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FSUNewsletter/Herbst 2016
Lesen im Archiv des
Sonnensystems
Der Grund für Dr. Agnese Fazio (Foto) nach Jena
zu kommen, ist geradezu winzig, aber dafür umso
bedeutender. Denn die italienische Mineralogin er-
forscht nicht weniger als die Geschichte unseres
Sonnensystems – und das anhand von Staubparti-
keln. Besonders machen diese wenige Mikrometer
großen Körnchen ihre Quelle: Denn sie stammen
vom mehr als 40 Millionen Kilometer entfern-
ten Asteroiden „25143 Itokawa“. Die Raumsonde
„Hayabusa“ der japanischen
Weltraumorganisation JAXA
hatte die Proben 2010 mit zur
Erde gebracht. In der ersten
Untersuchungsphase wur-
den die kostbaren Proben nur
zwei Einrichtungen in Europa
zur Verfügung gestellt, eine
davon ist das Institut für Geo-
wissenschaften. Im Rahmen
eines Stipendiums der Alex-
ander von Humboldt-Stiftung
nimmt die 29-jährige Sizilia-
nerin nun in den kommenden zwei Jahren in Jena
die Proben genauer unter die Lupe.
Für Mineralogen sind die kaum Haaresbreite
einnehmenden Asteroidenstückchen ein riesiger
Schatz, bergen sie doch wichtige Informationen
aus der Anfangszeit unseres Sonnensystems. „Die
Asteroiden aus dem Gürtel zwischen Mars und Ju-
piter, wo sich auch ,25143 Itokawa‘ befindet, haben
sich seit 4,5 Milliarden Jahren nicht grundsätzlich
verändert“, sagt Prof. Dr. Falko Langenhorst, Lehr-
stuhlinhaber für Analytische Mineralogie der Mikro-
und Nanostrukturen und Gastgeber Fazios. „Die
uns vorliegenden Proben beinhalten also ein Archiv
der Geburtsstunde unseres Sonnensystems.“
Und genau das liest Agnese Fazio derzeit. Vor
allem interessiert sie sich für die sogenannteWelt-
raumverwitterung, ein Prozess, der nichts mit dem
Einfluss von Wasser zu tun hat. „Solche Objekte
im All, wie etwa ein Asteroid, haben keine Atmo-
sphäre und sind deshalb den Einflüssen aus dem
All schutzlos ausgesetzt“, erklärt sie.
Mit verschiedenen Experimenten will Fazio die
Effekte, denen ein Asteroid während dieser „Welt-
raumverwitterung“ unterliegt, nachstellen. In ei-
nem ersten Versuch gelang es ihr, mit einem Laser
die gleichen Krater in Olivin – ein im All, aber auch
im Erdinneren häufig vorkommendes Silikatmineral
– zu erzeugen, die auch auf den extraterrestrischen
Proben zu sehen sind. Dank solcher Simulationen
können Astrophysiker die Informationen, die sie
durch spektroskopische Untersuchungen – etwa
eines Asteroiden – erhalten, besser auswerten.
Deshalb ist die Italienerin auch in eine Forscher-
gruppe (FOR 2285) unter der Leitung von Prof. Dr.
Alexander Krivov vom Astrophysikalischen Institut
integriert. „Diese enge und unkomplizierte Zu-
sammenarbeit ist für meine Forschung sehr berei-
chernd“, sagt Fazio und ergänzt, „nur durch die gu-
ten Rahmenbedingungen kann ich meine Versuche
überhaupt durchführen. Jena ist ein sehr guter Ort,
um Neues zu lernen.“
sh
Foto:Günther
„Carl Zeiss Awards for
Young Researchers“
Der Physiker Dr. Robert Keil wurde am 23. Juni auf dem
Symposium „Optics in the Digital World“ im ZEISS Forum
in Oberkochen mit dem „Carl Zeiss Award for Young Resear-
chers“ ausgezeichnet. Der erstmals vergebene Preis ist mit
insgesamt 21000 Euro dotiert, es gibt drei
Preisträger 2016. Über die Preisvergabe
entschied eine Jury des Ernst-Abbe-Fonds-
Kuratoriums, die sich aus international re-
nommierten Physikern zusammensetzt.
Zu den Vergabekriterien zählen Originalität
der Arbeiten, Innovationspotenzial und me-
thodische Stringenz. Außerdem fließen der
wissenschaftliche Lebensweg und die wis-
senschaftliche Reputation der Bewerber in
das Urteil der Jury ein. Robert Keil hat die
Auszeichnung für seine wissenschaftliche
Arbeit „The random mass Dirac model and
long-range correlations on an integrated optical platform“ er-
halten. Die Arbeit entstand am Institut für Angewandte Physik,
an dem der 31-Jährige von 2006 bis 2014 geforscht hat. sl
Foto:Knabl
Personalia
Mit 30 schon Professor
Thomas Wannerer ist jüngster Prof der FSU
Wenn ein Ei beleuchtet wird, wirft es einen Schat-
ten. Verändert man die Beleuchtungsposition mehr-
fach, so erhält man viele Schatten. Den Flächen-
inhalt dieser zweidimensionalen Schatten kann
man bestimmen. Und wenn ausreichend Schatten-
flächen vorhanden sind, lässt sich die Oberfläche
des Eis als Mittelwert der Flächeninhalte berech-
nen. Das ist ein sehr simples Beispiel für das For-
schungsfeld, mit dem sich Prof. Dr.ThomasWanne-
rer (Foto) beschäftigt. Der gebürtige Österreicher ist
neuer Professor für Differentialgeometrie und mit
seinen 30 Jahren der jüngste Professor der FSU.
Mathematik habe ihn schon seit der Schulzeit
fasziniert und weil er sie intensiver verstehen
wollte, studierte er das Fach an der TU Wien, wo
er 2012 auch promoviert wurde. Nach einem For-
schungsaufenthalt an der ETH Zürich habilitierte er sich Anfang dieses Jahres an
der Uni Frankfurt/Main über differentialgeometrische Fragestellungen in komplexen
Vektorräumen.
Anfang dieses Semesters nahm der Wissenschaftler den Ruf nach Jena an und
genießt die Studentenstadt mit ihren Kletterhallen, wenn er nicht gerade die neuen
Vorlesungen vorbereitet – denn in seinem Alter liegen die Lehr-Manuskripte nicht
schon alle in der Schublade, obwohl er bereits in seiner eigenen Studienzeit andere
unterrichtet hat. Und da es sein Ziel ist, „die Studierenden für Mathematik zu be-
geistern“, investiert er viel Zeit in die Lehre. Dass ihm dabei seine Jugend zugute-
kommt, weil der Abstand zu den Studierenden nicht so groß ist, passt zu seinem
Lehrkonzept, „auf einer Ebene mit den Studierenden zu diskutieren und nicht über
ihre Köpfe hinweg“.
In der Forschung befasst sich Prof. Wannerer mit geometrischen Extremalprob-
lemen. Dabei geht es um Fragen wie: Welche Körper maximieren das Volumen bei
vorgegebener Oberfläche? Dass Kugeln bei dieser einfachen Frage die Lösung sind,
erläutert er lächelnd und beginnt von Extremalproblemen in komplexen Vektorräu-
men zu schwärmen, für deren Lösung er theoretische Methoden entwickelt. AB
Foto:Günther