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Uni-Journal Jena12/15
Forschung
Woher ein Giftpilz seine Farbe bekommt
Gleich drei Enzyme produzieren den Farbstoff des Kahlen Kremplings
Die zwei Gesichter eines Botenstoffs
GABA aktiviert unreife Neuronen und hemmt die Netzwerkaktivität
Wissenschaftler aus Jena und Tübin-
gen konnten erstmals die Funktion des
Neurotransmitters Gamma-Aminobutter-
säure (GABA) im lebenden Organismus
messen. Im Fachjournal „Nature Com-
munications“ schreiben sie, dass der
im erwachsenen Gehirn hemmend wir-
kende Botenstoff die unreifen Nerven-
zellen in der frühen Hirnentwicklung ak-
tiviert. Auf Netzwerkebene wirkt GABA
jedoch von Beginn an hemmend und
schützt so das sich entwickelnde Gehirn
vor überschießender Spontanaktivität
(DOI:10.1038/ncomms8750). Die Neurowissenschaftler waren sichnicht einig: Ändert sich der Wirkungs-
charakter des Botenstoffes GABA mit
der Reifung des Gehirns? Anhand von
Gewebeschnitten hatten sie bereits
vor Jahrzehnten herausgefunden, dass
GABA unreife Nervenzellen im sich ent-
wickelnden Gehirn aktiviert. Im erwach-
senen Hirn hingegen hemmt GABA die
Nervenzellaktivität. Neben Erklärungs-
modellen, warum und wie sich diese
Wirkung umkehrt, gab es auch Zwei-
fel, ob dem wirklich so ist – schließlich
stammten die Ergebnisse aus Messun-
gen an Hirnschnitten und nicht aus dem
funktionierenden Gehirn.
Mäusen beim „Denken“ zusehen
PD Dr. Knut Kirmse und Prof. Dr. Knut
Holthoff von der Klinik für Neurologie
konnten diese Zweifel jetzt ausräumen.
Hierfür schauten sie neugeborenen
Mäusen beim „Denken“ zu: Sie unter-
suchten mittels Kalzium-Bildgebungs-
techniken sowie elektrophysiologischer
Messungen die Signalprozesse in der
Sehrinde von 3-4 Tage alten Tieren.
„Damit konnten wir erstmals die depo-
larisierende, also aktivierende Wirkung
von GABA auf die unreifen Nervenzellen
im intakten Organismus nachweisen“,
erklärt Knut Holthoff. Dabei vereint der
Neurotransmitter GABA zwei gegen-
sätzliche Prinzipien: Aktivierung und
Hemmung. „GABA depolarisiert zwar
die Neuronen, ist aber nicht imstande,
Aktionspotenziale auszulösen. Auf diese
Weise wird eine überbordende Netz-
werkaktivität vermieden“, so Holthoff.
Diese Ergebnisse tragen zu einem
besseren Verständnis der neurobiologi-
schen Reifungsprozesse bei. Sie haben
aber auch Bezug zu klinischen Frage-
stellungen. Knut Kirmse: „Das Entwick-
lungsstadium der von uns untersuchten
Tiere entspricht etwa dem von Kindern
im letzten Schwangerschaftsdrittel.“ Die
Erkenntnisse zum Ablauf der Hirnreifung
lassen sich daher auch auf Frühgeborene
anwenden.
vdG
Wenn sich Autos wieder
dicht an dicht am Waldrand
drängen und Menschen su-
chend durch das Dickicht
streifen, dann ist Pilzsaison.
Ein Pilz sollte dabei jedoch
nicht im Korb landen: der
Kahle Krempling. Denn der
ist giftig. Jana Braesel und
ihre Kollegen von Universität
und Hans-Knöll-Institut sind
jedoch nicht am Gift dieses
Pilzes interessiert, sondern
an seinem gelb-braunen
Farbstoff. Dessen Ursprung
konnte das Wissenschaftler-
team um Dirk Hoffmeister,
Christian Hertweck und Pierre
Stallforth aus Jena sowie Kollegen aus
Lund (Schweden) aufklären und haben
ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift
„Chemistry & Biology“ veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.chembiol.2015.08.016).Obwohl der Kahle Krempling schon
lange wissenschaftlich untersucht wird,
blieben die Fragen, wie der Pilz seine
Farbe produziert und wofür er sie benö-
tigt, bislang unbeantwortet. „Wir haben
angenommen, dass ein neuer Enzymtyp
an der Herstellung des Farbstoffes betei-
ligt ist“, sagt Jana Braesel. Was die Wis-
senschaftler fanden, war zwar einerseits
althergebrachte Chemie, aber anderer-
seits eine große Überraschung, wie die
Doktorandin berichtet: „Drei
verschiedene Enzyme mit
gleicher Funktion sind parallel
für die Farbstoffsynthese im
Pilz verantwortlich. Er hat sich
also dreifach abgesichert.“
Und das hat seinen Grund,
denn der gelb-braune Farb-
stoff übernimmt lebenswich-
tige Funktionen für den Pilz.
So spielt er eine Rolle im
Abbau von organischem Ma-
terial, etwa Laub. Der vom
Pilz gebildete Farbstoff greift
in den Eisenstoffwechsel ein,
wodurch der Abbauprozess
fortwährend regeneriert wird.
Aus dem abgebauten organi-
schen Material setzt er Stickstoff frei,
welcher ihm als Nährstoff dient. So ist
der Kahle Krempling auf die umliegen-
den Bäume angewiesen, um sich zu er-
nähren. Hingegen benötigen die Bäume
auch den Pilz, um wachsen zu können.
Sie gehen mit ihm im Wurzelbereich
eine symbiotische Gemeinschaft ein. tik
PDDr.KnutKirmse
(l.)undProf.Dr.
KnutHolthoffver-
folgtendieWirkung
vonGABAimleben-
denOrganismus.
Kontakt:
Tel.:03641/9323418 E-Mail:knut. holthoff@med.uni-
jena.de Foto:SzáboWächstauchinheimischenWäldern,voralleminderNähevonBirken,
Buchen,KiefernundFichten:derKahleKrempling.
Kontakt:
Prof.Dr.DirkHoff-
meister
Tel.:03641/949850
E-Mail:dirk.hoff- meister@hki-jena.deFoto:Gube