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Uni-Journal Jena12/15
Porträt
Leistungssport war nicht geplant
Sportstudent Thomas Röhler ist viertbester Speerwerfer der Welt
Thomas Röhler ist ein Frühaufsteher und
sein Tag durchgeplant. Deshalb treffen
wir uns bereits neun Uhr. Kein Erken-
nungsmerkmal ausgemacht, schießt es
mir noch durch den Kopf, als ich in einem
Café am Jenaer Holzmarkt auf ihn warte.
Das erweist sich jedoch als völlig über-
flüssig, denn mit seinen 1,91 Metern ist
er kaum zu übersehen. Zunächst einmal
Gratulation an den inzwischen 24-Jähri-
gen für den bei der diesjährigen Leicht-
athletik-WM in Peking errungenen 4.
Platz im Speerwerfen. Auch wenn er es
mit 87,41 m – seine aktuelle Bestleistung
liegt bei 89,27 m – nicht auf‘s Treppchen
schaffte, bezeichnet er dies als seinen
bisher größten sportlichen Erfolg, zu-
sammen mit dem Gesamtsieg der Dia-
mond League 2014, einer Serie von 14
internationalen Leichtathletik-Meetings.
Jetzt ist die Saison zu Ende, doch zum
Durchatmen ist wenig Zeit. „Der Som-
mer ist für Speerwerfer zwar anstren-
gend, aber auch schön, weil alles Antrai-
nierte abgefordert wird, der Winter ist
durch das intensive Training viel härter.
Da ist mein Studium fast wie Erholung“,
bekennt der Deutsche Meister 2012 bis
2015 sowie parallel 2012 und 2013 auch
Deutscher Meister der U23. „Ich war nie
ein geplanter Leistungssportler“, scherzt
der trotz seiner Erfolge bescheidene
junge Mann, „und bis ins Teenageralter
war ich mir selbst nicht klar über meine
sportliche Zukunft.“ Durch sportlich ak-
tive Eltern vorgeprägt, kam der gebür-
tige Jenenser über das Kinderturnen in
der 2. Klasse zur Leichtathletik und zwei
Jahre später durch eine Nachbarin zum
TuS Jena. „Ich hatte Spaß am Bewegen,
war aber schmäch-
tig , versuchte
es mit Drei- und
Hochsprung sowie
Mehrkampf. Doch
etwas weit wer-
fen, etwa Steine
am Meer, war
schon immer eine
Herausforderung,
und gleichzeitig
faszinierte mich,
wie die Schwer-
kraft die Dinge
wieder nach un-
ten zog.“ Aber es
sollten elf Jahre
vergehen, ehe der
Teenager in der 10.
Klasse und damit
„im internationa-
len Vergleich sehr
spät“ zum Speerwerfen fand.
Doch dann ging alles ganz zügig.
Schon 2010 wurde der für den Leicht-
athletik Club Jena e. V. Startende in das
Nationalteam berufen. Im Speerwerfen
hänge viel von der Technik ab und bei
ihm sei der Knoten schnell geplatzt, er-
läutert das Sport-Ass. „Vielleicht kam mir
aber auch zugute, dass ich wenig ver-
letzt war.“ So „ganz nebenbei“ machte
er am Jenaer Sportgymnasium – dies sei
neben der Jenaer Universität der Platz,
dem er hinsichtlich seiner Entwicklung
als Persönlichkeit großen Dank schulde
– das Abitur mit dem Traumdurchschnitt
von 1,0. „Danach standen mir alle Türen
offen“, blickt er zurück. Im Gegensatz zu
vielen anderen Sportlern ging er nicht
den einfacheren Weg über die Bun-
deswehr. „Ich hätte mich ohnehin aus
ethischen Gründen damit schwer getan;
aber ich gehöre zum ersten Jahrgang
ohne Wehrpflicht und konnte mich frei
entscheiden.“
„Uni sehr entgegenkommend“
Also studieren, weil „man etwas für
die Zukunft braucht“. Zunächst Techni-
sche Physik an der Ernst-Abbe-Hoch-
schule Jena. Aber das ging mit dem
Sport nicht zusammen. Also griff er auf
den „2. Plan A“ zurück und wechselte
ans Institut für Sportwissenschaft der
Friedrich-Schiller-Universität. Ab dem
dritten Semester kamen Studien an der
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
hinzu. „Die Uni war und ist sehr ent-
gegenkommend“, freut sich der Athlet
mit dem sympathischen Lachen. Jetzt
„springt“ er zwischen beiden Fakultäten
hin und her. Ein Sonderstudienplan sei
nicht umsetzbar gewesen, weil vielfach
Module nur in bestimmten Semestern
angeboten würden, zudem mit dem
Trainingsplan vereinbart werden müs-
sen. Aber in Kooperation mit den Do-
zenten sei fast alles machbar. „Ohne
Kommunikation, dem Abstimmen von
Zeitplänen und viel Selbstdisziplin wäre
das alles trotzdem nicht möglich.“ Außer-
dem nutzt Thomas Röhler die Zeit gut,
die er auf demWeg zuWettkämpfen auf
Flughäfen und in Flugzeugen verbringen
muss. „Flugzeit sehe ich als geschenkte
Zeit und die kann man ganz gut zum Ler-
nen nutzen.“ Moderne Technik macht‘s
möglich.
Olympische Spiele nächstes Ziel
Inzwischen hat der Sport- und Wirt-
schaftsstudent alle Prüfungen bestanden
und konzentriert sich nun neben dem
Training voll auf seine Bachelor-Arbeit.
Sie wird natürlich eine Kombination aus
beiden Fachrichtungen und die Vorarbei-
ten sind weitestgehend geleistet. Bis zu
den Olympischen Sommerspielen 2016
in Rio de Janeiro, seinem nächsten gro-
ßen sportlichen Ziel, soll sie Geschichte
sein. „Sport ist manchmal ein Fulltime-
Job, aber ich brauche den geistigen In-
put und den Ausgleich, den das Studium
mir gibt – und außerdem ist es wichtig
für meine berufliche Zukunft.“ Da sieht
er sich in einer Branche, die dem Sport
sehr nah und innovativ ist und wo „ich
meine Ideen kreativ einbringen kann“.
Natürlich hofft der Speerwerfer auf
eine noch lange Karriere im Leistungs-
sport. Aber auch ein Master-Studium
hat er bereits im Blick. Beides selbst-
verständlich in Jena. „Das ist eine tolle
Stadt, die vom Semester-Rhythmus
lebt. Ich habe schon viele Städte ge-
sehen und vieles erlebt, aber ich habe
mich meistens nach Jena gesehnt. Das
ist eben meine Heimat“, bringt er es auf
den Punkt. Der Sommer sei wegen der
zahlreichen Wettkämpfe immer schwie-
rig für alle – für die Familie, die sehr stolz
auf ihn ist, aber auch für Freunde und
Bekannte. Doch ein Austausch bringe
meistens voran. Und schließlich hat Tho-
mas Röhler immer vieles zu berichten,
nicht nur in Wort, sondern auch in Bild.
Denn Fotografieren ist seine große Lei-
denschaft, die er mit hohem Anspruch
auslebt. Vor allem in der Natur findet er
dafür die Motive – nicht nur am frühen
Morgen.
Uschi Lenk
AnderWeltspitze:
SpeerwerferThomas
Röhler(hierbeim18.
NationalenLeicht-
athletik-Meeting
2014imJenaerErnst-
Abbe-Sportfeld)
bringtSportund
StudiumanderFSU
untereinenHut.
Aktuellarbeitet
derWM-Viertevon
Pekinganseiner
Bachelor-Arbeit.
Foto:J.Scheere