Lehrstuhl für Anorganische Chemie I
Prof. Dr. Matthias Westerhausen
Forschungsschwerpunkte
Aktivierung der schweren Erdalkalimetalle und Herstellung sowie Handhabung von sehr reaktiven Metallpulvern
(insbesondere von Calciumpulvern)
Synthese von α,ω-bis-metallierten Alkanen und Untersuchungen zu deren Schlenk-Gleichgewichten und der Bildung
von Metalla-cycloalkanen
Präparation von schweren Grignard-Reagenzien für stöchiometrische und katalytische Reaktionen
(Organocalcium-Reagenzien)
Erdalkalimetall-vermittelte katalytische Hydroaminierung und Hydrophosphanylierung von Alkinen, Kumulenen
und Heterokumulenen
Kohlenstoffmonoxid-freisetzende Metallkomplexe (CO Releasing Molecules, CORMs) für biologische, biochemische
und medizinische Anwendungen
Totalsynthese von Abbauprodukten des Häms und Hämoglobins und Untersuchungen zu deren physiologischer Aktivität
22 — FORSCHUNG
In der organischen Chemie der schweren s-Blockmetalle ex-
istieren noch unzählige Herausforderungen, angefangen bei
Aren-Radikalanionen, die sich nur mit den schwersten wei-
chen Alkalimetall-Kationen stabilisieren lassen. Diese Wech-
selwirkungen sind mit den klassischen Modellen der Koordi-
nationschemie nicht hinreichend erklärbar, so dass Koopera-
tionen zur quantenchemischen Berechnung von physikali-
schen und chemischen Eigenschaften wie Ladungsverteilun-
gen und Bindungsverhältnissen mit Dr. R. Kretschmer, Re-
gensburg, und der Gruppe von Prof. Dr. M. Reiher, ETH
Zürich, bestehen. In der bislang wenig etablierten Organo-
calcium-Chemie lässt sich die Reaktivität erhöhen, wenn
man von den Arylcalcium-Komplexen zu den Alkenyl- und
Alkylcalcium-Verbindungen wechselt. In Zusammenarbeit
mit der Gruppe um Prof. M. Etienne, Toulouse, wird die Be-
deutung ungewöhnlicher Bindungsstabilisierungen (hyper-
konjugative und agostische Effekte) bei Hydrocarbylcalcium-
Komplexen studiert. Die Synthese dieser Organocalcium-
Komplexe setzt die Aktivierung des Metalls voraus, um die
Diskrepanz zwischen Inertheit des Calciums und Reaktivität
der Organocalcium-Verbindungen zu reduzieren. Eine Stei-
gerung der Reaktivität ist auch durch die Bildung heterobi-
metallischer Komplexe möglich, die als Katalysatoren z. B. bei
der Hydroaminierung eingesetzt werden können. Die Cal-
cium-vermittelte Hydroaminierung und Hydrophophan-
ylierung steckt noch in den Kinderschuhen. Bisher fehlen
effiziente Konzepte zur Umsetzung wenig aktivierter Alkene
oder Alkine mit Aminen und Phosphanen. Da Organocalci-
um-Derivate vorwiegend ionische Ca-C/N/P-Bindungen
aufweisen, bereitet die Stereokontrolle dieser katalytischen
Forschungsprofil
Reaktionen Schwierigkeiten und stereokontrollierte Calci-
um-vermittelte Hydroaminierungen und Hydrophosphany-
lierungen erfordern eine ausgefeilte Ligandensphäre mit
designten Koordinationstaschen für Metallionen.
Weiterer Forschungsfokus besteht im Feld der bioanor-
ganischen Chemie Kohlenstoffmonoxid-abgebender Mole-
küle (sogenannte CORMs), eine an Bedeutung gewinnende
Substanzklasse für medizinische Anwendungen, welche in
der Forschergruppe 1738 („hhdp – heme and heme degra-
dation products“;
www.hhdp.uni-jena.de) unter anderem
mit dem Universitätsklinikum Jena beforscht wird. Um licht-
getriebene CO-Freisetzung aus Metallcarbonyl-Komplexen
nutzen zu können, sollte die Reaktion mit sichtbarem Licht
quantitativ möglich sein. Dabei dürfen weder die Komplexe
noch deren Zersetzungsprodukte toxisch sein, weshalb wir
vor allem CORMs mit den essentiellen Metallen Mangan
und Eisen (in Kooperation mit Prof. Taghreed Jazzazi, Irbid)
studieren. Neben Wasserlöslichkeit müssen die Metallcar-
bonyl-Derivate in wässriger Lösung im Dunkeln beständig
sein, um für medizinische Anwendungen Titerlösungen
anbieten zu können. Diese Vorgaben legen Liganden nahe,
die stärker als Wasser kinetisch stabilisiert sind.
Ebenfalls in diesem Forschungsverbund beschäftigen
wir uns mit dem Teilprojekt der oxidativen Abbauprodukte
des Häms und Hämoglobins (sogenannte BOXes). Diese
heterozyklischen Verbindungen sollen für Spätschäden bei
Schlaganfall-Patienten mitverantwortlich sein. Totalsynthe-
sen dieser Verbindungen sind daher notwendig, um in Ko-
operation mit medizinischen Arbeitsgruppen physiologi-
sche Auswirkungen ermitteln zu können.