Rubrik
34
Antike Sprache im Internet
Das Sabäische wird ähnlich wie Latein oder Altgriechisch längst nicht
mehr gesprochen. Dank der Arbeit Jenaer Orientalisten erwacht die
antike Sprache jedoch zu neuem Leben und wird im Internet lebendig.
S A B Ä I S C H E T E X T E
T E X T: S E BA S T I A N H O L L S T EI N
Niemand kann heute genau sagen, wie
es sich anhörte, wenn sich zwei Bewoh-
ner der Arabischen Halbinsel vor fast
2 000 Jahren unterhielten. Denn: Die
Sabäer, die Bewohner des legendären
Reiches der Königin von Saba ganz im
Süden der Halbinsel, haben die Vokale
in ihrem Alphabet nicht ausgedrückt.
Nur wenige Wissenschaftler weltweit
können die Schriftsprache dieser anti-
ken Hochkultur heute noch lesen und
in moderne Sprachen übersetzen. Zu
ihnen gehört Prof. Dr. Norbert Nebes
von der Universität Jena. Damit die
überlieferten Texte nicht nur einem klei-
nen Expertenkreis, sondern einer mög-
lichst breiten Öffentlichkeit zugänglich
werden, bringen Nebes und sein Team
das Sabäische nun ins 21. Jahrhundert:
Seit einigen Wochen sind die Forscher
mit einem »Sabäischen Wörterbuch« im
Internet präsent. Nutzer von überall auf
der Welt sollen künftig unkompliziert
auf Tausende altsüdarabische Quellen
zugreifen können. Noch befindet sich
das Wörterbuch im Aufbau, auch eine
englische Version ist geplant.
Anders als andere Werke dieser Art
ist das Wörterbuch nicht alphabetisch
aufgebaut, sondern behandelt nachein-
ander einzelne Textgattungen. Jede ein-
zelne der überlieferten Inschriften wird
von der verantwortlichen Bearbeiterin
Dr. Anne Multhoff eingepflegt. Die
entsprechende Software entwickelt hat
Heiko Werwick. Insgesamt haben die
Jenaer Wissenschaftler eine Datenbank
mit etwa 10000 altsüdarabischen Texten
zusammengestellt. Mehr als 1 300 Ein-
träge enthält das Wörterbuch bereits,
alle weiteren folgen in den kommenden
sechs Jahren.
Es sind sowohl Widmungen für die
verschiedenen sabäischen Gottheiten,
die teilweise ganze Kriegsberichte ent-
halten, als auch Rechtstexte und Bau-
inschriften. Sogar Briefe auf kleinen
Holzstäbchen befinden sich unter den
schriftlichen Zeugnissen, die uns aus
dem Reich der Sabäer geblieben sind.
Der Jenaer Saba-Experte hofft darauf,
dass sich durch das Wörterbuch die
weltweite Forschung auf diesem Gebiet
besser vernetzt. »Die sabäischen Quel-
len sind vor allem für Altertums- und
Islamwissenschaftler,
Orientalisten
und Theologen interessant«, sagt er.
»Wir würden uns freuen, wenn die Be-
nutzung des neuen Standardwerks den
Kreis der Wissenschaftler, die damit ar-
beiten, näher zusammenbringt.«
Tatenbericht des Herrschers Yitha'a-
mar erstmals vollständig übersetzt
Nebes selbst hat sich aktuell mit der
Übersetzung eines äußerst »gewich-
tigen« sabäischen Textes befasst, der
auch in das Wörterbuch Eingang fin-
den wird und kürzlich in Buchform er-
schienen ist. Der Epigraphiker legte die
erste Übersetzung des Tatenberichtes
des Yitha'amar, eines sabäischen Herr-
schers, aus dem ersten Jahrtausend v.
Chr. vor. »Mit 49 Metern Text und ins-
gesamt 328 Wörtern ist diese Inschrift
der größte epigraphische Fund, der
jemals auf der Arabischen Halbinsel
Orientalist Prof. Dr. Norbert Nebes gehört zu einem
überschaubaren Kreis von Wissenschaftlern, die die
sabäische Sprache heute lesen können. Über deren
Aussprache kann auch er nur spekulieren.