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FORSCHUNG — 95

Im von der Europäischen Kommission („Lifelong Learning

Programme“/Comenius) geförderten Projekt „Spatial

Citizenship“

(www.spatialcitizenship.org

) wurde zusam-

men mit 12 Partnern aus 9 Ländern das Konzept alltägli-

chen „Geographie-Machens“ auf das aktuelle Problem

der gesellschaftlich verantwortungsvollen Verwendung

von Geoinformation angewendet. Dabei stand im Teilpro-

jekt „Society, space and the geoinformation age“ zu-

nächst die kritische sozialgeographische Analyse der neu-

en, auch zunehmend für Laien zugänglichen technischen

Möglichkeiten der Erzeugung und Nutzung digitaler

raumbezogener Daten im Mittelpunkt. Die Ergebnisse der

Analyse wurden in einem weiteren Schritt in das Bildungs-

und Aufklärungskonzept „Spatial Citizenship“ überführt,

das eine kundige und gesellschaftskritische Kompetenz

der Nutzung von Geomedien bzw. Geoinformation unter-

stützen soll. Im Ergebnis konnte ein Trainingskurs für die

LehrerInnenbildung erstellt werden, der die neuen di-

daktischen Möglichkeiten digitaler Geoinformation in

alltagsnahen Übungen vermittelt und dabei gleichzeitig

den gesellschaftlichen Diskurs um einen bewussten Um-

gang mit diesen Informationen anregt.

[2] Quade D., Felgenhauer T. (2013): Geoinformation and Society: Practi-

sing and Comprehending Geomedia. In: Jekel T., Car A., Strobl, J., Gries-

ebener G. (Hg.): GI_Forum 2013: Creating the GISociety, Conference

Proceedings, Wien/Berlin/Offenbach, S. 261-271.

Abb. 2. Reflexion gesellschaftlicher Raumverhältnisse

im historischen Wandel.

Die im Rahmen des Pro-Exzellenz Projekts „Ordnung

durch Bewegung“ mit dem Max-Weber-Kolleg der Uni-

versität Erfurt durchgeführte Studie untersucht Prozesse

der dynamischen Stabilisierung am Beispiel raumtheore-

tischer Reflexionen der Industriellen und der Digitalen

Moderne. Ausgehend von der These einer strukturellen

Analogie geht es um die Frage, wie die Industrielle Revo-

lution im 19. und die Digitale Revolution zu Beginn des

21. Jahrhunderts in geographischen und raumtheoreti-

schen Zeitdiagnosen interpretiert werden, welche Raum-

konzepte den zeitgenössischen Beobachtern zur Verfü-

gung stehen bzw. wie Dynamisierung (z. B. als „Ent-

ankerung“) und Stillstellung (z. B. als „Welt-Bindung“)

konzeptionell gefasst werden. Wie unsere Forschungsar-

beiten zeigen können, korrespondieren die lebensweltli-

chen Beschleunigungs- und Expansionsprozesse bzw. die

moderne Steigerung gesellschaftlicher Komplexität häufig

gerade nicht mit entsprechend dynamisierten Gesell-

schaft-Raum-Kombinatoriken – die vielfältig beobachtba-

ren gesellschaftlichen Entankerungsprozesse werden

stattdessen mit Strategien der Territorialisierung einge-

hegt. Den im 19. Jahrhundert beobachtbaren Stillstellun-

gen durch traditionelle, sozialdarwinistische Raummodel-

le steht im 21. Jahrhundert nicht nur die Persistenz natio-

nalstaatlicher Steuerungsstrategien gegenüber, sondern

es lassen sich auch neue Momente der Fixierung aus-

machen: von Techniken der algorithmischen Strukturie-

rung bis hin zu Strategien der Disziplinierung von

(raumbezogener) Praxis mit digitalen Mitteln.

Ordnung durch Bewegung: Umschlagpunkte gesellschaftlicher Raumverhältnisse und

Neuformierungen des Gesellschaftlichen

Spatial Citizenship (SPACIT)