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Uni-Journal Jena02/15
Position
Forschungs- oder Studienphase?
Prof. Dr. Erika Kothe über die Promotion im Bolognaprozess
Als Vorsitzende des Universitätsverban-
des zur Qualifizierung des wissenschaft-
lichen Nachwuchses in Deutschland
(UniWiND) beobachte ich mit großer
Sorge, dass einige EU-Staaten eine Ver-
schulung der Promotionsphase fordern.
Die UniWiND-Mitgliedsuniversitäten
teilen die Sichtweise, dass Kernaufgabe
des wissenschaftlichen Nachwuchses
die eigenständige und originäre For-
schung ist
[1]
. Aber auch die „Salzburg II
Recommendations“ der European Uni-
versity Association von 2010 und neue
Stellungnahmen der Max-Planck-Gesell-
schaft oder der Hochschulrektorenkonfe-
renz
[2]
teilen diese Sichtweise.
Weshalb ist dann eine Bekräftigung
der Aussagen zur Ausgestaltung der
Promotionsphase an deutschen Univer-
sitäten notwendig? In der europäischen
Diskussion zur Weiterentwicklung der
Promotionsphase werden beide Sicht-
weisen vertreten. Neben der oben
beschriebenen Sicht wird die Promoti-
onsphase als ein dritter Zyklus des Bolo-
gna-Prozesses gesehen, der europäisch
harmonisiert und unter strukturellen und
formalen Gesichtspunkten an die ersten
beiden Studienphasen Bachelor und
Master angeglichen werden soll.
Dritter Studienzyklus?
Die Promotion hätte dann einen Mo-
dulkatalog und Diploma Supplements,
in denen Studienleistungen definiert
werden. Und als eine der Leistungen,
die mit entsprechenden ECTS-Punkten
und damit Zeitäquivalenten untersetzt
sind, wäre die Dissertation zu werten.
Promotions-„Studierende“ wären in der
Lage, die erfolgreiche Promotion einzu-
fordern, wenn in zumindest ausreichen-
der Qualität eine schriftliche Dissertation
vorgelegt und das Studium mit dem be-
legten Zeitaufwand absolviert wurde.
Die eigenständige Forschung und das
Vorliegen neuer Ergebnisse im entspre-
chenden Fachgebiet würden hinter Stu-
dienleistungen zurücktreten. Ganz im
Sinne dieser Auffassung eines Promo-
tionsstudiums sollen – so die Idee der
Akteure – die Promotionsstudiengänge
akkreditiert werden. Das mag für einen
MSc-Studiengang sinnvoll sein, für eine
wissenschaftlich basierte Promotion
wäre das geradezu eine Katastrophe.
Ist also doch keine strukturierte Wei-
terqualifizierung Promovierender nötig?
Die klare Ablehnung eines „Standard-
Doktors“ in einem europäisch einheitlich
definierten „Promotions-Ausbildungs-
gang“ bedeutet nicht, dass Strukturie-
rung per se abzulehnen ist. Vielmehr
sind strukturierende Elemente und zu-
sätzliche Qualifizierungsangebote durch
die Universitäten durchaus zu begrüßen.
Für die Friedrich-Schiller-Universität
(FSU) erweist sich die Weiterqualifizie-
rung ihrer Promovierenden mit den sehr
diversen Angeboten aus dem Quali-
fizierungsprogramm der Graduierten-
Akademie und weiteren, fachspezifi-
schen Angeboten für eine individuelle
Promotion im Sinne einer forschungs-
starken Universität als förderlich. Sinn-
voll sind beispielsweise Angebote zum
Abfassen englischer Fachartikel oder
zur Präsentation eigener Daten, fach-
spezifische Methodenkurse, oder, oder,
oder… Dass damit gleichzeitig die Qua-
lifikationen für spätere Berufsfelder in
Forschung, Industrie und Gesellschaft
unterstützt werden und den Promovie-
renden so auch ein möglicher späterer
Arbeitsmarkt vorgestellt werden kann,
ist nur ein sehr erwünschter Nebenef-
fekt. Auch ein regelmäßiges Seminar
zum Erlernen einer wissenschaftlichen
Diskussionskultur erscheint mir für jede
Nachwuchswissenschaftlerin und jeden
Nachwuchswissenschaftler wichtig. Die
Einbindung in die Lehre übt nicht nur
fachspezifischeWissensvermittlung ein,
sondern hilft auch, Konfliktlösungskom-
petenz und spätere Mitarbeiterführungs-
qualitäten zu trainieren. Und eine regel-
mäßige Belehrung (mit anschließender,
fachspezifischer Diskussion!) zu guter
wissenschaftlicher Praxis kann definitiv
nicht schaden. Wichtig ist aber, dass all
diese Aktivitäten zusätzlich zur eigentli-
chen Kernaufgabe, der eigenständigen
Forschungsleistung, absolviert werden
und daher zeitlich deutlich begrenzt sein
sollten.
Eine sinnvolle zeitliche Begrenzung
kann durchaus festgeschrieben wer-
den. Das entspricht aber noch lange
nicht einem Promotionsstudium! Denn
der Kern einer jeden Promotion ist und
bleibt die eigenständige und originäre
Forschungsleistung. Und die lässt sich
weder im Zeitaufwand noch im Inhalt
im Vorhinein festlegen. Die Vielfalt der
deutschen Promotionen ist damit zentral
für eine Sicherung der Qualität unserer
Promotionen.
Promovieren an der FSU
Was bedeutet all dies für die Weiter-
entwicklung der Promotionsphase an
der FSU? Ich lehne – wie die anderen
Mitgliedsuniversitäten von UniWiND
– damit die strukturelle und inhaltliche
Integration der Promotionsphase in
das Studium ebenso wie eine verpflich-
tende Zuordnung von Leistungspunkten
und die Akkreditierung von Promotions-
verfahren ab. Insbesondere die Vertei-
lung von Leistungspunkten für die For-
schungsleistung kann nicht akzeptiert
werden. Das hohe Qualitätsbewusstsein
in Bezug auf die Promotionsphase mit
der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkei-
ten in Bezug auf Promotionswege und
Promotionstypen trägt zu einer fach- so-
wie standortspezifischen Optimierung
von Rahmenbedingungen bei und soll
daher erhalten bleiben.
Die Europäische Kommission hat der
Promotionsphase einen wichtigen Stel-
lenwert als Motor für Innovation zuge-
schrieben. Innovationen lassen sich nur
durch individuelle Forschungsleistungen
der Promovierenden in einem leistungs-
fähigen akademischen Umfeld erzielen.
Mein Plädoyer für die Vielfalt der Promo-
tionen ist im Einklang mit beiden, und
damit gleichzeitig auch ein Plädoyer für
die Schaffung von Innovationsimpulsen
in Europa.
Die FSU hat bereits „Leitlinien für
die Promotion“. Wie wichtig diese aber
als Stellungnahme sind, wurde auf der
Jahrestagung von UniWiND deutlich,
wo der Geschäftsführer der HRK, Dr.
Thomas Kathöfer, für die Beibehaltung
der Promotion als eigenständiger For-
schungsleistung im Gegensatz zu einem
weiteren Studienabschnitt geworben
hat. Die Universität sollte sich diese Be-
mühungen mit einem Senatsbeschluss
ebenfalls zu eigen machen und ihre
Promotionskultur nach innen wie nach
außen sichtbar darstellen und die Ak-
teure unterstützen, die sich gegen eine
Einführung der Promotion als dritte Stu-
dienphase im Bologna-Prozess richten.
[1]UniWiND-Posi-
tionspapier„Junge
Forscherinnenund
Forscher:Empfehlun-
genzurPromotionan
deutschenUniversi-
täten2011“
[2]„JointDeclaration
onDoctoralTraining
inEurope“,2014
DieMikrobiologin
Prof.Dr.ErikaKothe
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Universitätsver
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Foto:Kasper