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Frankensteins Elektroauto
Wenn Johannes Kretzschmar über seine adaptiven Reichweitenmo-
delle spricht, erntet er häufig Gelächter. Doch das stört den Informati-
ker nicht im Geringsten. Der Doktorand ist nämlich nicht nur Wissen-
schaftler, er ist auch Künstler.
P O R T R ÄT
Eine seriöse wissenschaftliche Abhand-
lung voll mit Fachchinesisch und dann,
kurz bevor man sich zu langweilen be-
ginnt: ein Comic. Bunte, einfache Bilder,
die nicht nur äußerst unterhaltsam sind,
sondern aufklären, was in den vielen
Zeilen zuvor geschrieben steht. Wäre
das eine denkbare Form der Wissens-
vermittlung in der Wissenschaft?
Ja, natürlich, ist Informatiker Johannes
Kretzschmar überzeugt. Er nimmt regel-
mäßig an Science Slams teil und erntet
dabei viel Zuspruch. Diese Kurzvortrag-
turniere, wie sie auch zum Sommerfest
der Graduierten-Akademie regelmäßig
stattfinden, vermitteln humorvoll und
abseits von Seminarräumen und Hörsä-
len aktuelle wissenschaftliche Themen.
Im Fall von Johannes Kretzschmar sind
diese im Bereich der Softwaretechnik
von Elektrofahrzeugen angesiedelt. Sei-
nem Publikum erklärt er Forschung mit
Hilfe von Comics, die er zu jedem The-
ma eigens anfertigt.
Als Informatikstudent die neuesten
Internet-Entwicklungen und digitalen
Trends im Blick, beteiligte sich auch
Johannes Kretzschmar an der im Jahr
2005 aufkommenden Blogger-Bewe-
gung. Sein virtuelles Tagebuch, das er
unter dem Namen »Beetlebum« führt,
befüllte er allerdings nicht mit Tex-
ten, sondern mit bunten Bildern. Groß,
dunkle Haare, Vollbart und markante
schwarzgerahmte Brille – so zeichnet
sich Kretzschmar selbst und lässt die
Besucher seines Blogs an seinem Privat-
leben und seinem wissenschaftlichen
Alltag teilhaben.
Diese Offenheit kommt auch bei den
Zuhörern der Science Slams gut an. Im
vergangenen Jahr präsentierte Johan-
nes Kretzschmar beim Bundesfinale
des vom Haus der Wissenschaft im
Rahmen des »Wissenschaftsjahres 2015
– Zukunftsstadt« organisierten Wettbe-
werbs in Berlin die Ergebnisse seiner
Doktorarbeit am Lehrstuhl für Soft-
waretechnik, die in das Projekt »eTe-
lematik« eingebunden war. Mit seinen
Zeichnungen zu »Frankensteins Elek-
troauto« und seiner sympathischen Art,
den wissenschaftlichen Alltag mit dem
gewissen Maß an Ironie zu reflektieren,
wurde Kretzschmar mit dem zweiten
Platz ausgezeichnet. Fahrzeugtelematik
für elektromotorisch betriebene Kom-
munalfahrzeuge, kurz »eTelematik«,
ist ein Verbundprojekt, das unter der
Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Rossak
durchgeführt wurde. Ziel war die Ent-
wicklung einer eTelematik-Lösung zur
elektromobilitätsspezifischen
Daten-
erfassung und Informationsbereitstel-
T E X T: B I A N C A W I E D E M A N N
»Frankensteins Elektroauto«. Mit dieser Zeichnung
und seinem Vortrag dazu errang Johannes Kretz-
schmar 2015 beim Science Slam-Bundesfinale den
zweiten Platz.