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53

Uni-Journal Jena12/15

Kultur

MenschenZoos

Anti-Rassismus-Ausstellung „Die Schaustellung des Wilden“

Ein Zoo dient der Haltung und Präsenta-

tion von Tieren, die normalerweise nicht

in der Nähe leben. Zoos leben also auch

von der Lust des Menschen am Unbe-

kannten. Diese Neugier auf das Fremde

konnten früher vor allem die Herrscher

ausleben, doch je einfacher das Reisen

wurde, umso mehr Menschen brachen

in die Ferne auf und brachten von dort

etwas mit. Es waren jedoch nicht nur

exotische Pflanzen und Tiere, die mit

nach Hause gebracht wurden. Auch

Menschen wurden aus ihrer Heimat ver-

schleppt und dem gaffenden Publikum

vorgeführt – Menschen als Schauob-

jekte, die oft als „Freaks“ oder „Wilde“

in Szene gesetzt wurden.

Mit solchen „MenschenZoos“ be-

schäftigt sich noch bis 12. Dezember

die gleichnamige Sonderausstellung,

die täglich von 7-22 Uhr im 1. Oberge-

schoss des Universitätshauptgebäudes

(Fürstengraben 1) zu besichtigen ist. Der

Eintritt ist frei. Die Wanderausstellung,

die erstmals in Deutschland zu sehen

ist, präsentiert auf 22 eindringlich be-

bilderten Tafeln „Die Schaustellung des

Wilden“.

Bei der Vernissage wurde auch exem-

plarisch dargelegt, wie intensiv sich die

Universität Jena mit diesemThema und

ihrer Vergangenheit auseinandersetzt.

Am Beispiel der „Kopfhaut eines He-

rero“, die sich in der Lehrsammlung des

Zoologischen Instituts befand, wurde

dargelegt, wie auch in der Wissenschaft

Rassismus und Vorurteile gefördert oder

sogar geschaffen wurden. Zudem wurde

gezeigt, wie schwer manchmal eindeu-

tige Nachweise der Herkunft solcher

Sammlungsstü-

cke zu erbringen

sind. Die Univer-

sität Jena hat in

diesem Fall einen

externen Wissen-

schaftler mit der

U n t e r s u ch u n g

beauftragt. Sein

Ergebnis belegt

mit hoher Wahr-

scheinlichkeit, wer

die Kopfhaut wann

und aus welchem

Gebiet nach Jena

gebracht hat. Auch

wenn der eigent-

liche Träger unbe-

kannt bleibt, so ist

geplant, dass die

Kopfhaut „in Bälde

offiziell nach Nami-

bia zurückgeführt

werden wird“, wie

Prof. Dr. Martin S. Fischer betont. Der

Direktor des Instituts hatte die Untersu-

chung initiiert.

So wie Karl May – ohne selber je dort

gewesen zu sein – mit seinen Büchern

ein Bild des „Wilden Westens“ aus-

breitete, so prägten die verschleppten

Männer, Frauen und Kinder das Bild ih-

rer Heimat. Zunächst v. a. ab dem 16.

Jahrhundert an den Höfen der Herrscher

präsentiert, wurden ab dem 19. Jahr-

hundert zunehmend die Verschleppten

wie Tiere auf dem „Markt“ vorgeführt:

im Zirkus, im Theater oder Kabarett, auf

Jahrmärkten, in Paraden, Zoos, Dorf-

nachbauten oder auf (Welt-)Ausstellun-

gen. Diese Zurschaustellungen – die es

in Europa, Amerika und Japan bis Mitte

des 20. Jahrhunderts gab – nahmen den

Menschen ihre Individualität undWürde.

Der Begriff „MenschenZoo“ will diese

Aspekte problematisieren.

Vorurteile ganzer Generationen

Doch nicht nur angeglotzt und als

wild oder abnormal abgestempelt wur-

den die fremden Individuen. Anthropo-

logen nutzten diese Völkerschauen, um

die ausgestellten Personen zu unter-

suchen, ihre Gliedmaßen und Schädel

zu vermessen, sie zu kategorisieren

und daraus Rassekriterien abzuleiten.

Schlimmer noch wurde die Überzeu-

gung vermittelt, dass es eine Hierarchie

der Rassen gebe. Ein Beispiel für solche

Stigmatisierungen ist der „Elefanten-

mensch“ John Merrick.

In„MenschenZoos“wurdedieNeugierdes

PublikumsaufdasFremdegestillt.

Die MenschenZoos prägten die Vor-

stellungen ganzer Generationen. Res-

sentiments und Vorurteile, die die Men-

schen durch die Völkerschauen und die

Propagierung des Rassismus aufnah-

men, wurden generationenübergreifend

weitergereicht. Die Ausstellung verfolgt

daher auch das Ziel der Universität, Ur-

sprünge von Rassismus aufzuzeigen und

zu erklären, dass „man nicht als Rassist

geboren wird, man wird zu einem ge-

macht“, wie es LilianThuram formulierte.

Der frühere französische Fußballwelt-

meister und seine Anti-Rassismus-Stif-

tung unterstützen die Ausstellung, die

zuerst in Frankreich gezeigt wurde.

Dass die Schau in Jena gezeigt wer-

den kann, ist Prof. Fischer sowie der Ge-

sellschaft der Freunde und Förderer der

Universität Jena sowie „Lottomitteln“ zu

verdanken. 

AB

HistorischeFotos(l.)

undWerbeplakate

(o.)werdeninder

Ausstellunggezeigt.

Foto:ACHAC

Foto:PeterWeiss

Die22Schautafeln

sindnochbis12.

DezemberimUni-

hauptgebäudezu

sehen.

Foto:Günther