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Uni-Journal Jena12/15
Kultur
MenschenZoos
Anti-Rassismus-Ausstellung „Die Schaustellung des Wilden“
Ein Zoo dient der Haltung und Präsenta-
tion von Tieren, die normalerweise nicht
in der Nähe leben. Zoos leben also auch
von der Lust des Menschen am Unbe-
kannten. Diese Neugier auf das Fremde
konnten früher vor allem die Herrscher
ausleben, doch je einfacher das Reisen
wurde, umso mehr Menschen brachen
in die Ferne auf und brachten von dort
etwas mit. Es waren jedoch nicht nur
exotische Pflanzen und Tiere, die mit
nach Hause gebracht wurden. Auch
Menschen wurden aus ihrer Heimat ver-
schleppt und dem gaffenden Publikum
vorgeführt – Menschen als Schauob-
jekte, die oft als „Freaks“ oder „Wilde“
in Szene gesetzt wurden.
Mit solchen „MenschenZoos“ be-
schäftigt sich noch bis 12. Dezember
die gleichnamige Sonderausstellung,
die täglich von 7-22 Uhr im 1. Oberge-
schoss des Universitätshauptgebäudes
(Fürstengraben 1) zu besichtigen ist. Der
Eintritt ist frei. Die Wanderausstellung,
die erstmals in Deutschland zu sehen
ist, präsentiert auf 22 eindringlich be-
bilderten Tafeln „Die Schaustellung des
Wilden“.
Bei der Vernissage wurde auch exem-
plarisch dargelegt, wie intensiv sich die
Universität Jena mit diesemThema und
ihrer Vergangenheit auseinandersetzt.
Am Beispiel der „Kopfhaut eines He-
rero“, die sich in der Lehrsammlung des
Zoologischen Instituts befand, wurde
dargelegt, wie auch in der Wissenschaft
Rassismus und Vorurteile gefördert oder
sogar geschaffen wurden. Zudem wurde
gezeigt, wie schwer manchmal eindeu-
tige Nachweise der Herkunft solcher
Sammlungsstü-
cke zu erbringen
sind. Die Univer-
sität Jena hat in
diesem Fall einen
externen Wissen-
schaftler mit der
U n t e r s u ch u n g
beauftragt. Sein
Ergebnis belegt
mit hoher Wahr-
scheinlichkeit, wer
die Kopfhaut wann
und aus welchem
Gebiet nach Jena
gebracht hat. Auch
wenn der eigent-
liche Träger unbe-
kannt bleibt, so ist
geplant, dass die
Kopfhaut „in Bälde
offiziell nach Nami-
bia zurückgeführt
werden wird“, wie
Prof. Dr. Martin S. Fischer betont. Der
Direktor des Instituts hatte die Untersu-
chung initiiert.
So wie Karl May – ohne selber je dort
gewesen zu sein – mit seinen Büchern
ein Bild des „Wilden Westens“ aus-
breitete, so prägten die verschleppten
Männer, Frauen und Kinder das Bild ih-
rer Heimat. Zunächst v. a. ab dem 16.
Jahrhundert an den Höfen der Herrscher
präsentiert, wurden ab dem 19. Jahr-
hundert zunehmend die Verschleppten
wie Tiere auf dem „Markt“ vorgeführt:
im Zirkus, im Theater oder Kabarett, auf
Jahrmärkten, in Paraden, Zoos, Dorf-
nachbauten oder auf (Welt-)Ausstellun-
gen. Diese Zurschaustellungen – die es
in Europa, Amerika und Japan bis Mitte
des 20. Jahrhunderts gab – nahmen den
Menschen ihre Individualität undWürde.
Der Begriff „MenschenZoo“ will diese
Aspekte problematisieren.
Vorurteile ganzer Generationen
Doch nicht nur angeglotzt und als
wild oder abnormal abgestempelt wur-
den die fremden Individuen. Anthropo-
logen nutzten diese Völkerschauen, um
die ausgestellten Personen zu unter-
suchen, ihre Gliedmaßen und Schädel
zu vermessen, sie zu kategorisieren
und daraus Rassekriterien abzuleiten.
Schlimmer noch wurde die Überzeu-
gung vermittelt, dass es eine Hierarchie
der Rassen gebe. Ein Beispiel für solche
Stigmatisierungen ist der „Elefanten-
mensch“ John Merrick.
In„MenschenZoos“wurdedieNeugierdes
PublikumsaufdasFremdegestillt.
Die MenschenZoos prägten die Vor-
stellungen ganzer Generationen. Res-
sentiments und Vorurteile, die die Men-
schen durch die Völkerschauen und die
Propagierung des Rassismus aufnah-
men, wurden generationenübergreifend
weitergereicht. Die Ausstellung verfolgt
daher auch das Ziel der Universität, Ur-
sprünge von Rassismus aufzuzeigen und
zu erklären, dass „man nicht als Rassist
geboren wird, man wird zu einem ge-
macht“, wie es LilianThuram formulierte.
Der frühere französische Fußballwelt-
meister und seine Anti-Rassismus-Stif-
tung unterstützen die Ausstellung, die
zuerst in Frankreich gezeigt wurde.
Dass die Schau in Jena gezeigt wer-
den kann, ist Prof. Fischer sowie der Ge-
sellschaft der Freunde und Förderer der
Universität Jena sowie „Lottomitteln“ zu
verdanken.
AB
HistorischeFotos(l.)
undWerbeplakate
(o.)werdeninder
Ausstellunggezeigt.
Foto:ACHAC
Foto:PeterWeiss
Die22Schautafeln
sindnochbis12.
DezemberimUni-
hauptgebäudezu
sehen.
Foto:Günther