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Uni-Journal Jena11/14

Porträt

Kein Ossi, einfach nur Deutsche

Mareike Adler ist es egal, ob jemand Ost- oder Westdeutscher ist

Mareike Adler ist in Ludwigsfelde

geboren und aufgewachsen, einer bran-

denburgischen Kleinstadt südlich von

Berlin. Zum Tag der deutschen Einheit,

am 3. Oktober 1990, war sie nicht ein-

mal ein Jahr alt, die DDR kennt sie nur

aus Geschichtsbüchern und von den Er-

zählungen ihrer Eltern. „Ich interessiere

mich dafür, wie es früher war und ich

höre meinen Eltern gern zu, wenn sie

von damals erzählen“, sagt Mareike. Zum

Beispiel die Geschichte vom Abend ih-

rer Geburt, als ihre Mutter im Kranken-

haus lag und die Hebamme nirgends

zu sehen war. Erst am nächsten Tag

erfuhr sie von den jungen Vätern, die

„Westzeitschriften“ mitbrachten, dass

die Mauer offen ist und ließ sich ein Ra-

dio mitbringen, weil sie nicht glauben

konnte, dass das wahr ist. Oder die vie-

len kleinen Geschichten über den Alltag

in der DDR und wie die allgegenwärtige

Mangelwirtschaft Familie, Freunde und

Nachbarn zusammenschweißte, da je-

der dem anderen aushalf. „Diese Ge-

schichten sind wirklich spannend und

oft auch sehr lustig“, sagt Mareike Adler.

Die DDR, die Wende und die Wieder-

vereinigung – in ihrem eigenen Alltag

spielen diese Themen allerdings keine

große Rolle. „Ob Ost oder West – das

ist nicht so wichtig. Wir sind doch ein

Deutschland“, sagt die 25-Jährige. Auch

in ihrem Freun-

deskreis ist die

Herkunft kein

Thema: „Wir sind

eine bunte Mi-

schung aus Ossis

und Wessis und

es sind einfach al-

les nette Leute!“

Manchmal merke

man zwar schon,

dass jemand an-

ders aufgewach-

sen ist, am Auf-

treten oder am

Sprachgebrauch.

„Aber eigentlich

lassen sich keine

Grenzen ziehen.“

Für die Betonung

von Ost-West-

Unterschieden in

Medienberichten

hat die Studentin

daher auch nur

wenig Verständnis:

„Wenn ich solche

Dinge lese, dann

denke ich immer:

‚Mensch, das ist doch längst vorbei!‘“

Schade findet sie aber, dass es noch im-

mer wirtschaftliche Unterschiede gibt.

Mareike Adler fühlt sich deshalb we-

der als Ossi noch als Brandenburgerin,

„sondern einfach als Deutsche.“ Und

während für viele, die in der DDR auf-

gewachsen sind, der erste Besuch „drü-

ben“ ein einschneidendes Erlebnis war,

ist es für Mareike nur eine Randnotiz in

ihrem Leben. Als Kind war sie mehrmals

mit ihren Eltern im anderenTeil Deutsch-

lands. Doch sie muss überlegen, wann

sie es erstmals bewusst erlebt hat. Erst

nach einer Weile fällt es ihr ein: „Ich

glaube, das war auf dem Frankfurter

Flughafen, nach dem Abitur.“

Von dort flog sie gemeinsam mit ei-

ner Freundin für einWork-and-Travel-Jahr

nach Australien. „Ich wollte nach der

Schule erst einmal raus, musste irgend-

wie ausbrechen“, erinnert sie sich. Nach

ihrer Rückkehr begann sie eine Ausbil-

dung zur Zahntechnikerin – in Nordrhein-

Westfalen. „Dass ich ausgerechnet dort

gelandet bin, war allerdings Zufall. Ich

hatte mich deutschlandweit beworben

und wollte einfach eine neue Stadt ken-

nenlernen“, betont Mareike. Gern denkt

sie an ihre Zeit in Nordrhein-Westfalen

zurück, denn ihre Kollegen haben sie

von Anfang an herzlich aufgenommen.

Dass sie aus den neuen Bundesländern

stammt, stand hingegen stets im Hin-

tergrund. Natürlich habe es dennoch hin

und wieder Sprüche über Bananen oder

Westpakete gegeben, erzählt sie. „Aber

die habe ich mit Humor genommen und

manchmal auch selbst darüber gelacht.“

Fürs Studium dennoch zurück

Bald merkte Mareike jedoch, dass der

Beruf nicht der richtige für sie ist. Im

vergangenen Jahr – nach erfolgreichem

Abschluss ihrer Ausbildung – schrieb sie

sich daher an der Friedrich-Schiller-Uni-

versität für Pharmazie ein. „Ich möchte

weiterhin im medizinischen Bereich ar-

beiten“, erklärt sie. „Aber weniger direkt

am Patienten, sondern eher forschend

und beratend.“ Bewusst hat sie sich da-

bei für eine Uni in den neuen Bundeslän-

dern entschieden. Denn zwischen ihren

west- und ostdeutschen Bekannten hat

Mareike dann doch einen Unterschied

festgestellt: „Ich habe die Ostdeutschen

als unkomplizierter und natürlicher erlebt

und ich spüre hier mehr Zusammenhalt.“

Natürlich könne man nicht alle über ei-

nen Kamm scheren. Überhaupt, so

betont Mareike immer wieder, sei es

doch meistens kein wirklicher Ost-West-

Unterschied. Vielmehr hänge Vieles von

individuellen Erlebnissen und subjek-

tiven Eindrücken ab. Dennoch: Für das

Studium wollte Mareike wieder zurück,

in die neuen Bundesländer. Berlin sei

ihr jedoch zu groß und ihr Bruder habe

schließlich Jena empfohlen.

DieWahl ihres Studienfaches und Stu-

dienortes hat Mareike nicht bereut. Vom

ersten Tag an fühlt sie sich hier wohl:

„Als ich hier ankam und durch die Stra-

ßen lief, fiel mir sofort auf, dass die Men-

schen hier mehr lächeln.“ Auch ein Jahr

nach der anfänglichen Euphorie strahlt

die junge Frau, wenn sie nach Jena und

Thüringen gefragt wird: „Ich studiere

gern hier und möchte auch nach dem

Studium hier bleiben“, sagt sie. „Die Na-

tur, derThüringerWald, die Leute: Mir ist

Thüringen einfach sympathisch!“  

ch

Grau, nass, kalt: Das Wetter ist im No-

vember meistens eher ungemütlich und

der Monat deshalb bei vielen nicht sehr

beliebt – auch nicht zum Geburtstag fei-

ern. Doch bei Mareike Adler ist das an-

ders, sie hat gern im November Geburts-

tag: Die Pharmazie-Studentin wurde am

9. November 1989 geboren, demTag, als

die Berliner Mauer fiel. „Das ist wirklich

etwas Besonderes und ich werde auch

oft darauf angesprochen“, sagt sie und

ein klein wenig Stolz schwingt dabei mit.

nLenaBoltz(l.)undMareikeAdlerkamenbeideam9.November1989

urgischenLudwigsfelde.