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Uni-Journal Jena07/15

Freiheit kann ohne Verant-

wortung nicht gelebt wer-

den. Dies gilt auch für die

wissenschaftliche Freiheit.

Diese bedeutet in erster

Linie, dass Wissenschaft-

ler dieThemen bearbeiten,

denen sie sich persönlich

verpflichtet fühlen und mit

denen sie ihre Expertise

und Schaffenskraft immer

wieder unter Beweis stel-

len – und dies mit Kolle-

gen eigener Wahl, die dies

ebenso tun.

Zweitens dürfen For-

schungsergebnisse nicht

zensiert werden. Auch

politisch unkorrekte For-

schungsergebnisse müs-

sen publizierbar sein. Dies zu entscheiden, liegt in der Verantwortung

der Wissenschaftler selbst, die auch die Konsequenzen zu tragen haben.

Wissenschaft dient der Verbesserung der Lebensumstände durch offenen

Dialog, nicht aber der Bedienung von Stereotypen.

Freiheit der Lehre setzt hier an frei gewählten Inhalten und Ergebnis-

offenheit an. Mündige, weltoffene Studentinnen und Studenten, die sich

mit den Inhalten kritisch auseinandersetzen, tragen dazu bei, Bachelor-

programme mit Elternabenden nicht!

Freiheitsbeschneidend sind Versuche der Ministerialbürokratie, Syner-

gien von oben zu beschließen, indem Forschungskooperationen erzwun-

gen werden sollen. Top-down-Ansätze müssen in der Wissenschaft mit

ihren zahllosen Individualisten scheitern. Dies gilt auch für den Umgang

zwischen den Wissenschaftlergenerationen, der zunehmend reglemen-

tiert wird. Junge Wissenschaftler brauchen keine Fürsorge durch ritua-

lisierte Mitarbeitergespräche und Betreuungsvereinbarungen, sondern

inhaltliche Orientierung und Diskussion sowie die Möglichkeit, ihre Ergeb-

nisse hervorragenden Fachkollegen in der Welt zu präsentieren. Nur so

können Sie das Zusammenspiel von Freiheit und Verantwortung erfahren.

In meinem Fach, der

Arbeits-, Betriebs-

und Organisations-

psychologie, ist die

Forschungsfreiheit

von ungeheurer Be-

deutung. Wir werden

ständig von Unter-

nehmen kontaktiert,

die ihre Konzepte,

Produkte, Arbeitswei-

sen evaluiert und zer-

tifiziert haben wollen.

Das ist oftmals eine

gute Kombination für Abschlussarbeiten oder Forschungspro-

jekte, aber nur, wenn die Resultate auch für die Forschungs-

gemeinschaft genutzt werden können. Leider legen einige

Drittmittelgeber immer mehr Beschränkungen darauf, so

dass es sehr wichtig ist, NICHT auf diese Mittel angewiesen

zu sein, sondern sein Gehalt unabhängig zu bekommen. For-

schungsfreiheit bedeutet weiterhin, dass auch politisch oder

gesellschaftlich unerwünschte Resultate veröffentlicht werden

können.

Position

Forschungsfreiheit ist einer der stärksten Motivatoren in

allen Arbeitsbereichen und nach vielen Stresstheorien einer

der besten Schutzfaktoren gegen psychische Fehlbeanspru-

chungen. Freiheit in der Tätigkeitsausübung ist also ein Kern-

element jeder humanen Arbeitsgestaltung.

Die stärksten zeitlichen und motivationalen Einschränkun-

gen der Forschungsfreiheit kommen derzeit aus der Bürokra-

tie, auch an unserer eigenen Universität. Der Kerngedanke und

Auftrag der Bürokratie ist, alles völlig und gleich zu regeln. Das

ist das exakte Gegenteil der Freiheit, denn da wird ja alles hin-

terfragt und nach Sinnhaftigkeit undWirksamkeit gestaltet. So

sind die Einschränkung durch bürokratische Prozesse so mas-

siv, dass Wissenschaftler schon Projekte zurückgeben, weil

der interne Bearbeitungsaufwand und die Regulierungswut ins

Unerträgliche steigen. Das gilt sowohl für die Bürokratisierung

der Lehre im Bachelorsystem als auch für die Überregulierung

jeglicher Forschungsprojekte, Raumverwaltungen, Bibliotheks-

prozesse, aller kleiner Abläufe, bis hin zu einer 12-seitigen Ver-

ordnung, wann man wem Kekse bei einem Forschungstreffen

servieren darf. Der deutsche Gedanke der zentralisierten Uni-

versität steht dabei im krassen Gegensatz zur internationalen

Vorgehensweise, wo gerade wieder in einer Studie verdeut-

licht wurde, dass nicht zentrale Bürokratie, sondern dezentrale

Strukturen erfolgreiche Forschung und Lehre befördern.

Light-Life-Liberty bedeutet dabei für mich an unserer Uni-

versität, dass der Regulierungswut als Feind der Freiheit eine

Grenze gesetzt werden muss, damit nicht das Licht des For-

schungslebens gedämpft oder gelöscht wird.

Prof. Dr. Rüdiger Trimpop, Lehrstuhl für

Arbeits-, Betriebs- und Organisations-

psychologie

Foto:Günther

Prof. Dr. Andreas Freytag, Lehrstuhl für

Wirtschaftspolitik

Foto:Günther

Freiheit der Wissenschaft hat für mich und die Indogerma-

nistik eine hohe Bedeutung. Gerade in einem Fach mit bald

zweihundertjähriger Tradition muss es möglich bleiben, neue

und eigene Wege zu gehen, die nicht schon im Keim erstickt

werden, weder durch konservative Scheuklappen noch durch

Dominanz der jeweils neuesten Mode, die andere Ansätze und

Themenbereiche als „unmodern“ verwirft.

Beide können so wirken, dass über die Beurteilung von

Forschungsprojekten Denkrichtungen vorgegeben bzw. un-

terdrückt werden, deren Potenzial nur aus der Perspektive

der Gutachter als gering beurteilt wird. Insofern bedroht die

zunehmende Organisation von Forschung über extern und

fachfremd gesteuerte Auswahlverfahren die Freiheit der For-

schungsausrichtung, zumal wenn wissenschaftsfremde, po-

litisch oder ökonomisch orientierte Vorgaben sich nach „ak-

tuellen“ Problemen richten, die morgen schon obsolet sein

können.

Dogmatische Be-

hinderung neuer

Ideen ist in unserem

Fach öfter vorge-

kommen, und dabei

spielte die geringe

Größe der Fachge-

meinde eine wich-

tige Rolle, da sie die

Dominanz einzelner

Schulen erleichterte.

Es ist darum für die

Freiheit der Wis-

senschaft wichtig,

dass eine kritische

Gesamtgröße nicht

unterschritten wird, um die Vielfalt von Denkansätzen nicht

zu schädigen. „Kleine“ Fächer sollten darum auch nach Zahl

der darin tätigen Personen nicht zu klein werden. Andernfalls

würde man diese Disziplinen und das durch sie bereitgestellte

Wissen wesentlich schwächen.

Prof. Dr. Martin Kümmel, Lehrstuhl

für Indogermanistik

Foto:Kasper