10
Uni-Journal Jena02/15
Interview
„Die Hochschulen müssen ihr je
Der neue Thüringer Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefen
Beim Namen Ihres Ministeriums
könnte man meinen, Wissenschaft
sei ein Anhängsel derWirtschaft.Wel-
che Bedeutung haben Forschung und
Universitäten in Ihrem Ministerium?
Die Autonomie der Hochschulen bleibt
selbstverständlich erhalten, ich möchte
sie sogar stärken. Aber darüber hinaus
bietet die Zusammenführung von Wirt-
schaft undWissenschaft in einem Minis-
terium enorme Chancen. Große Innova-
tionen entstehen an Orten, an denen
Hochschulen, Forschungseinrichtungen
und Unternehmen besonders gut ko-
operieren. Diese Verzahnung, die in Jena
mit seiner langenTradition als Optik- und
Medizintechnikstandort besonders stark
ist, wollen wir in ganz Thüringen aus-
bauen. Jena hat da eine Vorbildfunktion.
Zudem sind renommierte Universi-
täten und Fachhochschulen eine Art
Lokomotive für einen erfolgreichen
Wirtschaftsstandort. Um sich im natio-
nalen und internationalen Wettbewerb
durchzusetzen, benötigen unsere Hoch-
schulen eine moderne Ausstattung und
einen starken Lehrkörper, der auf bei-
den Gebieten – in Lehre und Forschung
– eine exzellente Arbeit macht. Nur so
können wir eine große Anzahl motivier-
ter Studenten für Thüringen gewinnen.
Die finanziellen Voraussetzungen sind
geschaffen: Für den Zeitraum von 2016
bis 2020 stehen insgesamt 2,16 Milliar-
den Euro für Hochschulfinanzierung und
Hochschulbau zur Verfügung – das sind
287 Millionen Euro mehr als in den vier
Jahren davor.
Und wofür steht Digitale Gesell-
schaft?
Die Digitalisie-
rung betrifft in
naher Zukunft in
verstärktem Maße
weite Bereiche
unseres Lebens,
beeinflusst das
Private und Ge-
s e l l s ch a ft l i ch e
gleichermaßen,
verändert, wie wir
leben, lernen, ar-
beiten und Politik
und öffentliche Dienste gestalten. Es
gilt, sich dieser Herausforderung beherzt
zu stellen. Ich möchte dieThüringerWirt-
schaft auf ihremWeg in das Zeitalter der
Industrie 4.0, der vierten industriellen
Revolution, unterstützen. Das Internet
und die Digitalisierung der Gesellschaft
werden in rasanter Geschwindigkeit in
Produkte, Fertigungsabläufe, Technolo-
gien und Arbeitsregimes Einzug halten.
Neue Formen des Lernens, Studierens
und Forschens bilden sich heraus. Ich
möchte die kleinen und mittelständi-
schen Firmen, die Unternehmerschaft
und die Belegschaften, die Hochschulen
und Forschungseinrichtungen dabei un-
terstützen, diesen Wandel zu meistern
und aktiv zu gestalten. Dazu braucht es
materielle Voraussetzungen, etwa das
flächendeckende superschnelle Internet
oder digitale Bibliotheken und moderne
Verwaltungsabläufe. Hier liegt viel Arbeit
vor uns.
Kümmern Sie sich dann auch um das
neue Universitätsrechenzentrum?
Neben den Bibliotheken sind die Re-
chenzentren für die Hochschulen der
zentrale Pfeiler der wissenschaftlichen
Infrastruktur. Auch hier soll in Zukunft
enger kooperiert werden. Im geplanten
Zwei-Zentren-Modell wird das Rechen-
zentrum der FSU neben dem der TU Il-
menau eine tragende Rolle erhalten.
Die große Bedeutung der baulichen
Bedingungen einer Universität ist
einem erfahrenen Bauminister sicher
bewusst. Wie stehen Sie zu den Pla-
nungen der Bebauung des Inselplat-
zes durch die Universität?
Der Campus Inselplatz hat meine volle
Unterstützung! Die FSU braucht mo-
derne Räume für ihre Institute. Wir un-
terstützen diesen Campus mit Geldern
des Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung, aus Mitteln des Bundes
und des Hochschulpaktes 2020.
Werden Mittel aus dem Hochschul-
pakt von Bund und Ländern auch für
Forschungsgebäude eingesetzt?
Es gibt in Zukunft ein „Investitionspro-
gramm Lehre“, das die Rahmenbedin-
gungen für die akademische Ausbildung
an Thüringens Hochschulen verbessert.
Ab 2016 sollen dafür rund 36 Millionen
Euro aus dem „Hochschulpakt 2020“
bereitstehen. Daher kann das Geld nur
„Neben den Bibliotheken
sind die Rechenzentren für
die Hochschulen der zentrale
Pfeiler der wissenschaftlichen
Infrastruktur.“
Bereitsam18.De-
zember2014konnte
Uni-PräsidentProf.
Dr.WalterRosenthal
(r.)denneuenThü-
ringerMinisterfür
Wirtschaft,Wissen-
schaftundDigitale
Gesellschaftander
Friedrich-Schiller-
Universitätbegrü-
ßen.
Tiefenseewurde
1955inGeragebo-
ren,istgeschiede-
nerVatervonvier
Kindern.Stationen
seinesLebensweges
(Auswahl):Abitur,
Facharbeiterfür
Nachrichtentechnik,
Bausoldat,Studium
zumIngenieurfürin-
dustrielleElektronik,
Entwicklungsingeni-
eurimVEBFernmel-
dewerkLeipzigund
anderTHLeipzig,
StudiumElektrotech
nik.Ab1989Politi
scheArbeitamRun
denTischLeipzig,
Stadtrat,Dezernent
fürSchuleundBil-
dung,1995Eintrittin
dieSPD,Oberbür-
germeister,Bundes-
bauminister,MdB.
Foto:Kasper