S C HW E R P U N K T
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01 | LICHT
GEDANKEN
F R A G E N A N B E N N O W E R L E N
Was ist Ihr ganz persönliches
Fazit vom IYGU?
»Ich bin rückblickend sehr fasziniert
von der Strahlkraft der Idee. Das habe
ich so nicht erwartet. Es ist wirklich
beeindruckend zu sehen, was welt-
weit in Gang gebracht wurde und wie
viele Leute sich für dieses Thema en-
gagieren.«
Gab es einen besonderen
Schlüsselmoment, der Ihnen
das Wirken des IYGU vor Augen
geführt hat?
»Als eines der größten Festivals der
Welt, das Music and Performing Arts
Festival im britischen Glastonbury,
IYGU seine Kooperation anbot, habe
ich die enorme Kraft erkannt, die sich
aus der Verbindung von Wissenschaft
und Kunst ergeben kann. Dadurch
könnte IYGU eine Bewegung werden.«
Was wünschen Sie sich für die
Zukunft des IYGU?
»Am wichtigsten wäre die institutio-
nelle Verfestigung des Programms,
so dass IYGU weiterhin eine Plattform
bietet, auf der man sich auf wissen-
schaftlicher wie auf politischer Ebene
ohne Scheu und falsche Eitelkeiten
begegnen kann, um Lösungen für die
brennendsten globalen Probleme zu
suchen – und zu finden.«
Das »International Year of Global Understanding« (IYGU)
»Global denken – lokal handeln« – unter diesem Motto nehmen 2016 die drei internationalen
Dachverbände der Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften Fragen der Nachhaltigkeit und
zum Verständnis globaler Zusammenhänge in den Blick und zeigen mit vielfältigen Aktionen die
Wechselwirkungen von lokalem Handeln und seinen globalen Auswirkungen auf. Die Initiative für
das weltweite Themenjahr IYGU ging von der Uni Jena aus: In Kooperation mit der Internationalen
Geographischen Union hat der Sozialgeograph Prof. Dr. Benno Werlen das Jahr angeregt und in
jahrelanger Vorbereitungsarbeit organisiert.
www.global-understanding.infoDas IYGU fokussiert auf vier Kernaussagen:
Lokales und Globales verbinden.
Das Verstehen des eigenen Lebens in globalen Zusammenhän-
gen soll dazu beitragen, politische Entscheidungen zunehmend im Sinne von Nachhaltigkeitsprin-
zipien zu treffen.
Jeder Mensch macht Weltpolitik
. Nachhaltige Veränderungen müssen von der
Basis ausgehen.
Wissenschaft im täglichen Leben
. Alltag und Wissenschaft gehören zusammen
und Forschung muss auf die Logik des Alltags eingehen.
Globales Verstehen und Nachhaltigkeit
.
Globales Verstehen ist unverzichtbar, um einen nachhaltigen Wandel zu gestalten.
H I N T E R G R U N D
Initiator und Organisator des IYGU,
Prof. Dr. Benno Werlen.
dividuelles ein«, erklärt Benno Werlen.
»Derzeit koordinieren wir das von der
Friedrich-Schiller-Universität aus noch
sehr stark, nach und nach entwickelt
sich aber die gewünschte Eigendyna-
mik.« Die Ausstattung der RAC sei sehr
unterschiedlich, das persönliche Enga-
gement aber unabhängig davon sehr
hoch. Gerade durch diese regionalen
Verankerungen können Menschen aus
allen Gesellschaftsschichten angespro-
chen und für die Verantwortung für
globale Probleme sensibilisiert werden.
»Die Center haben sich als größte Stär-
ke des IYGU herausgestellt, was ich so
nicht erwartet habe«, sagt der Jenaer
Geograph. Sie funktionieren sowohl für
sich als lokaler Katalysator als auch als
umfassendes Netzwerk.«
Ein Themenjahr hilft, Barrieren zu
überwinden
Doch nicht nur im Alltag hat das The-
menjahr Barrieren überwunden. Auch
wissenschaftlich stellt es sich zuneh-
mend als gelingend heraus. Ausschlag-
gebend ist sicherlich, dass die drei
großen Weltdachverbände der Natur-,
Sozial- und Geisteswissenschaften die
Initiative von Anfang an unterstützt
und ausgerufen haben. Benno Werlen
sieht hier eine Zeitenwende im Kampf
gegen die Missstände der Globalisie-
rung. »Lange Zeit wurde das Thema
Global Sustainability vor allem als bio-
und geowissenschaftliches Zuständig-
keitsfeld gesehen. Inzwischen haben
wir beispielsweise auch die Geisteswis-
senschaften mit im Boot. Das strahlt
in den Kunst- und Kulturbereich aus,
der hilft, auf Problematiken aufmerk-
sam zu machen und Visionen zu ent-
wickeln«, erklärt der IYGU-Direktor.
Auch der Kunstpreis der Uni Jena fand
in diesem Jahr unter dem Thema Global
Understanding statt.
Doch wie geht es nach 2016 weiter?
Das Thema bleibt schließlich nach wie
vor aktuell. »Es gibt konkrete Pläne,
ein Netzwerk aus 100 Universitäten
zu schaffen, das Forschungs- und Bil-
dungsprogramme zum Programm von
IYGU durchführt. Einzelne Bestandtei-
le existieren bereits, beispielsweise mit
dem aus 14 Universitäten bestehenden
Erasmus Mundus APHELEIA Netz-
werk«, informiert Werlen. »Darüber hi-
naus haben wir gemeinsam mit Univer-
sitäten in Los Angeles und Lyon sowie
dem Mahatma Gandhi Institute of Edu-
cation for Peace and Sustainability in
Neu Delhi ein Ausbildungsprogramm
für junge Führungskräfte auf den Weg
gebracht, das u. a. vom Bund finanziert
wird.« Zudem gebe es Bestrebungen,
das IYGU zu einer ganzen Dekade wei-
terzuentwickeln. Bei diesen Planungen
könnte auch helfen, dass weltweit sechs
UNESCO Humanities Chairs zum
IYGU und zu Nachhaltigkeit geschaf-
fen werden, von denen Spitzenfor-
schung ausgehen soll. Außerdem gelte
es natürlich, die geschaffenen Struktu-
ren zu stärken und auszubauen – am
besten weiterhin von Jena aus. Benno
Werlen jedenfalls wird weitermachen.
Die nächsten Flüge sind bereits geplant.