Abb. 4. Feldversuch in den Fjorden vor Bergen, Norwegen zur
Manipulation von Lebensgemeinschaften des Planktons
durch chemische Signalstoffe. Foto: Erik Selander
Die oft einzelligen Organismen des Planktons leben frei-
schwebend im Seewasser – also in einer scheinbar homo-
genen Umgebung. Die räumliche und zeitliche Diversität
des Planktons ist allerdings sehr komplex und beinhaltet
Prozesse wie jährliche Massenvorkommen (Blüten) von
dominanten Schlüsselorganismen, oder der Toxizität von
einzelnen dominanten Arten. Die Populationsdichte im
Plankton ist vergleichsweise gering, aber dennoch gibt es
zahlreiche Wechselwirkungen, wie komplexe Räuber-Beute
-Beziehungen oder die Resistenzbildung gegen mikrobielle
Infektionen. Einige dieser Wechselwirkungen werden durch
chemische Signale vermittelt, die eine zentrale Rolle in der
Plankton-Kommunikation spielen. Der zugrunde liegende
Ansatz der Gruppe ist die Entwicklung und Anwendung von
Metabolom-basierten Untersuchungsmethoden, um che-
misch vermittelte Wechselwirkungen in Plankton-Gemein-
schaften zu verfolgen. Das Konzept hat nicht ausschließlich
das Ziel, die Rolle von Schlüsselverbindungen aufzuklären,
es sollen auch metabolische Prozesse, wie die Regulation
von Stoffwechselwegen erfasst werden. Metabolite, deren
Produktion während Interaktionen reguliert werden, kön-
nen dann auf ihre Relevanz in ökologischen Interaktionen
getestet werden. Etablierte Protokolle für metabolomische
Untersuchungen sind oft nicht für die Untersuchung von
Plankton geeignet. Deshalb liegt ein Schwerpunkt unserer
Arbeiten auf der Methodenentwicklung, die oft auf Analy-
tik mit Massenspektrometrie und der statistischen Auswer-
tung der resultierenden komplexen Datensätze basiert. Wir
haben eine hocheffiziente Plattform für die Untersuchung
des endo- und exo-Metaboloms von Phytoplankton Zellen
in den letzten Jahren aufgebaut. Dies ermöglicht uns nun
zuverlässig, Signale in der Umwelt und physiologische Re-
aktionen der Zellen in ökologischen Interaktions-Situati-
onen zu untersuchen. Ein Schlüssel zum Erfolg in diesen
Projekten ist die Arbeit mit den betreffenden Organismen,
die, soweit möglich, in unseren Laboren unter kontrollier-
ten Bedingungen gehalten und manipuliert werden. So
können auch Interaktionssituationen mit steigender Kom-
plexität im Laborsystem nachvollzogen werden. Experimen-
te mit natürlichen Gemeinschaften werden während For-
schungsreisen auf Booten und in küstennahen Forschungs-
stationen durchgeführt.
Projekte in diesem Forschungsschwerpunkt liefern
nicht nur grundliegende Erkentnisse über das Funktionie-
ren des marinen Ökosystems. Sie sollen uns auch Werkzeu-
ge in die Hand geben, um Organismen in Aquakulturen
oder sogar in offenen Ozeanen zu manipulieren. So kann
z.B. die Aufklärung der Mechanismen der Virusinfektion
von Algenblüten mit dem Verständins von Transkriptom-
und Metabolom-Daten Auskünfte über Regulation des
Wirtsorganismus durch das Virus geben. Durch gezielte
Manipulation der involvierten Stoffwechselwege, kann
Resistenz der Alge induziert werden [6]. Bekannte und
Chemisch vermittelte Wechselwirkungen im Plankton
induzierbare Abwehrstrategien des Phytoplanktons sollen
als biologisches Vorbild für die Manipulation von toxischen
Algenblüten dienen. Eine wichtige Thematik ist auch die
Untersuchung der Vermittlerrolle von Bakterien in Plank-
ton Interaktionen und damit die Manipulation der Gemein-
schaften durch gezielte Antibiosen.
Wir übertragen auch das Konzept der Untersuchung
der chemischen Signale im Plankton auf die Untersuchung
von Stoffwechselprozessen in den Grundwasserleitern. Mit
unseren Methoden untersuchen wir die Rolle von Bakte-
rien in der „chemischen Landschaft“ des Grundwassers
und tragen damit zum Verständnis der Herkunft unseres
wichtigsten Lebensmittel
dem Wasser
bei.
[6] Rosenwasser et al. (2014): Rewiring Host Lipid Metabolism by Large
Viruses Determines the Fate of Emiliania huxleyi, a Bloom-Forming Alga in
the Ocean. Plant Cell, 26, 2689-2707.
FORSCHUNG — 27
Abb. 3. Die Versuchsobjekte, wie hier die Makroalge
Udotea sp
.,
sind oft auch ästhetisch anzusehen. Foto: Charles Vidoudez