S C HW E R P U N K T
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Es grünt und blüht. Es duftet. Es summt und brummt und zwitschert. Hüfthoch wachsen auf über 600
akribisch angelegten Versuchsflächen in der Saale-Aue nördlich von Jena Gräser und Kräuter; zwischen
vielfarbiger Blütenpracht tummeln sich Insekten, Würmer, Vögel und – Wissenschaftler. Mit Gummistiefeln
und Hightech-Messgeräten sind sie bei Wind und Wetter im »Jena-Experiment« aktiv, unterstützt von einem
Gärtnerteam und zahlreichen Helfern. Das seit 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geför-
derte Biodiversitätsexperiment ist ein einzigartiges ökologisches Freiland-Labor und gehört zu den größten
und ältesten seiner Art weltweit. Im kommenden Februar wird das 15-jährige Bestehen des »Jena-Experi-
ments« gefeiert.
Vielfalt im Quadrat
T E X T: U T E S C H Ö N F E L D E R
Es ist ein trüber Morgen, an diesem
Mittwoch Ende Mai. Der Himmel ist
grau, die Luft kühl und feucht. Es hat
viel geregnet in der letzten Zeit. Als ich
das Gelände an der Wiesenstraße betre-
te, bin ich froh, die Gummistiefel ein-
gepackt zu haben. Der Boden ist weich
wie ein Teppich und gibt beim Betreten
an einigen Stellen ein leises Schmatzen
von sich.
Schon wenige Schritte nach dem Ein-
gangstor ist von der nahen Ausfallstra-
ße kaum noch etwas zu hören. Dafür
erklingen Vogelstimmen, ein leichter
Wind bewegt die üppige Wiese, de-
ren dichte Büschel teilweise Hüfthöhe
erreichen. Es raschelt und summt. In-
sekten schwirren um die zahlreichen
Blüten.
Mehrere hundert Meter führt ein Weg
schnurgeradeaus, Holzpflöcke und Me-
tallstäbe mit farbigenMarkierungen tei-
len das saftige Grün in unterschiedlich
große Vierecke. Dazwischen verlaufen
in regelmäßigen Abständen Querwege
und geben der Vegetation eine schach-
brettartige Struktur. Die geometrische
Strenge der Versuchsflächen und ihr
üppiger Bewuchs sind dabei kein Wi-
derspruch. Die blühende Vielfalt ist