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Uni-JournalJena04/14
Forschung
Krankenhauskeime mögen es nicht rau
Mikrobiologen undMaterialwissenschaftler entwickeln neuesTestsystem
Metall im Herz ist unbedenklich
Implantate aus Nickeltitanlegierung erstmals in Langzeitstudie geprüft
Bis zu 15000Menschen sterben jedes
Jahr an einer Infektion, die sie sich im
Krankenhaus zugezogen haben. Eine
Reihedieser heimtückischen Infektionen
entwickelt sich im Zusammenhang mit
Implantatmaterialien und Medizinpro-
dukten wie Hüft- oder Knieendoprothe-
sen,Herzklappen, Zahnimplantatenoder
Kathetern. Gegen gängige Antibiotika
sind Krankenhauskeime zunehmend re-
sistent.Daher schlagenMaterialwissen-
schaftler der FSU um Prof. Dr. Klaus D.
Jandt neueWege ein, den schädlichen
Mikroben zu begegnen: Sie entwickeln
nanoraueOberflächendesMetallsTitan,
auf denen sich dieMikroben nicht wohl
fühlen. Dieses Metall wird vor allem in
Implantaten eingesetzt.
BisherigeTests nicht vergleichbar
Ein wichtiger Schritt, um die antimik-
robielleWirksamkeit dieser Materialien
zu prüfen, sind standardisierteTestsys-
teme. „Bisher gibt es eine ganze Reihe
verschiedener, nicht vergleichbarerTests
zurPrüfungantimi-
krobieller Eigen-
schaften von Ma-
terialien“, sagt Dr.
Martin Roth vom
Hans-Knöll-Institut
(HKI).
Die Forscher
von HKI und FSU
haben jetzt ein
Testsystem entwi-
ckelt,mit demsich
Mikroben auf Ma-
terialien untersu-
chen lassen. Wie
die Wissenschaft-
ler in der Fach-
zeitschrift „PLOS
ONE“ schreiben,
konnten sie zei-
gen, dass nur wenige Mikroben auf
Als mögliche Erklärung für diesen
Effekt vermuten die Forscher eine Fehl-
passung zwischen der Geometrie der
Foto:Kasper
Materialoberflächeundder FormderMi-
kroben. Projektmitarbeiterin Claudia Lü-
decke sagt: „Diese Ergebnisse könnten
in Zukunft dazu beitragen, Implantat-as-
soziierte Infektionen in Krankenhäusern
zu reduzieren.“
AB
ErstautorinderStudie:ClaudiaLüdeckeaneinemRasterelektronenmikroskop.
Kontakt:
Prof.Dr.KlausD.
Jandt
Tel.:03641/947730
Ein Hosenknopf, eineMünze oder eine
Uhr – für Menschen mit einer Nickelal-
lergie können sie gefährlich werden.
Etwa jeder zehnte Deutsche reagiert
auf Hautkontakt mit demMetall aller-
gisch. „Daher stellt sich die Frage nach
der Sicherheit von Implantaten immedi-
zinischen Bereich, die Nickel enthalten“,
erläutert Prof. Dr. Markus Rettenmayr.
Denn Nickeltitanlegierungen, die in zu-
nehmendemMaße als kardiovaskuläre
Implantate bei minimalinvasivenEingrif-
fen eingesetzt werden, können Nickel
freisetzen, erläutert der Materialwis-
senschaftler. So könnte es zu einer Ni-
ckelbelastung im Körper des Patienten
kommen, dieunterUmständengesund-
heitlicheProbleme nach sich zieht.
Doch diese Befürchtung ist weitge-
hend unbegründet: Wie ein Forscher-
team um Prof. Rettenmayr und seinen
KollegenDr.AndreasUndisz inder Fach-
zeitschriftActaBiomaterialiaschreibt, ist
die Nickelfreisetzung aus Drähten einer
Nickeltitanlegierung auch über längere
Forscher diese Aussage mit der ersten
Langzeitstudie überhaupt, die eine sol-
che Freisetzung detailliert untersucht
hat: Statt der gesetzlich vorgeschriebe-
nenTestphase für implantierbareMedi-
zinprodukte von wenigenTagen haben
sie das Auswaschverhalten von Nickel
über einen Zeitraum von acht Monaten
untersucht.
Dafür haben die Forscher Drahtpro-
ben in hochreines Wasser eingelegt
und das freiwerdendeNickel bestimmt.
„Vor allem in den erstenTagen undWo-
chen werden durchaus nennenswerte
Mengen an Nickel frei“, fasst Undisz
die Befunde zusammen. Dies sei auf
die mechanische Beanspruchung des
Implantats während der OP zurückzu-
führen. „Dadurch wird die dünne Oxid-
schicht beschädigt, die das Material
bedeckt, wodurch es zur erhöhten Ni-
ckelfreisetzung kommt.“Auf langeSicht
aber bewege sich die Nickelkonzentra-
tion imBereichwenigerNanogrammpro
Tag und liege damit weit unterhalb der
Menge, diewir ohnehin tagtäglich über
dieNahrung zu uns nehmen.
US
Kontakt:
Dr.-Ing.Andreas
Undisz
Tel.:03641/947768
EinsogenannterOkkluderbestehtauszwei
drahtgeflochtenenSchirmchenauseinersu-
perelastischenNickeltitanlegierungundwird
zurBehebungvonDefektenderHerzscheide-
wandverwendet.ImIdealfallträgtderPatient
dasImplantatvieleJahreimKörper.Waswäh-
renddieserZeitmitdemNickeltitandrahtpas-
siert,habendieMaterialforscheruntersucht.
Foto:Kasper