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Uni-Journal Jena12/15

Profile

Grundsätzliche Fragen

Prof. Esser ist Kant-Expertin

Was ist Gerechtigkeit? Was bedeutet

Freiheit? Wie geht die Gesellschaft mit

Tod um? Es sind „die grundsätzlichen

Fragen“, die Andrea Marlen Esser (Foto)

zur Philosophie gebracht haben. Dabei

war sich die gebürtige Münchnerin noch

während ihres Studiums der Philoso-

phie, Psychologie und Politikwissen-

schaft nicht sicher, obWissenschaft oder

Journalismus ihre Zukunft sein würde.

Doch dann trat Immanuel Kant in ihr Le-

ben und hat die inzwischen 51-jährige

neue Lehrstuhlinhaberin für Praktische

Philosophie bis heute „gepackt“.

Der Magisterarbeit über den Freiheits-

begriff bei Kant und Rawls folgte 1994

die Promotion mit der Arbeit „Kunst als

Symbol. Die Struktur ästhetischer Re-

flexion in Kants Theorie des Schönen“.

Kants Tugendlehre wurde Thema ihrer

2002 abgeschlossenen Habilitation.

Kants Theorie sage viel über den Men-

schen und sei nicht nur für „intelligible

Überwesen“ konzipiert, unterstreicht

die Philosophin. Kant leite uns an, vorlie-

gende Urteile zu kritisieren und eigene

zu fällen. Doch so sehr Kant, dessen

„Critik der Ur­

theilskraft“ sie

gerade neu ediert,

sie auch beein-

flusst, das The-

m e n s p e k t r u m

von Prof. Esser

ist deutlich brei-

ter: Über Organ-

spende, Tod und

Tr ansmo r t a l i t ä t

forscht die Philosophin ebenso wie über

die antiken Philosophen und Aufklärung,

über Urteilskraft und Pragmatismus,

Ethik und Hermeneutik.

Andrea Merlen Esser wechselte nach

Stationen im In- und Ausland von Mün-

chen zunächst auf eine Professur an die

Hochschule für Gestaltung Pforzheim

und dann an die RWTH Aachen, wo sie

Ästhetik und Technik aus Philosophie-

praktischem Blickwinkel betrachtete.

Doch die Mutter eines inzwischen er-

wachsenen Sohnes zog es an eine „klas-

sische Universität“ und so wechselte sie

2006 nach Marburg, bevor sie nun dem

Ruf nach Jena folgte. 

AB

Foto:Günther

Foto:Günther

Sprache entschlüsseln

Prof. Demmerling lehrt Theoretische Philosophie

Prof. Dr. Christoph

Demmerling (Foto)

hat den Lehrstuhl

für Theoretische

Philosophie über-

nommen. Zuvor

hatte Demmerling

an der Universität

Marburg gelehrt.

In Jena ist der

52-Jährige kein

Unbekannter: Demmerling weilte 2003

als Gastdozent in der Stadt an der Saale.

Christoph Demmerlings Forschungs-

interesse gehört der Sprachphilosophie:

„Mich interessieren die anthropologi-

schen Grundlagen der Sprache.“ Seit

seiner Doktorarbeit, die er 1992 an der

Universität Konstanz unter dem Titel

„Sprache und Verdinglichung“ vorge-

legt hat, widmet sich Demmerling den

vielfältigen Aspekten von Sprache und

nichtsprachlicher Kommunikation. Ganz

aktuell erarbeitet der Philosoph mit ei-

nem Leipziger Kollegen das Wörterbuch

„Sprachphilosophie“.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Ar-

beit ist die Philosophie des Geistes. Hier

hat sich Demmerling insbesondere mit

der Frage nach der Rolle der Gefühle für

Denken, Wahrnehmen und Handeln des

Menschen befasst.

Studiert hat Demmerling Philosophie,

Neuere deutsche Literatur und Theoreti-

sche Linguistik an der Universität Kon-

stanz. Seinem Abschluss als Magister

folgte ein Aufbaustudium Philosophie in

Konstanz, später gab es einen Studien-

und Forschungsaufenthalt an der Uni-

versität Florenz. Weitere Stationen als

Wissenschaftler waren die New School

for Social Research in New York, die TU

Dresden, die FU Berlin sowie die Univer-

sitäten in Frankfurt, Gießen, Leipzig und

Osnabrück. 2008 wurde Demmerling an

die Uni Marburg berufen, bevor er nun

nach Jena wechselte.

Christoph Demmerling ist verheiratet

und hat eine zwölfjährigeTochter. Früher

spielte Demmerling als Bassist in einer

Jazzband; ein Hobby, für das ihm heute

leider die Zeit fehle. 

sl

Big Data

und Umwelt

Prof. Brenning

analysiert Geodaten

Foto:Günther

Mehr als 12 000

Kilometer Luftlinie

trennen die Anden

undThüringen. Von

Jena aus gesehen,

erstreckt sich die

Gebirgskette ent-

lang der südame-

rikanischen West-

küste praktisch

„am anderen Ende

der Welt“. Eine Entfernung, die Prof. Dr.

Alexander Brenning (Foto) dennoch

immer wieder überbrückt, wenn auch

meist per Computer vom Uni-Schreib-

tisch aus: Der neue Lehrstuhlinhaber für

Geoinformatik erforscht u. a. den Perma-

frost und sogenannte Blockgletscher der

trockenen Anden.

Was den 40-Jährigen, der jüngst von

der renommierten University of Water-

loo im kanadischen Bundesstaat Ontario

an die Jenaer Universität wechselte, an

der Kryosphäre von Gebirgen interes-

siert, ist ihre Dynamik. Prof. Brenning

nutzt und entwickelt dafür Methoden

der räumlichen Statistik und Geodaten-

verarbeitung.

Neben der Gebirgsmorphologie setzt

der vierfache Familienvater den Schwer-

punkt seiner wissenschaftlichen Arbeit

in der Analyse von Umweltdaten und

sich daraus ergebender Lösungen für die

Raumplanung oder des Managements

von Ressourcen. Brenning und sein

Team werten dafür geographische und

Satellitenmessdaten aus und überführen

diese in empirische Modelle. „Solche

Modelle erlauben es, bestimmte Vorher-

sagen zu geographischen oder ökologi-

schen Prozessen zu machen“, erläutert

der gebürtige Franke, der auch Software

entwickelt, die die Genauigkeit solcher

Modellvorhersagen verbessert.

Alexander Brenning hat in Freiberg

und Erlangen-Nürnberg Mathematik stu-

diert. 2005 wurde er an der Humboldt-

Universität Berlin promoviert. Nach

Forschungsaufenthalten an der Uni Er-

langen und am Leibniz-Zentrum für Ag-

rarlandschaftsforschung in Müncheberg

ging er 2007 nach Kanada und nun nach

Jena. Diesen Schritt erleichtert, hat ihm

dasWissenschaftler-Rückkehrprogramm

der German Scholars Organization und

der Carl-Zeiss-Stiftung: Bis 2018 wird

Brenning in diesem Programm mit rund

90000 Euro gefördert, als erster „Rück-

kehrer“ an eine Uni in Thüringen. 

US