36
Uni-Journal Jena07/15
Porträt
Berufswahl ist Papas Schuld
Carolin Heinicke ist erste Absolventin einer neuen Berufsausbildung
Ihr Arbeitsbereich im Druckzentrum des
Rechenzentrums der Friedrich-Schiller-
Universität (FSU) ist modern eingerich-
tet, geräumig und steckt voller Technik:
Zwischen Computern, Kopierern und
Druckmaschinen ist das Reich von Caro-
lin Heinicke zu finden. Die 19-Jährige hat
soeben ihre Ausbildung zur Medienge-
stalterin Digital und Print beendet.Wenn
sie Ende Juli ihr Abschlusszeugnis in den
Händen halten wird, ist sie die erste Ab-
solventin dieses Berufszweiges an der
FSU.
„Papas Schuld“ sei es, dass sie sich
für diesen Beruf entschieden habe,
meint die inWormstedt unweit ihrer Ge-
burtsstadt Apolda lebende junge Frau.
Er sei Maler und Lackierer und habe
schon sehr früh ihr Interesse an Farben
geweckt. „Er hat mich gefördert. Ich
konnte alles ausprobieren, erste eigene
Entwürfe gestal-
ten, einfach krea-
tiv sein“, erinnert
sie sich. „Mein
Be r u f s wu n s ch
war schon sehr
früh festgelegt,
es gab eigentlich
nichts anderes für
mich.“ Praktika
bei verschiedenen
Werbeagenturen
festigten diesen
Plan. Damals in
der 8. Klasse habe
sie vieles schon
eigenständig ent-
werfen und ge-
stalten dürfen –
von Einladungen
bis hin zu Folien
für das Bekleben von Autos. Als ein Test
im Berufsinformationszentrum (BIZ) der
Arbeitsagentur eine 60-prozentige Eig-
nung für den Traumberuf ergab, waren
die Würfel endgültig gefallen.
Engagiert und leistungsstark
Carolin Heinicke bezeichnet sich selbst
als „absolute Streberin“. Dafür stehen
nicht nur „haufenweise Urkunden und
sportliche Medaillen“ während ihrer
Schulzeit; für ihren Realschulabschluss
mit einem Durchschnitt von 1,3 wurde
sie mit dem Förderpreis für exzellente
schulische Leistungen und hohes gesell-
schaftliches Engagement von der Spar-
kassenstiftung Weimar-Weimarer Land
ausgezeichnet. Das ersparte ihr aber
nicht, etliche Bewerbungen zu schrei-
ben, auch über Thüringen hinaus. Auf
viele hat sie nie eine Antwort erhalten,
was sie heute noch ärgert; andere schei-
terten an der Wohnsituation. „Notfalls
hätte ich ein Freiwilliges Soziales Jahr
eingeschoben oder wäre doch ganz aus
Thüringen weggegangen, wenn es nicht
auf Anhieb geklappt hätte“, macht der
schlanke Teenager mit langem schwar-
zem Haar und lebhaft-leuchtenden Au-
gen seine Entschlossenheit in Sachen
beruflicher Perspektive deutlich. Denn
dass die Jenaer Universität 2012 erst-
mals auch Mediengestalter Digital und
Print ausbildete, erfuhr sie eher zufällig.
„Wir waren damals selbst überrascht
über die Vielzahl der bundesweiten Be-
werber“, berichtet FSU-Ausbildungslei-
terin Steffi Gál. Doch viele hätten sich
nicht ausreichend über den Beruf infor-
miert und wären mit falschen Erwar-
tungen zum Aufnahmetest gekommen.
„Mediengestalter Digital und Print sind
keine Grafik- oder Webdesigner“, so Gál.
Dieser Beruf biete zwar durchaus eine
Reihe an kreativen Gestaltungsmöglich-
keiten. Doch auch körperlich schwere
Arbeit an den großen Druckmaschinen
gehöre dazu.
Dass die Bewerber nun ein realisti-
scheres Bild vom Beruf des Medienge-
stalters Digital und Print haben, führt
Steffi Gál unter anderem auf die inten-
sive Informationsarbeit zurück. Dazu
gehören Vorträge im BIZ und ein Image-
Film, den die Auszubildenden zum Me-
diengestalter Bild und Ton, die ebenfalls
an der FSU ausgebildet werden, drehten
und bei dem Carolin Heinicke aktiv mit-
wirkte.
Carolin Heinicke spezialisierte sich auf
die Fachrichtung Gestaltung undTechnik.
„Dabei dreht sich alles darum, Medien
erzeugnisse zu gestalten und Produkti-
onsabläufe zu planen“, umschreibt sie
grob ihre Tätigkeit. Das nötige Rüstzeug
holte sie sich während der dualen Ausbil-
dung – das praktische bei den Kollegen
im Druckzentrum der Jenaer Universität,
das theoretische am Staatlichen Berufs-
bildungszentrum Pößneck. Drucktechnik,
Typografie, Webdesign und die Arbeit
mit der Kamera bzw. Bildbearbeitung
gehören ebenso dazu wie Datenkonfi-
guration und das Erstellen von Websei-
ten, was aber „nicht so mein Ding ist“.
Die dreijährige Lehre versetzt Carolin
Heinicke in die Lage, z. B. für alle Publi-
kationen der Universität die Druckdaten
zu prüfen, die Publikationen zu drucken
und zu binden. Das Spektrum reicht da-
bei von Jahresberichten, Diplomarbeiten
und Dissertationen über Broschüren bis
hin zu Werbematerialien im Corporate
Design der FSU.
Traditionelles Gautschfest
Inzwischen hat Carolin Heinicke auch
das Gautschfest überstanden, und das,
obwohl sie noch kein Zeugnis in den
Händen halten kann, das sie erst am
24. Juli überreicht bekommt. Sie hat die
nasse Zeremonie dennoch genossen,
mit der seit dem 16. Jahrhundert tra-
ditionell eine Druckerlehre – und heute
auch die von Mediengestaltern und
Druckmeistern – endet. Bei diesem alten
Brauch werden die Gäutschlinge in einen
Holzbottich getaucht, damit freigespro-
chen und in den Kreis der „schwarzen
Zunft“ aufgenommen.
Uschi Lenk
Ausbildung an der FSU
Die Friedrich-Schiller-Universität bildet in insge-
samt zwölf Berufen aus: neben Mediengestal-
tern Digital und Print in der Fachrichtung Ge-
staltung und Technik, u. a. erstmals in diesem
Ausbildungsjahr auch zum Kaufmann bzw. zur
Kauffrau für Büromanagement. In diesem Jahr
werden 15 junge Menschen eine Ausbildung
aufnehmen, insgesamt werden dann 57 Azubis
ihre Lehre an der FSU absolvieren. Nach einem
erfolgreichen Abschluss erhalten die Berufsein-
steiger in der Regel eine befristete Anstellung
an der Universität. Weitere Informationen unter:
www.uni-jena.de/Berufsausbildung.html.NachdreiJahren
LehrzeitistCarolin
Heinickedieerstean
derFSUausgebildete
Mediengestalterin
DigitalundPrint.
Foto:Günther