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Uni-Journal Jena04/15
Reportage
Vom Geist des Akrützels
Jenas älteste Hochschulzeitung feiert 25. Geburtstag
Im Universitäts-Hauptgebäude am Fürs-
tengraben herrscht kaum noch Betrieb,
die Mitarbeiter haben Feierabend, die
meisten Studierenden lernen wohl für
die bevorstehenden Klausuren. Aller-
dings brennt, so wie jeden Dienstag
im Semester, noch Licht im Akrützel-
Quartier. Es ist Redaktionssitzung, Be-
ginn um 19 Uhr. „Damit nehmen es die
meisten nicht so genau, wir halten uns
an das akademische Viertel“, sagt Ber-
nadette Mittermeier, amtierende Chef-
redakteurin, während sie auf den mit
Süßigkeiten prall gefüllten Tisch noch
weiße Kaffeetassen stellt. Im größeren
der beiden Akrützel-Büros kommen die
zehn bis fünfzehn freien Mitarbeiter
zusammen, um ihre vergangenen Aus-
gaben zu besprechen und die neuen zu
planen. Dafür stehen ihnen neben dem
großen Tisch, drei Computer, ein altes
braunes Sofa samt Sessel, jede Menge
Stühle und sogar ein kleines Bett mit
weißen Laken zur Verfügung. Dass hier
jemand übernachte, komme aber „zum
Glück“ nicht ganz so oft vor, sagt die
Chefredakteurin, die als einzige im Ak-
rützelteam einen Arbeitsvertrag mit dem
StuRa hat. Die 20-Jährige studiert Politik-
wissenschaft und Germanistik und weil
sie Akrützel und Vorlesungen nicht mehr
unter einen Hut bekam, entschied sie,
alle Kraft und Konzentration nur einem
der beiden zu widmen. Dafür ist sie, so
ist es im Vertrag festgelegt, für zwei Se-
mester vom Studium freigestellt. „Das
macht mir einfach noch mehr Spaß als
Studium“, sagt sie in ihrem eigenen Büro
sitzend. Als „Oberhaupt der schreiben-
den Zunft“ hat sie einen eigenen Ar-
beitsbereich. Am Wochenende vor dem
Erscheinen einer neuen Ausgabe lekto-
riert Mittermeier, bastelt am Layout und
gibt dem Heft den letzten Schliff: „Da
lege ich immer eine Nachtschicht ein.“ In
ihrem Büro hängen, neben jeder Menge
Zettel und Fotos, die „Goldenen Regeln
des Akrützels“. Wie alle Chefredakteure
vor ihr hat auch Bernadette Mittermeier
kleinere Veränderungen vorgenommen.
„Einige Formulierungen haben mir nicht
so gut gefallen“, begründet die 20-Jäh-
rige ihre Anpassungen. Sie ist die 25.
Chefredakteurin und feierte mit ihrer
Redaktion im Februar das Jubiläum der
Studierendenzeitung.
Großes Erbe und Ansprüche
In kurzen Abständen treffen die Akrüt-
zel-Redakteure, die gerade nicht im Prü-
fungsstress stecken oder sich „die Zeit
extra genommen haben“, ein und reißen
die ersten Gummibärchen-, Keks- und
Schokoladen-Packungen auf. Über ihren
Köpfen hängen an den Wänden die Co-
ver der Akrützel-Ausgaben der vergange-
nen 15 Jahre, bei weitem aber nicht alle.
Niclas Seydack, Mittermeiers Vorgänger,
werkelt noch und bedient sich aus einer
Obstholzkiste, die mit Stiften sämtlicher
Farben und Qualitäten gefüllt ist. Dann
ergreift die Chefredakteurin das Wort.
Die Turmuhr des Uni-Hauptgebäudes
schlägt einmal, es ist 19.15 Uhr.
Während die Redakteure zunächst
einen kritischen Blick auf ihre letzte
Ausgabe werfen, strahlt aus der Ecke,
in bester Sommermärchen-Laune, das
Konterfei von Jürgen Klinsmann – ein
Werbepappaufsteller. Hier versteckt
sich, hinter gestapelten Stühlen und
Tischen, der „Geist der vergangenen
Akrützel“. Positiv unprofessionell und
immer mit einer extra großen Portion
Augenzwinkern – so war das Akrützel
vor 25 Jahren gestartet und hat sich
dieses „trotzige und den Leuten auf die
Nerven gehende“, wie Mittermeier es
nennt, auch über die Jahre bewahrt. Das
Erbe sei ständig im Kopf, gerade weil
man regelmäßig daran erinnert werde.
An Bernd Zeller, der die erste Ausgabe
des Akrützels noch auf Schreibmaschine
produzierte und seine legendären Ka-
rikaturen per Hand in jede Ausgabe
zeichnete, denkt die heutige Generation
aber nur noch selten. Seinen Abschied
verkündete Zeller 2005 mit denWorten:
„Hallo, ich kann aus Altersgründen und
weil ich zu viel mit pardon, der Thüringer
Allgemeinen und Berliner Zeitung zu tun
habe, nicht mehr beim Akrützel mitma-
chen. Viele Grüße, Bernd Zeller.“
Diplomatie statt Krawall
Einem gewissen Druck sei man heute,
ob der Bekanntheit über die Grenzen
von Ernst-Abbe-Hochschule und Uni
Jena hinaus, durchaus ausgesetzt, das
habe aber auch seine Vorteile. Immer-
hin könne sich die Chefredakteurin auf
die über 25 Jahre erprobten Strukturen
verlassen. Wenngleich die Jungredak-
teure noch immer mutig an kontroverse
Themen herangehen, steht der ständige
Antrieb zu provozieren und zu polarisie-
ren nicht mehr im Zentrum ihrer Arbeit.
Schon Niclas Seydack habe sich um
mehr Sachlichkeit im Umgang mit dem
StuRa und Interviewpartnern bemüht.
„Natürlich sind wir immer noch die Kon-
trolle des StuRas. Und mit einer Klage
pro Jahr, von Leuten, die sich auf den
Schlips getreten fühlen, müssen wir in
der Regel rechnen“, so Mittermeier, die
für einen besseren Rechtsschutz extra
BernadetteMitter-
meier(r.)leitetals
Chefredakteurin
desAkrützelsdie
wöchentlicheRe-
daktionssitzung.
IndiesemJahr
feiertdieStudie-
rendenzeitung25.
Jubiläum.
Foto:Kasper