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Uni-Journal Jena04/15

Profile

Wechselspiel mit Licht

Prof. Botti ist erste Lehrstuhlinhaberin der Physik

Prof. Dr. Silvana Botti (Foto) muss man

wohl als Exotin bezeichnen: Die Physi-

kerin, die von der Universität im franzö-

sischen Lyon nach Jena wechselte, ist

die erste Frau, die einen Lehrstuhl an der

Physikalisch-Astronomischen Fakultät in-

nehat. Dass sie in ihrer Fakultät derzeit

allein unter 31 männlichen Kollegen ist,

habe sie bei ihrer Ankunft überrascht,

sagt die 40-jährige Italienerin, die den

Lehrstuhl für Theoretische Festkörper-

physik übernommen hat.

Physik ist Silvana Bottis große Lei-

denschaft. „Mich interessieren die ato-

maren und molekularen Strukturen und

Prozesse in Festkörpern, beispielsweise

im Wechselspiel mit Licht“, erläutert die

Mutter von drei Kindern. Aktuell ana-

lysiert sie etwa, was im Inneren von

Solarzellen passiert, wenn Sonnenlicht

darauf trifft. „Wir können anhand von

Computermodellen die Materialeigen-

schaften verändern und so die Energie-

ausbeute berechnen, bevor wir kostenin-

tensive Experimente machen müssen.“

Nur diejenigen Materialien, die sich in

den theoretischen

Analysen als viel-

versprechend er-

weisen, werden

anschließend in

realen Experimen-

ten geprüft.

Studiert hat

Silvana Botti, die

neben Italienisch

und Englisch auch

Französisch, Portugiesisch und etwas

Deutsch spricht, im norditalienischen

Pavia. An der dortigen Universität wurde

sie 2002 auch promoviert. Es folgten ei-

nige Jahre an der École Polytechnique in

Palaiseau bei Paris, in der Silvana Botti

neben ihrer Forschung vor allem Lehrer-

fahrung sammelte und in die nationale

französische Forschungsorganisation

CNRS (Centre national de la recherche

scientifique) aufgenommen wurde. Von

Paris ging es anschließend zwei Semes-

ter als Gastprofessorin an die Uni Coim-

bra in Portugal und später an die Uni in

Lyon, wo sie sich 2010 habilitierte. US

Foto:Günther

Der Körper

spricht mit

Prof. Stukenbrock

achtet auf Nonverbales

„Hier ist es“. Wer

bei dieser Äuße-

rung nicht auf die

Geste achtet, dem

fehlt ein Teil der

Kommunikation.

Denn Gesten,

Blick, Mimik, Ton-

fall – eigentlich der

ganze Körper ist

Teil der menschli-

chen Kommunikation und diese ist nur

vollständig, wenn sie als Gesamtgesche-

hen beachtet wird.

Verbales und nonverbales Zeigen,

wissenschaftlich Deixis genannt, ist ein

zentrales Forschungsinteresse von Prof.

Dr. Anja Stukenbrock von der Universi-

tät Jena. Die neue Lehrstuhlinhaberin für

Germanistische Sprachwissenschaft hat

in ihrer jüngst erschienenen Habilitati-

onsschrift das Zusammenspiel von Spra-

che, Gestik und Blick bei Erwachsenen

mit modernsten Methoden untersucht

– und dies an vielfältigen Beispielsitu-

ationen. Stukenbrock beobachtet und

analysiert Sprache und Grammatik im

situativen Kontext. Neben der Gegen-

wartssprache interessiert sich die ge-

bürtige Dortmunderin auch für sprachre-

flexionsgeschichtliche Fragestellungen.

So hat die Wissenschaftlerin sich be-

reits in ihrer Dissertation, die sie 2004

an der Uni Heidelberg vorgelegt hat, mit

„Sprachreflexion als Medium kollektiver

Identitätsstiftung in Deutschland (1617-

1945)“ beschäftigt.

Dabei ist die Linguistin beinahe durch

Zufall zur Sprachwissenschaft gekom-

men, reizte die Hölderlin-Liebhaberin

doch lange die Literaturwissenschaft.

Sie studierte Germanistik und Anglistik

in Heidelberg und Edinburgh und war

auch als Dozentin für Deutsch als Fremd-

sprache tätig. Doch prägende Vorbilder

und interessante Fragestellungen wie-

sen denWeg in die Sprachwissenschaft:

von Heidelberg über Freiburg auf eine

Professur an der Uni Duisburg-Essen.

Dort entschied sie sich unter zwei Rufen

für die FSU. Ein Klima der Bildung und

nicht zuletzt die Studierenden hätten sie

begeistert, betont die sportlicheWissen-

schaftlerin, die gerne forschungsorien-

tiert lehrt. Sie möchte die Studierenden

früh animieren, eigene Ideen zu entwi-

ckeln. Gute Beteiligungsmöglichkeiten

bieten da Stukenbrocks kommende For-

schungsprojekte. 

AB

Foto:Günther

Wundermaterial Graphen

Prof. Turchanin setzt auf ein breites Profil

Graphen gilt als

„Wu n d e r ma t e -

rial“: Es ist nur

eine Kohlenstoff-

atomlage dick,

dennoch leitfähig,

zweihundertmal

härter als Stahl,

aber sechsmal so

leicht. Graphen hat

ein großes techno-

logisches Potenzial, das von 2013-2023

im Rahmen des europäischen Verbund-

projekts „Graphene Flagship“ unter-

sucht wird.

Daran wirkt auch Prof. Dr. Andrey

Turchanin (Foto) mit. Denn Graphen ge-

hört zu den Forschungsschwerpunkten

des neuen Professors für Physikalische

Chemie. „Für die Anwendungen ist es

wichtig, Graphen mit maßgeschneider-

ten Eigenschaften herstellen zu können“,

sagt Turchanin. Und das beherrscht der

Materialforscher, hat er doch u. a. im

Rahmen seiner Habilitation ein flexibles

Verfahren für das Herstellen von Gra-

phen aus organischen Monolagen ent-

wickelt. DochTurchanin interessiert noch

mehr: Eine Vielzahl experimenteller Me-

thoden gehört zu seiner Expertise. Es ist

eine außergewöhnliche fachliche Breite,

die den Wissenschaftler auszeichnet.

Nach dem Abitur auf einer naturwis-

senschaftlichen Spezialschule in der Uk-

raine wechselte er an eine der führenden

Universitäten Russlands, wo er Physik

und Materialwissenschaft studierte. Er

wurde in Moskau über „thermodynami-

sche Eigenschaften metallischer Gläser“

promoviert. Danach bewegte ihn wis-

senschaftliche Neugier zu einem Wech-

sel an die Universität Karlsruhe sowie ab

2004 an die Uni Bielefeld.

Immer neue Perspektiven und keine

Einschränkungen auf ein zu enges Profil

seien ihm wichtig, betont der 43-Jährige.

Auch deshalb folgte der Naturwissen-

schaftler dem Ruf an die FSU. „Die Je-

naer Expertise in Optik und Biowissen-

schaften bietet ein attraktives Umfeld für

meine Forschung“, sagt Turchanin. Von

der Methoden- und Themenvielfalt des

Neu-Jenaers soll ab diesem Sommerse-

mester auch die Lehre profitieren. AB

Foto:Kasper