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Zweifeln ist wissenschaftlich
Erkenntnisse aus der Wissenschaft haben noch immer den Ruf, unfehlbar zu sein. Dabei gehört es zur
Methodik einer guten Forschung, auch fragile und konfligierende Evidenz öffentlich zu machen und so
möglicherweise den Anstoß für neue Untersuchungen zu geben. In der Kommunikation zwischen Wissen-
schaft und Öffentlichkeit entwickelt sich ein Verständnis dafür, dass Forschungsergebnisse unterschiedlich
gesichert sein können, erst seit kurzer Zeit.
Wir alle kennen wohl Medienberichte,
die mit dem Satz beginnen: »Einer ak-
tuellen Studie der Universität XY zufol-
ge ...«. Ob Zuschauer und Leser, die oft
wissenschaftliche Laien sind, die Er-
gebnisse besagter Studie ernst nehmen
und wie sie deren Glaubwürdigkeit be-
werten, hängt stark davon ab, wie Me-
dien Forschungsergebnisse vermitteln.
Natur- und Sozialwissenschaftler spre-
chen von der wissenschaftlichen Evi-
denz. Gemeint ist damit, wie stark sich
Forschungsergebnisse auf gesicherte
wissenschaftliche Belege stützen und
wie widersprüchlich sie teilweise sein
können.
Wie die wissenschaftliche Evidenz von
Forschern und Kommunikatoren von
Journalisten dargestellt wird und wel-
che Effekte diese Darstellung auf die
wissenschaftsbezogenen Einstellungen
von Laien hat, haben Prof. Dr. Georg
Ruhrmann, Dr. Lars Günther (z. Z. Uni-
versity of Stellenbosch, Südafrika) und
Dr. Sabrina Heike Kessler untersucht.
Herr Prof. Ruhrmann, Sie und Ihr
Team haben Faktoren untersucht, die
Wissenschaftsjournalisten dabei be-
einflussen, die Ungesichertheit eines
wissenschaftlichen Ergebnisses in
ihrer Berichterstattung darzustellen.
Welche Faktoren sind das?
Unsere repräsentative Befragung von
deutschen Wissenschaftsjournalisten
zeigt, dass vor allem die Annahmen der
Journalisten darüber ausschlaggebend
sind, wie ihre Kollegen mit Evidenz
bzw. wissenschaftlicher Ungesichert-
heit umgehen. Auch Erwartungen hin-
sichtlich der Publikumswünsche sind
relevant: Denken die Journalisten, ihr
Publikum wolle eine solche Berichter-
stattung, dann stellen sie gern die Un-
gesichertheit der wissenschaftlichen
Befunde dar.
I N T E R V I E W
I N T E R V I E W: B I A N C A W I E D E M A N N
Welche Rolle spielt publizistischer
Erfolg?
Der ist, wie bei allen anderen The-
men auch, bedeutsam und äußert sich
beispielsweise über die Publikums-
orientierung. Auch Wissenschafts-
journalismus muss sich bei Zeitungen,
TV-Anstalten und im Netz rentieren.
Ohne Quote läuft auch hier nichts. Wis-
senschaftler vergessen oder verdrängen
das noch mitunter.
Sie haben den Umgang der Journalis-
ten mit Ungesichertheit anhand der
Kommunikation von Evidenz biowis-
senschaftlicher
Zukunftstechnolo-
gien analysiert. Weshalb eignet sich
dieser Forschungszweig für die Unter-
suchung?
Dieser Themenkomplex markiert viele
mit Evidenzfragen verbundene wis-
senschaftliche Entdeckungen und In-
novationen der Grundlagenforschung.