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Uni-Journal Jena07/15
Forschungsprojekte
Was Feuersteine verraten können
Urgeschichtler erforscht steinzeitliche Fundstellen in Westfalen
Viele Spuren haben sie nicht hinterlas-
sen, die Vormenschen, die nach der letz-
ten Eiszeit auf dem Gebiet des heutigen
Westfalen lebten. Meist haben nur stei-
nerne Artefakte bis heute überdauert.
Aus einer Reihe von Fundorten im
Münsterland werden aktuell vier große
und potenziell aussagekräftige Plätze
von dem Archäologen Peter Balthasar
von der Universität Jena untersucht.
„Unter 4 000 Artefakten lassen sich
manchmal nur 50 bis 100 als Geräte
einordnen“, so Balthasar, der gerade an
seiner Dissertation arbeitet. Die über-
wiegende Zahl der Funde sind lediglich
Werkabfälle, die jedoch detaillierte tech-
nologische Rückschlüsse zulassen. Zeit-
lich lassen sich die Fundorte einordnen:
Sie werden auf die Zeit von 13000 bis
10000 Jahre vor heute datiert. Das heißt,
der älteste Fundort wurde am Ende der
letzten Eiszeit von den Vormenschen ge-
nutzt, der jüngste zu Beginn der Warm-
zeit, in der wir heute leben.
Die Arbeit von Peter Balthasar heißt
„Untersuchung des Wandels der Stein-
artefaktgrundproduktion in der Westfä-
lischen Bucht vom Spätpaläolithikum
bis zum Mesolithikum“. Der Doktorand
erhält dafür ein Stipendium des Land-
schaftsverbandes
Westfalen-Lippe.
Vorrangiges Ziel
ist es, die techno-
logische Entwick-
lung nachzuvoll-
ziehen. Zu den
Fragen, die Baltha-
sar klären möchte,
gehören zudem
jene nach den
Aktivitätszonen
an der Fundstelle
sowie fundplatzin-
terne Dynamiken.
„Lässt sich eine
Entwicklung in der
Technologie der
Steinbearbeitung
feststellen, gibt es
Kontinuitäten oder
Brüche?“, fragt Balthasar.
So gebe es die, auf den ersten Blick
verblüffendeTatsache, dass ältere Stein-
werkzeuge auf komplexere Art und
Weise hergestellt wurden als neuere
Stücke. Eine Bewertung dieser Funde sei
jedoch schwierig: „Wir betreiben ledig-
lich Grundlagenforschung“, sagt Baltha-
sar. Wer die Menschen waren, die aus
Feuerstein Werkzeuge fertigten, lasse
sich nicht sagen. Fest stehe jedoch,
dass sich aufgrund des rasch wandeln-
den Klimas große Veränderungen in der
Technologie der Steinbearbeitung nach-
weisen lassen. Die genaue Einordnung,
die Peter Balthasar gerade vornimmt,
kann später wichtige Rückschlüsse an
anderen Fundstellen ermöglichen.
sl
DerDoktorandPeter
Balthasarvermisst
undkatalogisiert
steinzeitlicheFund-
stückeausWestfalen.
Kontakt:
E-Mail:peter. balthasar@uni-jena.
deFoto:Günther
Die Steine von Bilzingsleben
Wissenschaftler untersuchen Gesteinsfunde von Bilzingsleben neu
Mit einer Sisyphusarbeit ist
Dr. Volker Neubeck vom Be-
reich Ur- und Frühgeschichtli-
che Archäologie betraut. Der
35-Jährige untersucht die
Gesteine des steinzeitlichen
Fundortes Bilzingsleben in
Thüringen. Insgesamt 20000
Steine müssen Neubeck und
sein Mitarbeiter Clemens
Bock in die Hand nehmen,
bestimmen, vermessen und
katalogisieren. Ziel ihres auf
drei Jahre angelegten For-
schungsprojekts ist es, die
Genese des Fundortes zu er-
fassen und neu zu bewerten.
In Bilzingsleben wurden neben zahl-
reichen steinzeitlichen Knochenfunden
von Großsäugern auch Überreste von
Vormenschen entdeckt, die dem Homo
erectus zugeordnet werden. Die eben-
falls gefundenen mehrerenTausend Feu-
ersteine sollen, nach bisheriger Lesart,
von den Vormenschen bearbeitet wor-
den sein. Diese Funde haben ein Alter
von ca. 370000 Jahren. Seit einiger Zeit
werden die Grabungsfunde aus dem
vorigen Jahrhundert wissenschaftlich
neu bewertet. Die Wissenschaftler wol-
len nun die in Bilzingsleben
gefundenen unbearbeiteten
Steine nutzen, um die Ent-
stehung des Fundhorizontes
zu rekonstruieren.
„Wir können anhand der
Felsgesteine sagen, wie der
Fundhorizont zu bewerten
ist“, sagt Volker Neubeck.
Eine vertikale Einordnung
sei aber nicht möglich: Als
die Steine geborgen wurden,
vermerkten die Ausgräber le-
diglich die horizontale Lage.
Das vorherrschende Material
ist Travertin; hinzu kommen
Kalkstein sowie vereinzelt magmatische
und metamorphe Gesteine. „All diese
Steine wurden entweder während der
letzten Eiszeit durch den Eisschild und
die Tätigkeit von fließendem Wasser in
das Gebiet transportiert oder kommen
lokal vor“, so Neubeck.
sl
Kontakt:
Dr.VolkerNeubeck
E-Mail: volkerneubeck@ gmx.deDr.VolkerNeubeckuntersuchtGesteineausBilzingsleben.
Foto:Günther