Rubrik 31
01 | LICHT
GEDANKEN
verleihen, und zum anderen, um die
politische Deutungshoheit nicht den
Migrationsgegnern zu überlassen«, sagt
Schmalz. »Allein schon die stärkere Be-
tonung der Erfolge von Integrationsbe-
mühungen kann dabei nützlich sein.«
Außerdem gewannen die Soziologen
der Universität aus der Befragung, an
der insgesamt 2188 Bewohner der sie-
ben Landkreise und kreisfreien Städte
Ostthüringens im Alter von 16 bis 75
Jahren teilgenommen haben, wichtige
Erkenntnisse darüber, wie die Bewoh-
ner der Region zu ihrer Arbeitssituation
stehen.
Mehr als zwei Drittel der Befragten
bewerten demnach die wirtschaftliche
Entwicklung Thüringens positiv. Zu-
dem fühlen sich die Ostthüringer auf-
grund der stabilen Situation auf dem
Arbeitsmarkt an ihrer Arbeitsstelle
sicher. Doch eine Angleichung der Ge-
hälter von Ost und West erwarten rund
80 Prozent der Befragten nicht. Mehr
als ein Drittel fühlt sich unterbezahlt.
»Darüber hinaus sind die Ansprüche
der Arbeitnehmer deutlich gewach-
sen«, sagt Klaus Dörre. »Das ,Haupt-
sache Arbeit‘, was lange Zeit nach der
Wiedervereinigung galt, reicht nicht
mehr aus. Der sogenannte opferbereite
,Arbeitsspartaner‘ verliert an Bedeu-
tung.« Etwa 63 Prozent der Studien-
teilnehmer würden etwa zum Wohle
ihres Unternehmens nicht auf Gehalt
verzichten oder mehr arbeiten. Schlech-
te Arbeitsbedingungen würden nicht
mehr hingenommen.
Das Anspruchsdenken ist generell ge-
stiegen. »Dabei spielt die Vereinbarkeit
von Arbeit und Leben die Hauptrolle«,
informiert der Soziologe. »Insbeson-
dere für junge Menschen sind etwa
soziale Beziehungen außerhalb des
Berufslebens enorm wichtig und sogar
bedeutende Kategorien, um Beschäfti-
gungsverhältnisse und Entlohnung zu
bewerten.«
Auch in diesem Bereich ergeben sich
aus der Jenaer Studie Handlungsemp-
fehlungen an die Politik, vor allem im
Hinblick auf die demografische Ent-
wicklung der kommenden Jahre: Um
Arbeitskräfte langfristig zu binden und
die Arbeitssituation generell zu verbes-
sern, müssen ein angemessenes Entgelt
gezahlt sowie mehr Qualifizierungsan-
gebote und gesündere Arbeitsbedin-
gungen geschaffen werden. »Mit dem
Niedriglohnumfeld um Unternehmen
und Investitionen zu werben, kann
dann nicht der richtige Weg sein«, sagt
Schmalz.
Soziale Probleme müssen glaubhaft
angepackt werden
Generell seien beide Themenbereiche
der Studie eng miteinander verbunden.
»Die Politik muss die sozialen Probleme
der Arbeitnehmer und der Arbeitslosen
glaubhaft angehen, um nicht Rechtspo-
pulisten das Feld zu überlassen«, resü-
mieren die Soziologen. »Denn vor allem
Menschen in prekären Arbeitsverhält-
nissen und mit niedrigem Einkommen
neigen zu fremdenfeindlichen Einstel-
lungen und haben geringes Vertrauen
in die Gestaltungsfähigkeit der politi-
schen Akteure.«
Weitere Informationen zum Projekt »re-
beko« und den Ergebnissen sind zu finden
unter:
www.rebeko.uni-jena.deKontakt
PD Dr. Stefan Schmalz
Institut für Soziologie
Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 Jena
Telefon: 03641 / 945523
E-Mail:
s.schmalz@uni-jena.de www.soziologie.uni-jena.deKnackpunkt Gehalt: Mehr als ein Drittel der
befragten Arbeitnehmer in Ostthüringen fühlt sich
unterbezahlt.