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Uni-Journal Jena12/15

Vom wahren Wert der Universitäten

Hochschulen sind mehr als Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen

Deutschland hat ein demografisches

Problem: Immer mehr Menschen wer-

den immer älter, immer weniger junge

Leute kommen in den Arbeitsmarkt. Be-

sonders für strukturschwache Regionen

sehen die Prognosen nicht rosig aus. Da-

her versucht die Politik gegenzusteuern

und hat dabei u. a. die Hochschulen im

Blick.

„Heu t e be -

misst sich die

Finanzierung der

Hochschulen zu

einem nicht uner-

heblichen Teil an

der Zahl ihrer Stu-

dierenden“, sagt

Prof. Dr. Michael

Fritsch. Doch den

„Wert“ von Hoch-

schulen allein nach

Studierendenzah-

len zu beurteilen,

könnte sich fatal

auswirken, warnt

der Wirtschafts-

wissenschaftler

von der Uni Jena. Gemeinsam mit sei-

nen Hallenser Fachkollegen Prof. Dr.

Peer Pasternack und Dr. Mirko Titze hat

Fritsch jetzt die Ergebnisse einer Studie

mit dem Titel „Schrumpfende Regionen

– dynamische Hochschulen“ vorgelegt.

Darin zeigen die Forscher, wie die viel-

fältigen Aktivitäten von Universitäten

die wirtschaftliche, soziale und kultu-

relle Entwicklung einer Region fördern

können.

„Neben ihrem Bildungsauftrag neh-

men die Universitäten viele weitere

Funktionen in Forschung und Wissens­

transfer wahr“, unterstreicht Heraus-

geber Fritsch. So seien etwa das Wis-

sen und die Innovationen, die von den

Hochschulen ausgehen und die über

Forschungskooperationen und Unter-

nehmensgründungen kommerzielleWir-

kungen entfalten, wichtige Motoren für

die regionale Entwicklung. Als Beispiel

nennt Fritsch die Stadt Jena selbst. Im-

mer wieder als einer der „Leuchttürme“

in Ostdeutschland bezeichnet, konzent-

rieren sich hier die Innovationsaktivitäten

und Gründungen des Freistaates.

Die Politik müsse die Bedeutung der

Hochschulen besser begreifen und die

drastische Unterfinanzierung der Hoch-

schulen beenden, fordern die Autoren

der Studie. Sie empfehlen der Politik ein

alternatives Hochschulfinanzierungsmo-

dell, das neben der Studienplatzaus-

lastung auch wettbewerbliche Aspekte

berücksichtigt. 

US

DieUniversität

machtJenazum

Leuchtturm.

Kontakt:

Prof.Dr.Michael

Fritsch

Tel.:03641/943220

E-Mail:m.fritsch@ uni-jena.de

„Massive Mitbestimmungslücke“

Gesetzliche Vorgaben zur Arbeitnehmermitbestimmung werden ignoriert

In Deutschland gibt es über eine Mil-

lion Gesellschaften mit beschränkter

Haftung (GmbH). Wenn eine GmbH re-

gelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer

beschäftigt, muss ihr Aufsichtsrat auch

mit Arbeitnehmervertretern besetzt

sein. „Gesetzliche Grundlage hierfür ist

das Drittelbeteiligungsgesetz, das für

solche Gesellschaften jeden dritten Auf-

sichtsratssitz für einen Vertreter der Ar-

beitnehmer vorsieht“, erläutert Prof. Dr.

Walter Bayer. Unter Umständen sei so-

gar jeder zweite Aufsichtsratssitz für die

Arbeitnehmerseite reserviert, soweit die

GmbH an der Spitze eines Konzerns mit

insgesamt regelmäßig mehr als 2000 in-

ländischen Beschäftigten stehe, so der

Jenaer Rechtswissenschaftler. „Ausnah-

men bilden lediglich sogenannte ,ten-

denzgeschützte‘ Gesellschaften, wozu

beispielsweise Unternehmen aus dem

Gemeinnützigkeitsbereich zählen.“

Eine aktuelle Studie des Instituts für

Rechtstatsachenforschung zum Deut-

schen und Europäischen Unterneh-

mensrecht der FSU zeigt jedoch, dass

die gesetzlichen Vorgaben für die Arbeit-

nehmermitbestimmung in der Praxis

weitgehend ignoriert werden. „Es be-

steht eine massive Mitbestimmungslü-

cke in der deutschen GmbH-Landschaft“,

konstatiert Studienleiter Bayer. Dabei

wurden exemplarisch die Mitbestim-

mungsverhältnisse von nicht unter den

Tendenzschutz fallenden Gesellschaften

mit beschränkter Haftung analysiert, die

zwischen 750 und 1 250 Arbeitnehmer

aufweisen. Bei diesen hätte ein auch

mit Arbeitnehmervertretern besetzter

Aufsichtsrat festgestellt werden müs-

sen. „Doch bei etwa der Hälfte dieser

Gesellschaften existiert kein mitbestim-

mender Aufsichtsrat“, so Bayer.

Quote wird nicht umgesetzt

Besonders groß sei die Mitbestim-

mungslücke bei Unternehmen aus dem

Handels- und Dienstleistungssektor (67

Prozent), während sie im Industriebe-

reich bei 37 Prozent lag. Bedenklich sei

die Mitbestimmungslücke auch vor dem

Hintergrund der Bemühungen, die Teil-

habe von Frauen an Führungspositionen

der Wirtschaft zu verbessern. Denn: Nur

solche GmbHs, die auch tatsächlich der

unternehmerischen Mitbestimmung un-

terliegen, kommen für die Anwendung

der Frauenquote in Frage. Wenn jedoch

trotz gesetzlicher Vorgaben keine Ar-

beitnehmermitbestimmung eingerichtet

worden ist, fehle auch die Grundlage für

die Anwendung der Frauenquote. US

Foto:Kasper

Arbeitnehmerge-

nießenMitbestim-

mungsrechte.Doch

diesewerdenvon

vielenUnternehmen

nichtumgesetzt.

Forschung

Foto:Kasper

Kontakt:

Prof.Dr.Walter

Bayer

Tel.:03641/942140

E-Mail:W.Bayer@ recht.uni-jena.de