behandlungsansatz für Bluthochdruck vor
Gesunde dicke Kinder gibt es nur selten
Das belegt eine Studie zu übergewichtigen Grundschulkindern
Sie werden gehänselt und ausgelacht
und imSchulsport laufensie ihrenAlters-
genossenmeist hoffnungslos hinterher
– übergewichtige Kinder tragen schwer
an ihren Pfunden. Hinzu kommt, dass
siemit dem Zuviel auf denRippen auch
eine Hypothek auf ihre gesundheitliche
Zukunft aufnehmen. DennÜbergewicht
verursacht schwerwiegende Folgeer-
krankungen wie Bluthochdruck, Diabe-
tes und andereStoffwechselstörungen.
Dochandersalsbisher angenommen,
machensichdiesenicht erst imErwach-
senenalter bemerkbar. In einer aktuel-
len Studie belegen Ernährungswissen-
schaftler ausJenaundHohenheim, dass
bereits drei Viertel der übergewichtigen
Kinder im Alter zwischen fünf und acht
Jahren Symptome von gewichtsbeding-
tenStoffwechselstörungen aufweisen.
Ihre Ergebnisse haben die Forscher
um Prof. Dr. Ina Bergheim in der Fach-
zeitschrift Acta Paediatrica veröffentlicht
asErgebnis:
73 Prozent der übergewichtigen Kinder
zeigenmindestens in einemStoffwech-
selparameter wie Blutdruck, Choleste-
rin- oder Blutzuckerspiegel, Auffälligkei-
ten –manche sogar in bis zu fünf.
„Das sind alarmierende Werte“, so
Studienleiterin Bergheim. Vor allem, da
die Kinder – abgesehen von zu hohem
Gewicht – als gesund gelten. „Das be-
deutet, dass diese versteckten Störun-
gen auch nicht behandelt werden.“ Ihre
vom BMBF geförderte Studie zeige,
dass es das„gesunde dickeKind“ prak-
tisch nicht gebe, so dieWissenschaft-
lerin weiter. Vor allemMädchen seien
gefährdet. Denn bei ihnen fangen die
Probleme bereits früher an. Während
für Jungen das Risiko für Stoffwechsel-
störungenerstmit starkemÜbergewicht
deutlich ansteigt, beginnt es für gleich-
altrigeMädchenbereits imGrenzbereich
vonNormal- undÜbergewicht.
DieseErkenntnissemachtendeutlich,
dass es zu wenig Vorsorge gebe, so
Bergheim. Jeder, derKinder habe, kenne
zwar dieempfohlenenVorsorgeuntersu-
chungen für Säuglinge und Kleinkinder
beim Kinderarzt. „Dabei geht es aber
hauptsächlich um die körperliche und
geistige Entwicklung der Kinder.“ Nach
Hinweisen auf Stoffwechselerkrankun-
genwerde in der Regel nicht gesucht.
Vor allem für die Gesundheit von
Kindern im Grundschulalter werde in
Deutschland zu wenig getan, ist Prof.
Bergheim überzeugt: „Mit dem Schul­
eintritt verändert sich für die meisten
Kinder das Lebensumfeld sehr stark.
Plötzlichsitzensiesehr lange; siebewe-
gen sich weniger und das birgt Gefah-
ren für die Gesundheit.“Was allerdings
nicht nur für Kinder mit Übergewicht
gelte.Denn, so zeigt dieaktuelleStudie,
auch etwa jedes 7. normalgewichtige
Kind weist unerkannte Auffälligkeiten
imStoffwechsel auf. 
US
Bluthochdruck ist eine weit verbreitete
Zivilisationskrankheit. Ein wesentliches
Merkmal ist der vergrößerteWiderstand
des Gefäßsystems, der aus einer Ver-
engung der Blutgefäße aufgrund einer
KontraktionderMuskelzellen indenGe-
fäßwänden resultiert.
Humangenetiker des Jenaer Klini-
kums konnten jetzt gemeinsam mit
Wissenschaftlern aus Berlin und Ham-
burg einen neuen Regelmechanismus
für die Kontraktion derWände von Blut-
gefäßen aufklären. In ihrer im Journal
of Clinical Investigation veröffentlichten
UntersuchungschlagensiedenKalzium-
aktivierten Chlorid-Kanal „TMEM16A/
ANO1“ als möglichen Angriffspunkt für
die Behandlung von Bluthochdruck vor
TMEM16A ist ein Protein, das in den
Zellen der Gefäßwände vorkommt und
einen Kanal für Chlorid-Ionen bildet. In
Abhängigkeit von der Konzentration
von Kalzium-Ionen öffnet sich dieser
Kanal und lässt Chlorid in die Zellen
einströmen, was zur Kontraktion der
Gefäßwände führt. „Bislang war diese
Rolle vonTMEM16A nicht klar“, so Prof.
Dr. Christian Hübner, Direktor des Ins-
tituts für Humangenetik des Klinikums.
„Jedoch lag eine Beteiligung von Kal-
zium-aktivierten Chlorid-Kanälen für die
Regulation des Blutdrucks aufgrund ver-
schiedenerVorbefunde nahe.“
Ionenkanal abschalten
Um diese Hypothese zu überprü-
fen, schalteten die Wissenschaftler
den Kanal in den glatten Muskelzellen
der Gefäßwände von erwachsenen
Mäusen aus. Die Folge: Der Blutdruck
sank. „Damit konnten wir erstmals
die blutdruckregulierende Wirkung
von TMEM16A im lebenden Orga-
nismus nachweisen“, so Hübner.
Der Vergleich verschiedengroßer Ge-
fäße ergab zudemErstaunliches: In den
WändenvongroßenSchlagaderngabes
wesentlichmehrTMEM16Aals inmittel-
großen.Während sich die Hauptschlag-
ader ohne den Ionenkanal weniger kon-
trahiert, zeigtenmittelgroßeArterienein
unverändertesKontraktionsverhalten. In
kleinen und kleinsten Gefäßen führte
dasAusschaltendesKanalsebenfalls zu
einer vermindertenKontraktion. 
vdG
Mädchensindge-
fährdeter:Fürsie
steigtdasRisikofür
Stoffwechselstörun-
genbereitsimGrenz-
bereichvonNormal-
undÜbergewicht.
Kontakt:
Prof.Dr.InaBerg-
heim
Tel.:03641/949730
Foto:Kasper
BlutdruckimNorm-
bereich–dank„ent-
spannter“Gefäße.
Kontakt:
Prof.Dr.Christian
Hübner
Tel.:03641/935501
Foto:Kasper
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