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Uni-Journal Jena02/15
FSU intern
Wie haben Sie
Ihr 1. Semester
erlebt?
Mein Sohn war
gerade geboren.
Wir wohnten in
Obe r l a hn s t e i n .
Mein Studienort
war die Johannes
Gutenberg-Univer
sität Mainz, der
Studienbeginn im
SS 1973. Jeden
Morgen ging es
per Bus nach Ko
blenz, dann mit
dem Nahverkehrs-
zug nach Mainz.
70 DM kostete
die Monatskarte.
Start um 4.30 Uhr,
Ankunft Mainz ca.
7.45 Uhr – um 8.15
Uhr saß ich in der Vorlesung. Abends
ging es denselben Weg wieder zurück.
Beim Bügeln von Stoffwindeln – Bügeln
macht die Windeln steril! – suchte ich
mir das Studienfach aus. Ich blätterte in
„Geologie für Jedermann“ von v. Bülow,
ein Buch aus der damaligen DDR. Mich
interessierten die Dinosaurier, deshalb
„Streiken war an der Tagesordnung“
Mein 1. Semester: Prof. Dr. Georg Büchel
musste es Paläontologie und Geologie
sein.
Was hat Ihnen beim Eingewöhnen in
den Lebensraum Universität geholfen
und wo gab es Probleme?
Ich hatte Gott sei Dank zwei gleichge
sinnte, gleichsemestrige Freunde. Mat-
thias Wehse half bei der englischen
Übersetzung des vom Dozenten emp-
fohlenen Buchs Mathematik für Natur-
wissenschaftler. Hubert Achenbach war
für den rheinhessischenWein zuständig.
Mentoring der älteren Semester bestand
vielfach in arroganten Bemerkungen. Auf
Exkursionen, wo mangels Teilnehmern
die Erstis mit den Fortgeschrittenen
mitfuhren, wurde zwangsweise Alkohol
verkostet. Sonst war man nichts wert.
Die Berufsberatung hatte den Slogan
verbreitet, Frauen können keine Geolo
gie studieren. Als Beispiel wurde die
Geländearbeit in Saudi-Arabien plastisch
beschrieben. In unseren Semestern gab
es deshalb keine Frauen.
Waren Sie chaotisch oder bestens or-
ganisiert? Einzelkämpfer oder Grup-
penlerner?
In meiner ersten Vorlesung verirrte
ich mich in eine einführende organische
Chemie-Veranstal-
tung, in einem rie-
sigen mit Studie-
renden gefüllten
Hörsaal. Ich kaufte
brav das Skript
zur Vorlesung, ob-
wohl ich beides
nicht brauchte.
Ich hatte die Ho-
sen gestopfte voll.
Fachschaftsarbeit
war wichtig. Wir
führten große Voll-
versammlungen
durch, weil sich
zwei Studenten
trauten, in einer
Mine des Regi-
mes Südafrikas ein
Berufspraktikum
zu machen. Die
beiden waren für
alle Zeiten aus der
Gemeinschaft aus-
geschlossen. MSB
Spartakus war die
Losung, die DDR
ein Vorbild. Mit
den Rädelsführern
stießen wir Stände
der Maoisten um
und nahmen flugs reißaus. Streiken war
an der Tagesordnung. Die Profs setzten
wir solange unter Druck, bis sie mitgin-
gen. Ansonsten habe ich enorm viel al-
leine während der langen täglichen Zug-
fahrten gelernt.
Was war das Wichtigste/Beste am
ersten Semester?
Trotz der fürchterlichen fortgeschritte-
nen Kommilitonen waren die Exkursio-
nen das Highlight. Die nachvollziehbaren
praktischen Erkenntnisse in spektakulä-
ren Landschaften und Gesteinswelten
waren überwältigend, für mich zudem
Urlaub von der Familie.
Sind Sie immer zu allen Vorlesungen
gegangen?
Bis zum Vordiplom ja. Trotzdem bin
ich in der Klausur zur Allgemeinen Che-
mie beim ersten Mal durchgefallen. Das
war eine totale Katastrophe. Nur einen
Wiederholungsversuch gab es. Ich hatte
eine panische Angst zu versagen. Als
ich den Wiederholungsversuch mit be-
friedigend+ bestanden hatte, habe ich
mir geschworen, nie mehr so schlecht
vorbreitet in eine Prüfung zu gehen. Das
Hauptstudium konnte man sich komplett
sparen. Errechnet 7 % der Lehrveran-
staltungen habe ich nach demVordiplom
besucht. Wir hatten das Gefühl, dass
die Profs uns das Wasser nicht reichen
konnten!
Dachten Sie mal daran aufzugeben?
Ja, mehrmals, vor allem aus der Situa-
tion der Doppelbelastung heraus. Meine
Frau absolvierte zur gleichen Zeit ihre
Ausbildung. Ich war zu Hause voll und
ganz gefordert. Da mir Chemie ganz gut
gefiel, hatte ich vor, mir das notwendige
Repertoire für einen Grundschullehrer
möglichst schnell anzueignen, um dann
als Lehrer mehr Zeit zu haben und genü-
gend Geld zu verdienen. Trotzdem sage
ich heute, dass die Vereinbarkeit von
Familie und Studium, während des Stu-
diums – und der Doktorarbeit – ziemlich
optimal sind.
Was stand neben dem Studienplan
auf Ihrem Programm?
Wir hatten im Keller des Instituts eine
Tischtennisplatte aufgestellt. Dort haben
wir regelmäßig gespielt. Fachschaftsar-
beit war angesagt und viele politisch
angehauchte Diskussionsrunden gab
es außerdem. Und die Barbara-Feier!
Das war eine Riesen-Veranstaltung und
endete morgens um 7 Uhr für viele in
einem Blackout.
1973begannGeorg
BüchelseinStudium
derPaläontologie
undGeologie,heute
isterProfessorfür
AngewandteGeo-
logie.
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