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Uni-Journal Jena02/15
Was Gesundes im Rotwein steckt
Der Naturstoff Resveratrol wirkt entzündungshemmend
Wie die Natur heilen hilft
Pharmazeuten klären Wirkmechanismus von Arzneistoffen auf
Forschung
Obwohl unsere Nachbarn in Frank-
reich fettreiches Essen lieben, leiden
sie seltener an Herzerkrankungen als
wir Deutschen. Grund für dieses soge-
nannte „French paradox“ könnte der
häufigere Rotweingenuss der Franzosen
sein: Wie verschiedene Studien in der
Vergangenheit bereits gezeigt haben,
weist der in Rot-
wein enthaltene
Naturstoff Resve-
ratrol eine schüt-
zende Wirkung
vor Herz-Kreislauf-
Erkrankungen auf.
Die genauen Wirk-
zusammenhänge
blieben bislang
jedoch unklar.
Einem Forscher-
team der Universi-
tätsmedizin Mainz
sowie der Uni-
versitäten Jena
und Wien ist nun
jedoch der Nach-
weis gelungen,
dass zumindest
ein Teil der schüt-
zenden Wirkung
durch Resveratrol
auf der verminderten Bildung von Ent-
zündungsfaktoren beruht. Das schrei-
ben die Forscher im Fachmagazin Nuc-
leic Acids Research (DOI: 10.1093/nar/
gku1033).
Konkret fanden die Wissenschaftler
heraus, zu denen auch Prof. Dr. Oliver
Werz von der Uni Jena und sein Team
gehören, dass der Naturstoff Resveratrol
an das sogenannte „K-homology splicing
regulatory protein“ – kurz KSRP – bindet
und es dabei aktiviert. KSRP verringert
wiederum die Stabilität von Molekülen,
die für die Bildung von entzündlichen
Mediatoren gebraucht werden und
hemmt so deren Entstehung.
Therapeutisches Potenzial
Prof. Werz erklärt, wie er und seine
Kollegen KSRP als Angriffsziel für Resve-
ratrol identifiziert haben: „Mithilfe einer
synthetisierten ,Resveratrol-Angel‘ der
Wiener Kollegen konnten wir das KSRP
als bindendes Protein aus einem zellulä-
ren Proteingemisch herausfischen.“
Dank der neuen Ergebnisse wissen
die Forscher nun genauer, wie Resve-
ratrol die Bildung von Entzündungsfak-
toren hemmt, die Herz-Kreislauf-Erkran-
kungen auslösen. Das sei eine wichtige
Entdeckung vor dem Hintergrund, dass
neuere Forschungen belegen, dass
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehr stark
durch Entzündungsprozesse im Körper
vorangetrieben werden. Der Naturstoff
Resveratrol habe insbesondere bei ent-
zündlichen Erkrankungen ein großes the-
rapeutisches Potenzial.
PM/US
RoteTraubenenthal-
tenvielResveratrol.
Kontakt:
Prof.Dr.OliverWerz
Tel.:03641/949800
E-Mail:oliver.werz@ uni-jena.deFoto:Kasper
Die Medizin driftet auf ein
großes Problem zu: Es gibt
immer mehr Bakterien, gegen
die kein bekanntes Antibio-
tikum mehr hilft. Ärzte brau-
chen dringend neue Mittel ge-
gen solche multi-resistenten
Krankheitserreger. Um dem
Problem zu begegnen, wen-
det sich die Pharmaforschung
wieder der Quelle zu, aus der
die meisten unserer Arznei-
mittel ursprünglich kommen:
der Natur. Eine computerba-
sierte Methode hilft nun, den
Wirkmechanismus von Naturstoffen vor-
herzusagen. Das berichtet ein Forscher-
team aus Zürich, Jena, Frankfurt und
Saarbrücken im Fachmagazin „Nature
Chemistry“ (doi:10.1038/nchem.2095).
Es sind zwar Hunderttausende aus
der Natur stammende Wirkstoffe be-
Foto:Günther
kannt, wie sie genau wirken, ist bei den
meisten jedoch nicht klar. Das Forscher-
team, an dem auch Prof. Dr. Oliver Werz
und seine Arbeitsgruppe beteiligt sind,
hat nun eine computerbasierte Methode
entwickelt, um den Wirkmechanismus
solcher Naturstoffe vorherzusagen.
Zielstrukturen vorhersagen
Um den Wirkmechanismus von Na-
turstoffen zu verstehen, untersuchen
die Forscher, mit welchen Bestandteilen
eines Erregers der Naturstoff wechsel-
wirkt, um beispielsweise seinWachstum
zu hemmen. Dank des neuen Verfahrens
konnten die Forscher so Zielstrukturen
von 210 000 bekannten Naturstoffen
vorhersagen. Dabei arbeitet die Soft-
ware mit einem Trick: Anstatt von der
kompletten, oft komplexen chemischen
Struktur der zu untersuchenden Natur-
stoffe auszugehen, zerlegt sie diese in
kleine Fragmente. Diese benutzt ein Al-
gorithmus als Grundlage, um chemische
Datenbanken nach möglichen Interakti-
onspartnern zu durchforsten.
Die Forscher prüften ihre Methode an
einemWirkstoff, der das Wachstum von
Tumorzellen bremst: Archazolid A. „Von
dieser Substanz war bereits bekannt,
mit welcher Zielstruktur sie in der Krebs-
zelle wechselwirkt“, erläutert Prof. Werz.
Es gab jedoch Hinweise, dass auch die
Interaktion mit weiteren Zellbestandtei-
len eine Rolle für die Anti-Tumor-Wirkung
dieser Substanz spielen muss. Welche
diese anderen Faktoren sind, konnten
die Forscher nun mithilfe der Software
identifizieren. Prof. Werz hofft, dass die
Methode künftig genutzt werden kann,
um auch für andere biologisch hochak-
tive Naturstoffe Hinweise auf ihren Wir-
kungsmechanismus zu erhalten. PM/US
Prof.Dr.Oliver
Werz.
Kontakt:
Tel.:03641/949800
E-Mail:oliver.werz@ uni-jena.de