Rubrik 39
01 | LICHT
GEDANKEN
Die Physikochemikerin Prof. Dr. Stefanie Gräfe hat mit Hilfe quantenchemischer und -dynamischer Methoden die Richtungsabhängigkeit der Bewegung aufgeklärt
und die Grundlagen für das erfolgreiche Experiment mit gelegt.
Bild links: Schematische Darstellung des Aufbruchs einer molekularen Bindung in Acetylen (C
2
H
2
). Grafik: ICFO/Scixel.
Original-Publikation
B. Wolter et al. (2016) Ultrafast electron
diffraction imaging of bond breaking in
di-ionized acetylene. Science, http://science.
sciencemag.org/content/354/6310/308Kontakt
Prof. Dr. Stefanie Gräfe
Institut für Physikalische Chemie
Helmholtzweg 4, 07743 Jena
Telefon: 03641 / 948330
E-Mail:
s.graefe@uni-jena.de www.ipc.uni-jena.deDass die erforderliche räumliche und
zeitliche Auflösung erreicht wurde, um
Schnappschüsse der molekularen Dyna-
mik zu erhalten, war nur möglich, weil
das Team in Barcelona eineweltweit füh-
rende ultraschnelle Laserquelle für den
mittleren Infrarot-Bereich entwickelte
und diese mit einem Reaktionsmikro-
skop kombinierte. Dieses erlaubt eine
kinematisch vollständige Erfassung der
dreidimensionalen
Impulsverteilung
der freigesetzten Elektronen und Ionen
in Koinzidenz – das heißt, es werden
alle geladenen Bruchstücke des Mole-
küls gleichzeitig nachgewiesen und der
Reaktion zugeordnet. Entwickelt und
gebaut wurde das Reaktionsmikroskop
am Heidelberger Max-Planck-Institut
für Kernphysik.
Mittels einer geschickten Analyse der
Daten konnten die Physiker ferner zei-
gen, dass die Orientierung des Moleküls
relativ zur Richtung des elektrischen
Feldes des Lasers ganz grundlegend die
Dynamik der Reaktion ändert. Bei paral-
leler Ausrichtung wurde eine Vibration
des Moleküls entlang der Feldrichtung
beobachtet, während bei senkrechter
Ausrichtung eine der C–H-Bindungen
aufbrach. In dem Experiment wurde der
Aufbruch der Bindung erstmals visuali-
siert und beobachtet, wie das Proton das
spezielle Acetylen-Ion verlässt.
Die Jenaer Physikochemikerin Stefanie
Gräfe hatte mit Hilfe quantenchemi-
scher und -dynamischer Methoden die
Richtungsabhängigkeit der Bewegung
aufgeklärt und die Grundlagen für das
erfolgreiche Experiment mit gelegt.
»Mit diesem Experiment konnte zum
ersten Mal die Atombewegung direkt
gemessen werden«, freut sich die Wis-
senschaftlerin. »Dies legt den Grund-
stein dazu, einen ,molecular movie‘
drehen zu können, bei dem die Positi-
on eines jeden Atoms im Molekül zeit-
lich aufgelöst gemessen werden kann.
Idealerweise könnte man in Zukunft
eine chemische Reaktion direkt beob-
achten, wofür dieses Experiment den
Grundstein gelegt hat.«
Interdisziplinarität und Teamwork als
Grundlagen des Erfolgs
Zum Erfolg beigetragen hat die gute
Zusammenarbeit zwischen Experimen-
tatoren und Theoretikern, Atomphy-
sikern und Quantenchemikern des
Institute of Photonic Sciences (ICFO)
in Barcelona und des Heidelberger
Max-Planck-Instituts für Kernphysik
(MPIK), der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt, der Kansas State Uni-
versity, des Center for Free Electron
Laser Science (DESY/CUI) sowie der
Universitäten Jena, Kassel, Aarhus und
Leiden, sind sich alle Beteiligten einig.