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Uni-Journal Jena04/15
Interview
„Der Wettbewerb hört nie auf“
Präsident Walter Rosenthal über sein erstes Semester an der FSU
Sie haben Ihr erstes Semester als Prä-
sident der FSU hinter sich – fühlen Sie
sich inzwischen als Jenaer?
Das zurückliegende Semester war
eine interessante Entdeckungsreise, bei
der ich die Universität und – wenigstens
zum Teil – Personen, die diese Univer-
sität prägen und sich für sie einsetzen,
kennengelernt habe. Dies vermittelt ei-
nem schon das Gefühl, angekommen
zu sein.
Wie sieht Ihre Bilanz der ersten Mo-
nate aus?
Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit
zunächst mit den Fakultäten intensive
Gespräche geführt, denn die sind die
Basis einer Universität: In den Fakultä-
ten ist das disziplinäreWissen zu Hause,
und ich bin der Meinung, dass wir starke
Fakultäten brauchen. Diese Gespräche
waren – ohne Ausnahme – sehr konst-
ruktiv. Ich habe mich stets willkommen
gefühlt, auch wenn es nicht immer in
allem Übereinstimmung gab. Ich habe
Einblicke in die Fakultäten bekommen
und vor allem ihre Vielfalt kennengelernt.
Daneben war mir wichtig aufzunehmen,
wo der Schuh drückt: Ein Topthema war
der Struktur- und Entwicklungsplan –
STEP – und die damit verbundene Um-
setzung der Sparmaßnahmen. Auch die
Situation des akademischen Mittelbaus
wurde häufig angesprochen. Und nicht
zuletzt ging der Blick auch in die Zukunft
zu den bundesweiten Wettbewerben
und der Frage, wie wir uns dafür hier in
Jena aufstellen können.
Wie sehen Sie die FSU – nun da Sie
auch ihre Innenperspektive kennen –
aufgestellt?
Ich sehe mich darin bestätigt, dass
die FSU eine forschungsstarke Univer-
sität ist. Ich habe viele Kolleginnen und
Kollegen kennengelernt, deren wissen-
schaftliche Arbeit ich sehr schätze und
die national und international sichtbar
sind. Insofern habe ich an meinen Er-
wartungen überhaupt keine Abstriche
zu machen. Und ich freue mich darauf,
diejenigen kennenzulernen, die ich bis-
lang noch nicht getroffen habe.
Die FSU ist eine mittelgroße Universi-
tät. Sie steht in einem Wettbewerb um
finanzielle Mittel, der immer härter wird,
auch weil die zur Verfügung gestellten
Mittel kaum noch mehr werden. Viel-
mehr dürfte sich die Finanzierung von
Wissenschaft und Forschung durch Bund
und Länder im Wesentlichen auf dem
jetzigen Niveau stabilisieren. Ich glaube
trotzdem, dass wir als FSU – gerade mit
Blick auf die zukünftigenWettbewerbe –
absolut das Potenzial haben, erfolgreich
zu sein, vor allem in der Kooperation
mit den außeruniversitären Forschungs-
einrichtungen der Max-Planck- und der
Fraunhofer-Gesellschaft sowie der Leib-
niz- und der Helmholtz-Gemeinschaft,
aber auch mit Einrichtungen wie der
Klassikstiftung Weimar, dem Max-We-
ber-Kolleg, der Ettersberg-Stiftung, im
Rahmen des Unibundes Halle-Jena-
Leipzig und nicht zuletzt der innovativen
Wirtschaft. Da ist die Universität als
Gravitationszentrum der Wissenschafts-
organisation Jena sehr gut aufgestellt,
was aber nicht heißt, dass wir uns nicht
auch noch verbessern können oder müs-
sen. Aber der Anschluss ist ohne Frage
da.
Sie haben das Stichwort „Wettbe-
werb“ schon genannt. Ab 2017 soll es
eine neue Runde der Exzellenzinitia-
tive des Bundes und der Länder ge-
ben.Wird sich die FSU darüber hinaus
weiterenWettbewerben stellen?
Grundsätzlich: Der Wettbewerb hört
nie auf. Die Exzellenzinitiative hat ein
enorm hohes Prestige und einen ho-
hen politischen Stellenwert. Sie ist das
Flaggschiff der bundesdeutschen Wis-
senschaftsförderung und finanziell gut
ausgestattet. Deshalb halte ich es für
wichtig, dass wir uns gerade diesem
Wettbewerb stellen. Die FSU gehört zu
den wenigen Universitäten in den neuen
Ländern, die gute Chancen haben, dabei
auch erfolgreich zu sein. Ich finde es aber
nicht richtig, sich allein auf die Exzellenz
initiative zu fokussieren. Es gibt andere
wichtige Wettbewerbe, denen wir uns
ebenso stellen müssen – im Rahmen
der DFG, des BMBF und der EU.
Was muss Ihrer Ansicht nach bis zum
Beginn der nächsten Runde der Exzel-
lenzinitiative noch getan werden?
Einiges. Zunächst müssen wir die the-
matischen Linien finden, die wir im Rah-
men der Exzellenzinitiative vorantreiben
wollen. Diese Themen müssen bereits
in diesem Jahr festgelegt werden, auch
wenn wir erst im nächsten Jahr Genau-
eres über denWettbewerb erfahren wer-
den und die Ausschreibungen erst 2017
veröffentlicht werden sollen. Das ist
zeitlich alles sehr knapp. Die Folge ist:
Wir müssen uns auf einen Wettbewerb
vorbereiten, ohne die genauen Wettbe-
werbsregeln zu kennen. Momentan ist
noch vieles im Fluss und wir versuchen,
uns als Universitätsleitung gemeinsam
mit dem Land bei der Gestaltung der
Wettbewerbsregeln einzubringen, damit
diese auch forschungsstarken, mittelgro-
ßen Universitäten gute Chancen bieten.
Aber auch da bin ich seit einigenWochen
sehr optimistisch, dass es Formate ge-
ben wird, die zu uns passen.
Wie erleben Sie denn insgesamt die
Zusammenarbeit mit der neuen Lan-
desregierung, die ja nicht nur einen
neuenWissenschaftsminister sondern
auch dem RessortWissenschaft einen
neuen Zuschnitt gebracht hat?
Wissenschaftsminister Wolfgang Tie-
fensee hat die FSU bereits wenige Tage
nach seinem Amtsantritt im Dezember
im Rahmen der Landesrektorenkon-
ferenz besucht. Damals hatten wir ein
erstes, sehr gutes und konstruktives
Gespräch. Zwischenzeitlich ist er ins-
gesamt dreimal in Jena und an der FSU
zu Gast gewesen. Auch mit dem für
uns zuständigen Staatssekretär Markus
Hoppe habe ich mich zu verschiedenen
Anlässen getroffen, so dass auch hier
von Anfang an ein sehr enger Austausch
etabliert wurde. Insgesamt hat sich also
sehr schnell eine enge Zusammenarbeit
herausgebildet, die ich als überaus po-
sitiv empfinde. Dabei herrscht ein sehr
sachlicher, kollegialer Ton. Auch mit Mi-
nisterpräsident Bodo Ramelow hatte ich
ein sehr gutes Gespräch zur Rolle der
FSU in der ThüringerWissenschaftsland-
schaft.
Sie sprachen mit dem STEP bereits
ein Thema an, das nach wie vor für
Unruhe in der Universität sorgt: Dem
durch die Politik verordneten Spar
zwang, nach dem an der Friedrich-
Schiller-Universität 125Vollzeitstellen
bis 2020 abgebaut werden müssen.
PräsidentProf.Dr.
WalterRosenthal
(M.)hatinseinem
erstenSemesterin
Jenanichtnuralle
zehnFakultätender
Universitätkennen-
gelernt,sondernauch
außeruniversitäre
Forschungseinrich-
tungenbesucht,
hieramFraunhofer-
InstitutfürAnge-
wandteOptikund
Feinmechanik(IOF)
imGesprächmitden
PhysikernProf.Dr.
AndreasTünner-
mann(l.)undProf.
Dr.HerbertGross
(r.).
Foto:IOF