Rubrik 51
01 | LICHT
GEDANKEN
Fluch und Segen Bioenergie
Nachwuchsgruppe erforscht Bioökonomie und soziale Ungleichheiten
aus einer länderübergreifenden Perspektive
Mit Rapsöl Auto fahren, Biogas aus
Gülle gewinnen und Plastiktaschen auf
Pflanzenbasis produzieren. Das klingt
nach ökologischen und nachhaltigen
Wirtschaftsformen. Aber ist das welt-
weit die geeignetste Wirtschaftsform
oder gibt es auch kritische (Neben-)Wir-
kungen, die zu bedenken sind, wenn
Staaten ihre Wirtschaftspolitik auf Bio-
energie ausrichten?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine
neue Forschungsgruppe am Institut für
Soziologie. Unter der Leitung der Um-
weltsoziologin Dr. Maria Backhouse
wird die sechsköpfige Nachwuchs-
gruppe in den nächsten fünf Jahren
das Thema »Bioökonomie und soziale
Ungleichheiten – Verflechtungen und
Wechselbeziehungen im Bioenergie-
Sektor aus transnationaler Perspektive«
(Bioinequalities) untersuchen. Das Bun-
desforschungsministerium fördert die
Gruppe im Rahmen des Programms
»Bioökonomie als gesellschaftlicher
Wandel« mit rund 2,6 Millionen Euro.
Pflanzen »tanken« statt essen
In vielen Teilen Europas steht die Bio-
energie im Mittelpunkt einer nachhal-
tigen Wirtschaftspolitik und weltweit
wird ihre Erzeugung ausgebaut. Doch
die Gewinnung von Bioenergie aus
nachwachsenden Rohstoffen, wie Holz,
Palmöl oder Weizen, hat auch »Schat-
tenseiten«.
Pflanzen zum Tanken statt für die Er-
nährung einzusetzen, ist ein solcher
Kritikpunkt: »Deutschland hat nicht
genug Flächen, um den eigenen Bi-
omassebedarf zu decken und ist auf
Importe aus dem globalen Süden ange-
wiesen. Dort entstehen nicht nur neue
Einkommensmöglichkeiten, es ist auch
mit negativen Entwicklungen zu rech-
nen: Landkonflikte, Verdrängung und
Ausbeutung, die Minderheiten und
Frauen besonders treffen«, weist Dr.
Backhouse auf weitere Aspekte hin.
Die sechs Jenaer Nachwuchskräfte
werden der forschungsleitenden Frage
nachgehen, wie sich die entstehende
Bioökonomie auf transnationale sozia-
le Ungleichheiten innerhalb und zwi-
schen Westeuropa, Südamerika und
Südostasien auswirkt.
So sollen die sozialen und kulturellen
Implikationen dieses Struktur- und
Politikwandels untersucht und Fragen
nach der Veränderung der sozialen
Verhältnisse in den Ländern, aber auch
zwischen den Staaten exemplarisch
durch Fallstudien in Brasilien, Indo-
nesien und Deutschland beantwortet
werden. Diese werden mit übergreifen-
den Analysen transnationaler Verflech-
tungen verzahnt.
T E X T: A X E L B U R C H A R DT
Blühendes Rapsfeld. Aus den Pflanzen lassen sich
nicht nur Nahrungs- und Futtermittel gewinnen,
sondern auch Biodiesel.