Lehrstuhl für Glaschemie I
Prof. Dr. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Christian Rüssel
Es wurde erstmals ein Konzept entwickelt, das die Keimbil-
dung mit der Struktur der Schmelze verknüpft. Hierbei wird
eine zufällige, d. h. statistische Verteilung der netzwerkbil-
denden Baugruppen angenommen und mit Hilfe der Perko-
lationstheorie die Größe der beweglichen Bereiche („
floppy
regions“
) ausgerechnet. Keimbildung tritt dann z. B. beim
Abkühlen ein, wenn die Größe der kritischen Keime größer
wird als die der beweglichen Bereiche. Daneben wird auch
untersucht, wie sich die Keimbildung und das Kristallwachs-
tum durch Additive in geringer Konzentration verlangsam
Abb. 1. BaF
2
Nanokristalle in einer Silicatglasmatrix.
Grafik: Christian Bocker
Forschungsschwerpunkte
Kernkompetenz des Lehrstuhls ist das Erschmelzen von Glas in optischer Qualität und die Herstellung von Glaskeramiken.
Neben grundlegenden Themen insbesondere zu Keimbildung und Kristallisation und zu Herstellungs-Struktur-
Eigenschaftskorrelation sind neue Materialien für Anwendungen in Optik und Photonik von besonderer Bedeutung.
Redoxgleichgewichte in Glasschmelzen und Redoxreaktionen bei Temperaturwechsel: elektrochemische
Messungen und UV-vis-NIR spektroskopische Untersuchungen bei hohen Temperaturen in Glasschmelzen
Fluoreszierende Gläser und Lasergläser, Gläser für Quantum Cutting
Neue Gläser für hochfeste Glasfasern, neue Techniken zum Ionenaustausch zur Herstellung hochfester Gläser; hochfeste
Dental Glaskeramiken
Keimbildung und Kristallisation: erstmals Konzept zur Keimbildung, das die Struktur der Schmelze
berücksichtigt; Keimbildungsinhibitoren; Nanokristallisation
Nano Glaskeramik, auch für photonische Anwendungen, z. B. Breitband Infrarotverstärker, up-conversion
Materialien; neue Photo Thermal Refraktive Glasses
72 — FORSCHUNG
lässt. Durch diese Keimbildungsinhibitoren lässt sich die
Kristallisation unterdrücken bzw. kontrollieren, was z. B.
für Sinterglaskeramik von entscheidender Bedeutung ist.
Umfangreiche experimentelle Arbeiten werden zur
Grenzflächen kontrollierten Keimbildung und Kristallisati-
on durchgeführt. Hierbei werden zumeist Oxyluoridgläser
betrachtet. Wenn aus diesen z. B. Erdalkali- oder Seltener-
dfluoride kristallisieren, dann steigt die Viskosität unmittel-
bar um den gebildeten Keim. Hierdurch sinkt der Diffusi-
onskoeffizient um Größenordnungen und das Kristall-
wachstum sinkt ebenfalls um Größenordnungen. Dies ent-
spricht einer Selbstorganisation und liefert engere Kristal-
litgrößenverteilungen als sie z. B. durch Ostwaldreifung
erhalten werden können. Dieser Effekt wurde erstmals am
Lehrstuhl beobachtet und wird mittlerweile auch genutzt,
um partiell kristalline optische Materialien herzustellen.
Eine neues Entwicklung ist die Nanokristallisation von zink-
haltigen Fluoriden aus Oxyfluoridgläsern. Durch Einbau
von Nickel oder Cobalt kann eine Breitbandfluoreszenz bei
Wellenlängen zwischen 1.200-2.400 nm erhalten werden.
[1] Lin C., Zhao Z., Li L., Rüssel C. (2015): Broadband Near-IR Emission from
Cubic Perovskite Ni:KZnF
3
Nanocrystals Embedded Glass-Ceramics. Opt.
Lett. DOI: 10.1364/OL.40.005263.
[2] Stoica M., de Macedo G. N. B. M., Rüssel C. (2014): Photo Induced
Crystallization of CaF
2
from a Na
2
O/K
2
O/CaO/CaF
2
/Al
2
O
3
/SiO
2
Glass. Opt.
Mater. Exp. DOI: 10.1364/OME4.001574.
Nanokristallisation