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Uni-Journal Jena02/15

Studentenleben

„Mein Kind wird älter“

Studierende begleiten Menschen mit Behinderung und ihre Familien

Für die Eltern ist es meist erst einmal

ein Schock: Wenn sie erfahren, dass

ihr Kind eine geistige Behinderung auf-

weist, bricht für viele eine Welt zusam-

men, zumal dann, wenn die Nachricht

unverhofft kommt. „Doch mit der Zeit

lernen die Eltern sehr wohl, mit den

individuellen Lebensbedingungen ihrer

Kinder umzugehen, auch wenn so man-

che Herausforderung damit verbunden

ist“, sagt PD Dr. Reinhild Kemper. Wie

Eltern und Kinder diese Herausforderun-

gen meistern, hänge von vielen Faktoren

ab, so die Wissenschaftlerin vom Insti-

tut für Sportwissenschaft. Neben dem

familiären und sozialen Umfeld könne

vor allem der Sport dabei eine zentrale

Rolle spielen.

Zu diesem Ergebnis sind angehende

Sportwissenschaftler in einer aktuellen

Studie gekommen. Im Rahmen eines

Forschungsprojekts unter der Leitung

von Dr. Kemper haben sechs Jenaer Ba-

chelorstudierende

untersucht, wie

das Älterwerden

von Kindern mit

geistiger Behinde-

rung die Sicht ihrer

Eltern auf diese

Situation verän-

dert. Dazu haben

die Studierenden

mit Eltern von

Kindern mit einer

intellektuellen Be-

hinderung gespro-

chen. Während

der „Nationalen

Sommer-Spiele“

von Special Olympics Deutschland

(SOD) im vergangenen Jahr haben sie

insgesamt 37 Mütter und Väter von in-

zwischen erwachsenen Kindern mit Be-

hinderung interviewt. Die Handicaps der

Kinder sind verursacht durch das Down

Syndrom, durch die Folgen einer soge-

nannten Cerebralparese – bedingt durch

eine Unterversorgung des Gehirns mit

Sauerstoff während der Geburt – oder

andere Entwicklungsverzögerungen.

„Allen Eltern und Kindern, mit de-

nen wir gesprochen haben, bedeutete

es sehr viel, bei den ‚Special Olympics

Deutschland‘ dabei zu sein“, erinnert sich

Robert Scheiblich. „Durch den Sport

wachsen Selbstvertrauen und -wahr-

nehmung der Kinder erheblich“, berichtet

der Sportwissenschaftsstudent von den

Erfahrungen der Eltern. Robert Scheib-

lich hat im Rahmen des Projekts seine

Bachelorarbeit angefertigt. Beeindruckt

haben ihn beispielsweise die Berichte

von Delphintherapien, von denen Kinder,

die sowohl geistige als auch körperliche

Beeinträchtigungen haben, besonders

profitieren.

Sport als Chance zur Inklusion

Aber auch andere Sportarten bringen

den Betroffenen langfristig mehr als nur

Spaß an der Bewegung. „Neben den

positiven sportlichen Effekten stellen

die meisten Eltern fest, dass der Sport

eine gute Chance zur besseren Inklusion

ihrer Kinder bietet“, so Dr. Kemper. Mit

Blick auf die Zukunft liege eine positive

Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder

den Eltern besonders am Herzen. „Sie

wollen ihr Kind gut versorgt wissen. Und

dazu gehört ein möglichst eigenständi-

ges und selbstbestimmtes Leben.“

Insgesamt war das Projekt für Robert

Scheiblich und seine fünf Kommilitonin-

nen eine sehr positive Erfahrung – nicht

nur, was die wissenschaftliche Arbeit

angeht. „Die meisten Familien haben

sich sehr gefreut, als sie merkten, dass

sich jemand für ihre ganz persönliche Si-

tuation interessiert“, sagt Robert Scheib-

lich. Zwar sei das Thema Inklusion in

aller Munde, so der 21-Jährige. Doch im

Alltag finden die Betroffenen noch nicht

immer das Verständnis für sich und ihre

Situation, das sie sich wünschen.

Er selbst hat sich entschlossen, den

mit der Teilnahme am Projekt einge-

schlagenen Weg weiter zu gehen. Seit

diesem Wintersemester studiert er im

Masterstudiengang Sportwissenschaft

und möchte sich auf den Bereich Präven-

tion und Rehabilitation spezialisieren. US

PDDr.Reinhild

Kemper(M.)mitden

Studentinnen(v.l.)

TanjaFärber,Diana

Gräf,MarenBarner,

RiekeBrunswäh-

rendderNationalen

Sommerspielevon

„SpecialOlympics

Deutschland“2014in

Düsseldorf.Dasstu-

dentischeForscher-

teamkomplettierten

CindyBartmannund

RobertScheiblich

(beidenichtimBild).

Foto:Scheiblich