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FORSCHUNG — 75

Vorstellungen zur Glasstruktur und ihrer Dynamik werden

im Schwerpunktprogramm DFG SPP 1594 (als Koordinator

und Teilprojektleiter, zweite Förderphase ab 2016) als

ursächlich für die Ausbildung spezifischer mechanischer

Eigenschaften beforscht. Dies betrifft insbesondere das

Deformationsverhalten nichtkristalliner, anorganischer

Materialien bei lokaler Kontaktbelastung und die hier zu-

grunde liegenden molekularen Reaktionen, welche zu loka-

ler topologischer Verdichtung, Scherdeformation oder topo-

chemischen Reaktionen führen. So werden zurzeit insbeson-

dere die fundamentalen Ursachen der Defektbildung sowie

die lokale Elastizität und Plastizität als Funktion verschiede-

ner elementarer Strukturprinzipien untersucht.

Die hier gefundenen grundlegenden Erkenntnisse

finden Eingang in einer Reihe bilateraler Projekte mit

dem Ziel konkreter, anwendungsorientierter Entwicklun-

gen zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften

glasiger Werkstoffe.

Hochfeste Gläser und elastische Eigenschaften nichtkristalliner Materialien

Funktionale Fassaden- und Fenstersysteme

In dem am Lehrstuhl koordinierten Projekt LaWin

Large

Area Fluidic Windows

(EU Horizon 2020

Industrial Lea-

dership, Projektvolumen 8,1 Mio. €) werden großflächige

Fluidiksysteme zur Integration in Fassaden und Fenster

entwickelt. Ziel ist zunächst die Nutzung dieser Elemente

als Wärmetauscher in einer aktiven Gebäudehülle, wo-

durch beispielsweise unter Verwendung einer Wärmepum-

pe der Gesamtenergiebedarf eines Gebäudes erheblich

gesenkt sowie die Wärmeverteilung im Gebäude optimiert

werden kann. Darüber hinaus werden weitere, funktionale

Fluide entwickelt, welche über die Rolle als Wärmespei-

chermedium hinaus zusätzliche Eigenschaften wie zum

Beispiel die aktive Steuerung des Licht- und Wärmeintra-

ges, Farbwirkungen oder sogar die Integration aquaponi-

scher Elemente erlauben. Eine wesentliche Entwicklungs-

aufgabe besteht hier derzeit vor allem in der Bereitstellung

eines neuartigen, großformatigen Prozesses zur Strukturie-

rung von Glassubstraten im heißen Zustand mit einem

Durchsatz von zunächst 10.000 m

2

pro Tag. Diese einge-

Abb. 2. Bioinspiriertes Design optischer Materialien.

Ozeanischer Schwamm Euplectella Aspergillum aus einem

biogenem, kieselglasähnlichen Silicat. Der topo-chemische Aufbau

des Schwammes ist als Model für die Erzeugung biomimetischer,

lichtverteilender Strukturen nutzbar. Foto: Jan-Peter Kasper

brachten Strukturen bilden die Kanäle für den Flüssigkeits-

transport. Da die Fluidikelemente dann als Laminatsysteme

aufgebaut werden, muss bei den strukturierten Substraten

eine extreme flächige Planität eingehalten werden.

Abb. 3. Fluidikfassaden. Laminatsystem aus einem großflächig

strukturiertem Glassubstrat und mechanisch verfestigtem

Dünnglas für die Verwendung in flächigen, fassaden- und

fensterintegrierten Wärmetauschern. Foto: Benjamin Heiz

Korrelation von Prozess- und Strukturdynamik ermöglichen

und zu neuen, bisher physikalisch nicht erzeugbaren Mate-

riezuständen führen. Diese Fragestellung und ihre Genera-

lisierung bildet den zentralen Bestandteil der durch den

ERC-Grant „UTOPES“ unterstützten Arbeiten.

Am Lehrstuhl sind derzeit ca. 15 Doktoranden, 6 Post-

docs sowie 5 technische und administrative Mitarbeiter

beschäftigt. In seinem dreijährigen Bestehen an der FSU

wurden ca. 6,5 Mio. € Drittmittel, vornehmlich von EU,

DFG und privaten Partnern zur Unterstützung der For-

schungsarbeiten eingeworben. In der Lehre wird das

Feld der Materialchemie mit besonderem Schwerpunkt

auf Glaswerkstoffen und nichtkristallinen Materialien

vertreten, darüber hinaus die Festkörperkinetik sowie

anwendungsseitig

die energie- und optikbezogene

Materialwissenschaft.