Uni-Journal Jena April 2014 - page 13

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Uni-JournalJena04/14
Interview
„Universitäten sindTüröffner“
Uwe Cantner erklärt, warum sich Investitionen in Hochschulen
lohnen
Prof.Dr.UweCant-
nerhatdenLehrstuhl
fürMikroökonomik
derFSUinneundist
hieru.a.Sprecher
desGraduierten-
kollegs„TheEcono-
micsofInnovative
Change“.Zuseinen
Forschungsschwer-
punktengehören
u.a.innovative
Unternehmensgrün-
dungen,Innovati-
onsnetzwerkeund
dieDynamikinsich
wandelndenMärkten
undIndustrien.
Dasvorliegende
Interviewisteinege-
kürzteFassung.Das
vollständigeInter-
viewistzulesenun-
_cantner_interview.
Foto:Günther
InThüringenmüssendieHochschulen
gerade schmerzhafte finanzielle Ein-
schnittehinnehmen.SehenSiesieals
Innovationsmotoren inGefahr?
Aus eigenen Forschungenwissenwir
um die Bedeutung der Hochschulen in
nationalen wie regionalen Innovations-
systemen. SiesindWissensproduzenten
und -verteiler und aus einem erfolgrei­
chen Innovationsgeschehen nicht weg­
zudenken. In den neuenBundesländern
habensienocheineweitereBedeutung:
AufgrunddesMangelsanGroßunterneh­
menals zentrale regionaleökonomische
Akteure erwartet man von den Hoch­
schulen, dass siedieseFunktion zusätz­
lich übernehmen. Die aktuellen finan­
ziellen Einschnitte bei den Hochschulen
bergendaher gerade in denneuenBun­
desländern eine besondere Gefahr für
diewirtschaftlicheWettbewerbsfähigkeit
unddie regionaleWertschöpfung.Wenn
Sie einer Universität den Etat um 10
Prozent kürzen, wird der Rückgang der
direkten und indirekten ökonomischen
Wirkungenweitaus höher sein.
Wie rechnen sich für die öffentliche
Hand Investitionen inHochschulen?
Die kurzfristig anfallenden ökonomi-
schenErträgeeinerHochschuleergeben
sich aus den verausgabten Einkommen
der Unimitarbeiter und den Mitteln für
universitäre konsumtive und inves-
tive Zwecke, aus davon ausgehenden
Multiplikatoreffekten sowie induzier-
ten Ausgaben aus Drittmittelprojekten
oder Stipendien. Für eine nachhaltige
Entwicklung weitaus wichtiger sind al-
lerdings die sich über die ausgebildeten
Studierenden, Doktoranden und Wis-
senschaftler sowie über den Bestand
an geschaffenemWissen ergebenden
langfristigenWirkungen. Sie führen oft
erst nach Jahren zuErträgenundgehen
mit nachhaltigerWettbewerbsfähigkeit,
kontinuierlicher Schaffung von Innovati-
onspotenzialen und der damit verbun-
denenStandortattraktivität einher.Diese
Effekte sind jedoch statistisch schwer
fassbar und daher kaum in eine Renta-
bilitätsrechnungeinzubeziehen. IhreBe-
deutung für einenHochschulstandort ist
allerdings enorm.
Beispiel FSU:WelcheRolle spielt eine
prosperierende Uni für eine „kleine
Großstadt“wie Jena?
Die Universität, die etwa ein Viertel
der Bevölkerung ausmacht, stellt einen
enormenWirtschaftsfaktor dar, da die
Einkommen der Bediensteten, die Aus-
gaben der Studierenden und eineReihe
weiterer universitär bedingterAusgaben
direkt ökonomisch wirksam werden:
Kneipen, Young Fashion Boutiquen und
Shopping-Malls, Copyshops und Buch-
bindereien sind so zu sehen. Das Mit-
einander und die Interaktion der FSU
mit einer leistungsstarken und wettbe-
werbsfähigen lokalen Industrie führen zu
Agglomerationsvorteilen, die sich über
einen hochqualifizierten Arbeitsmarkt,
über einehohePatent- und Innovations-
dichte, über eineGründerszene und ein
kreatives Milieu sowie über ein breites
Spektrum an sozialen und kulturellen
Einrichtungen bemerkbarmachen.
Welche Chancen ergeben sich da-
rüber hinaus durch eine attraktive
Universitätwie die FSU für denWirt-
schaftsstandortThüringen?
Eine attraktive und leistungsstarke
Universität ist einLeuchtturmunddamit
ergeben sich nachhaltige Quellen für
die angesprochenen Agglomerations-
vorteile. So zieht die Universität Studie-
rendeundForscher sowieUnternehmen
und Fachkräfte aus allerWelt an. Diese
bewirken, dass sich ökonomische und
technologische Potenziale immer wie-
der auffrischen, dass Stärken und Kom-
petenzen ergänzt und weiterentwickelt
werden, dass neue Ideen entstehen
und ein Erstarren in altenVorstellungen
undWertenverhindertwird. Sogesehen
öffnet eineUniversität dieTüren für Ein-
flüsse von außen, lädt dieWelt ein und
legt den Grundstein für nachhaltig öko-
nomischprosperierendeund fürwissen-
schaftlich offene und kulturell vielfältige
Entwicklungen. Die hiervon ausgehen-
den Effekte wie die Minderung demo-
graphischerProbleme, dieAufrechterhal-
tung hoher Bildungsniveaus, die stabile
FinanzierungöffentlicherAufgabenusw.
liegen unmittelbar auf der Hand.
Wie viel verdient das Land also letzt-
lichander Investition inHochschulbil-
dung? Lässt sich das konkret in Euro
undCent ausdrücken?
Eine präzise Aussage zur Rentabilität
vonUniversitäten ist schwer zumachen,
da wie gesagt sehr wichtige Effekte
statistisch kaum erfassbar sind. Geht
man allerdingsganz konservativ vor und
stellt einfache Rentabilitätsrechnungen
auf Basis gut messbarer Größen auf,
so zeigt sich, auch international, dass
der Anteil der jährlich induziertenWert-
schöpfung ander gesamtenWertschöp-
fung einer Universität einer Verzinsung
von nicht unter 12 Prozent entspricht.
Andere Studien gehen bei den Effekten
nochetwasweiter und finden, dasssich
jeder Euro universitärer Investition bis
zum 10-fachen regional auswirkt. Das
sind schon außerordentliche Renditen,
verglichen etwa mit denen festverzins-
licher Staatspapiere, die in den letzten
Jahr(zehnt)en zwischen 8 Prozent und
zurzeit einbis zwei Prozent schwankten.
Gibt es noch weitereWertschöpfun-
gen, die aus der Universität resultie-
ren?
Eine ganze Reihe, die jedoch aus
Gründen ihrer geringenMessbarkeit oft
wenig Beachtung finden. Hierzu zählen
etwa das Mitwirken derWissenschaft-
ler inBeiräten, politischenGremien und
Juryboards, dieArbeit derStudierenden-
organisationenundAlumni-Gruppen, die
öffentlichenwissenschaftlichenVorträge,
SymposienundVorlesungensowieauch
Beiträge zurMeinungsbildung, dieKom-
mentierungen aktueller Probleme und
die wissenschaftliche Informationswei-
tergabe über dieMedien.
VerliertBildungderzeit ihrenRangals
höchstes erstrebenswertesGut?
Nein, das sehe ich nicht; allerdings
verändert sich ihr Charakter. Bildung
wird zurWare, zur ökonomischenEinheit
und nur die Bildung, die sich (kurzfris-
tig) ökonomisch rechnet, hat auchWert.
DieseEntwicklung istmeinesErachtens
zuhinterfragen, denn sie richtet uns auf
ökonomisch relevante Bildungsfelder,
FragestellungenundLösungsrichtungen
aus–dasmaguns inder Zukunft einmal
auf die Füße fallen. Gerade eine wohl-
habendeGesellschaft sollte in der Lage
sein, sichBildung auch als ein Kulturgut
zu erhalten – die Universität mit ihrer
zugesicherten Freiheit in Forschung und
Lehre ist hierfür ein guter Ort.
(Interview: UteSchönfelder)
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