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Uni-Journal Jena04/15
Profile
Bedürfnis
nach Schutz
Prof. Hünersdorf bleibt
an der sozialen Praxis
Wenn Medien
über Kinder be-
richten, die ster-
ben mussten, weil
ihre Eltern oder
Pflegeeltern sie
vernachlässigten
oder misshandel-
ten, ist das Ent-
setzen groß. In
der Öffentlichkeit
werden dann Fragen danach laut, wa-
rum sich die Todesfälle nicht vermeiden
ließen. Vor allem Behörden stehen nach
dem Bekanntwerden solcher Tragödien
in der Kritik, sagt Prof. Dr. Bettina Hü-
nersdorf (Foto). „Gerade spektakuläre
Todesfälle von Kindern lassen das öffent-
liche Bedürfnis nach mehr Sicherheit in
der Sozialen Arbeit wachsen“, stellt die
45-Jährige fest, die seit kurzem Profes-
sorin für Sozialpädagogik ist.
In ihrer Forschungsarbeit untersucht
Bettina Hünersdorf, wie dieses wach-
sende Sicherheitsbedürfnis im Bereich
Kinderschutz sozialpädagogische Arbeit
beeinflusst. „Wir finden immer häufiger
Instrumente zur Risikobewertung aus
anderen Disziplinen in sozialpädagogi-
schen Programmen wieder“, stellt sie
fest.
Die aus dem niedersächsischen Wol-
fenbüttel stammende Erziehungswis-
senschaftlerin hat in Würzburg und Trier
studiert. Hier wurde sie 1998 mit einer
Arbeit zur pädagogischen Selbstkritik
auf der theoretischen Grundlage von
Husserl, Merleau Ponty und Foucault
promoviert. 2007 folgte ebenfalls inTrier
eine Habilitation mit demTitel „Der klini-
sche Blick in der Sozialen Arbeit“. Nach
Lehrstuhlvertretungen in Heidelberg und
an der Uni der Bundeswehr in München
wechselte sie 2009 an die Alice Solo-
mon Hochschule Berlin, von wo sie nun
dem Ruf an die FSU folgte. Hier möchte
die naturverbundene Großstädterin vor
allem ihre ethnografisch orientierten
auf sozialpädagogische Kindheits- und
Alternsforschung ausgerichteten For-
schungsarbeiten voranbringen und
knüpft dazu derzeit bereits vielfältige
Kontakte auch in die pädagogische Pra-
xis. Davon profitieren auch die Studie-
renden, die sie in ihren forschungsori-
entierten Lehrveranstaltungen an ihren
Ergebnissen zu Sicherheitsaspekten und
ihren Auswirkungen auf die Sozialpäda-
gogik teilhaben lässt.
US
Foto:Kasper
Senioren auf Inline-Skates
Prof. Zech forscht über Fitness im Alter
Gesund und fit bis ins hohe Alter, davon
träumen viele Menschen. „Der Schlüs-
sel zur körperlichen Fitness ist regelmä-
ßige Bewegung“, sagt Prof. Dr. Astrid
Zech (Foto). Sport im Alter gehört zu
den Forschungsschwerpunkten von As-
trid Zech, die seit kurzem den Lehrstuhl
für Trainingswissenschaft innehat. Sen-
somotorische Kontrolle bezeichnet die
38-Jährige als eine wichtige Vorausset-
zung für die sportliche Betätigung von
Senioren. Sei sie vorhanden, könnten
sich Senioren sogar auf Inline-Skates
fortbewegen. Astrid Zech beschäftigt
sich schon lange mit diesem Thema.
Ihre Habilitationsschrift „Sensomotorik
und sportlichesTraining“ wurde 2013 mit
dem Habilitationspreis der Universität
Erlangen-Nürnberg ausgezeichnet. Ein
weiteres Forschungsfeld der Sportwis-
senschaftlerin sind Sportverletzungen
und ihre Prävention. Aktuell untersucht
Zech das Verletzungsrisiko im Hockey.
Dabei betritt sie Neuland: „Im Hockey
wurde das Verletzungsrisiko bislang
noch nicht erforscht.“
Astrid Zech
stammt aus Mag-
deburg, wo sie
von 1997 bis 2003
S p o r t w i s s e n -
schaft, Psycholo-
gie und Pädago-
gik studierte. Ihre
Promotion an der
Universität Mag-
deburg trug den
Titel „Veränderung von Muskelfunktio-
nen nach operativer Rekonstruktion des
vorderen Kreuzbandes“ und wurde u. a.
durch ein Graduiertenstipendium unter-
stützt. Von 2007 bis 2010 arbeitete Zech
am Institut für Sportwissenschaft der
Universität Erlangen-Nürnberg. Danach
war sie ab 2010 als Juniorprofessorin am
Institut für Bewegungswissenschaft der
Universität Hamburg tätig. Aus Hamburg
hat Prof. Zech zwei Forschungsprojekte
mitgebracht, die sie in Jena weiterbe-
arbeitet. Darin untersucht sie u. a. die
Auswirkungen des Barfuß-Laufens auf
den Bewegungsapparat.
sl
Foto:Günther
Liebe in Film und Literatur
Prof. Scholz untersucht kulturelle Leitbilder
Wie sich Ideale
von Liebe, Part-
nerschaft und
Familie sowie Ge-
schlechterrollen in
den vergangenen
Jahrzehnten in
Deutschland ver-
ändert haben, das
untersucht Prof.
Dr. Sylka Scholz
(Foto) mit unterschiedlichen Methoden,
wie der Biografieforschung oder der
Bild- und Filmanalyse. Die neue Profes-
sorin für Qualitative Methoden und Mi-
krosoziologie nutzt dafür unter anderem
das Genre des deutschen Heimatfilms.
Doch auch in populärer Ratgeberliteratur
zu Beziehung und Partnerschaft wird die
Soziologin fündig.
Dabei interessiert sie sich vor allem
für die nach wie vor bestehenden Un-
terschiede zwischen Ost- und West-
Deutschland. Was etwa die Phase der
Familiengründung angehe, sei Deutsch-
land noch immer ein zweigeteiltes Land:
Die Zahl der unehelich geborenen Kinder
sei im ehemaligen Ostteil mit rund 60
Prozent viermal so hoch wie im Wes-
ten. Dies liege vor allem daran, dass
in Westdeutschland noch immer das
Modell des männlichen Familienernäh-
rers weit verbreitet ist. Allerdings finde
diese Zweiteilung bislang kaum Eingang
in den öffentlichen Diskurs oder die Po-
litik, stellt Sylka Scholz fest, die selbst
aus Salzwedel in der Altmark stammt.
Es gebe in den kulturellen Leitideen zu
Partnerschaft und Familie auch 25 Jahre
nach derWiedervereinigung eine „Hege-
monie der westdeutschen Mittelschicht“.
Sylka Scholz hat an der Humboldt-
Universität Kulturwissenschaft, Sozio-
logie und Interkulturelle Arbeit studiert
und wurde 2003 an der Uni Potsdam mit
einer Arbeit über Identität und Rollenver-
ständnis ostdeutscher Männer während
des Systemumbruchs in der DDR pro-
moviert. Anschließende Stationen ihrer
Tätigkeit waren die HU Berlin, die Uni-
versität der Bundeswehr in München
und die Uni Hildesheim. 2009 habilitierte
sie sich mit einer Arbeit zur soziologi-
schen Männlichkeitsforschung.
US
Foto:Kasper