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26

Uni-Journal Jena12/15

Forschung

Woher ein Giftpilz seine Farbe bekommt

Gleich drei Enzyme produzieren den Farbstoff des Kahlen Kremplings

Die zwei Gesichter eines Botenstoffs

GABA aktiviert unreife Neuronen und hemmt die Netzwerkaktivität

Wissenschaftler aus Jena und Tübin-

gen konnten erstmals die Funktion des

Neurotransmitters Gamma-Aminobutter-

säure (GABA) im lebenden Organismus

messen. Im Fachjournal „Nature Com-

munications“ schreiben sie, dass der

im erwachsenen Gehirn hemmend wir-

kende Botenstoff die unreifen Nerven-

zellen in der frühen Hirnentwicklung ak-

tiviert. Auf Netzwerkebene wirkt GABA

jedoch von Beginn an hemmend und

schützt so das sich entwickelnde Gehirn

vor überschießender Spontanaktivität

(DOI:10.1038/ncomms8750). Die Neurowissenschaftler waren sich

nicht einig: Ändert sich der Wirkungs-

charakter des Botenstoffes GABA mit

der Reifung des Gehirns? Anhand von

Gewebeschnitten hatten sie bereits

vor Jahrzehnten herausgefunden, dass

GABA unreife Nervenzellen im sich ent-

wickelnden Gehirn aktiviert. Im erwach-

senen Hirn hingegen hemmt GABA die

Nervenzellaktivität. Neben Erklärungs-

modellen, warum und wie sich diese

Wirkung umkehrt, gab es auch Zwei-

fel, ob dem wirklich so ist – schließlich

stammten die Ergebnisse aus Messun-

gen an Hirnschnitten und nicht aus dem

funktionierenden Gehirn.

Mäusen beim „Denken“ zusehen

PD Dr. Knut Kirmse und Prof. Dr. Knut

Holthoff von der Klinik für Neurologie

konnten diese Zweifel jetzt ausräumen.

Hierfür schauten sie neugeborenen

Mäusen beim „Denken“ zu: Sie unter-

suchten mittels Kalzium-Bildgebungs-

techniken sowie elektrophysiologischer

Messungen die Signalprozesse in der

Sehrinde von 3-4 Tage alten Tieren.

„Damit konnten wir erstmals die depo-

larisierende, also aktivierende Wirkung

von GABA auf die unreifen Nervenzellen

im intakten Organismus nachweisen“,

erklärt Knut Holthoff. Dabei vereint der

Neurotransmitter GABA zwei gegen-

sätzliche Prinzipien: Aktivierung und

Hemmung. „GABA depolarisiert zwar

die Neuronen, ist aber nicht imstande,

Aktionspotenziale auszulösen. Auf diese

Weise wird eine überbordende Netz-

werkaktivität vermieden“, so Holthoff.

Diese Ergebnisse tragen zu einem

besseren Verständnis der neurobiologi-

schen Reifungsprozesse bei. Sie haben

aber auch Bezug zu klinischen Frage-

stellungen. Knut Kirmse: „Das Entwick-

lungsstadium der von uns untersuchten

Tiere entspricht etwa dem von Kindern

im letzten Schwangerschaftsdrittel.“ Die

Erkenntnisse zum Ablauf der Hirnreifung

lassen sich daher auch auf Frühgeborene

anwenden. 

vdG

Wenn sich Autos wieder

dicht an dicht am Waldrand

drängen und Menschen su-

chend durch das Dickicht

streifen, dann ist Pilzsaison.

Ein Pilz sollte dabei jedoch

nicht im Korb landen: der

Kahle Krempling. Denn der

ist giftig. Jana Braesel und

ihre Kollegen von Universität

und Hans-Knöll-Institut sind

jedoch nicht am Gift dieses

Pilzes interessiert, sondern

an seinem gelb-braunen

Farbstoff. Dessen Ursprung

konnte das Wissenschaftler-

team um Dirk Hoffmeister,

Christian Hertweck und Pierre

Stallforth aus Jena sowie Kollegen aus

Lund (Schweden) aufklären und haben

ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift

„Chemistry & Biology“ veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.chembiol.2015.08.016).

Obwohl der Kahle Krempling schon

lange wissenschaftlich untersucht wird,

blieben die Fragen, wie der Pilz seine

Farbe produziert und wofür er sie benö-

tigt, bislang unbeantwortet. „Wir haben

angenommen, dass ein neuer Enzymtyp

an der Herstellung des Farbstoffes betei-

ligt ist“, sagt Jana Braesel. Was die Wis-

senschaftler fanden, war zwar einerseits

althergebrachte Chemie, aber anderer-

seits eine große Überraschung, wie die

Doktorandin berichtet: „Drei

verschiedene Enzyme mit

gleicher Funktion sind parallel

für die Farbstoffsynthese im

Pilz verantwortlich. Er hat sich

also dreifach abgesichert.“

Und das hat seinen Grund,

denn der gelb-braune Farb-

stoff übernimmt lebenswich-

tige Funktionen für den Pilz.

So spielt er eine Rolle im

Abbau von organischem Ma-

terial, etwa Laub. Der vom

Pilz gebildete Farbstoff greift

in den Eisenstoffwechsel ein,

wodurch der Abbauprozess

fortwährend regeneriert wird.

Aus dem abgebauten organi-

schen Material setzt er Stickstoff frei,

welcher ihm als Nährstoff dient. So ist

der Kahle Krempling auf die umliegen-

den Bäume angewiesen, um sich zu er-

nähren. Hingegen benötigen die Bäume

auch den Pilz, um wachsen zu können.

Sie gehen mit ihm im Wurzelbereich

eine symbiotische Gemeinschaft ein. tik

PDDr.KnutKirmse

(l.)undProf.Dr.

KnutHolthoffver-

folgtendieWirkung

vonGABAimleben-

denOrganismus.

Kontakt:

Tel.:03641/9323418 E-Mail:knut. holthoff@med.uni

-

jena.de Foto:Szábo

WächstauchinheimischenWäldern,voralleminderNähevonBirken,

Buchen,KiefernundFichten:derKahleKrempling.

Kontakt:

Prof.Dr.DirkHoff-

meister

Tel.:03641/949850

E-Mail:dirk.hoff- meister@hki-jena.de

Foto:Gube