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FSU-Newsletter/Winter 2016/17

Nachrichten

Akt der Rückbesinnung

und des Bedauerns

FSU rehabilitiert Wissenschaftler, denen in der

NS-Zeit der Doktortitel aberkannt worden war

„Geburtsort“ der

Altorientalistik

Historische Stätte der

Chemie

Der lange Schatten der Vergangen-

heit: In der NS-Zeit wurde zahlrei-

chen Wissenschaftlern der FSU der

Doktortitel aberkannt. In den meis-

ten Fällen geschah das im Zuge der

Ausbürgerung von NS-Verfolgten, die

Deutschland verlassen hatten. Den

Emigranten erkannte man die deut-

sche Staatsbürgerschaft ab und die

Universitäten wurden angewiesen,

den Promovierten den Doktortitel zu

entziehen. In einem symbolischen Akt

hat der Senat am 9. November die da-

mals getroffenen Entscheidungen der

Fakultäten aufgehoben.

„Grundlage dieser sogenannten

Depromotionen waren die Promoti-

onsordnungen der Fakultäten“, sagt

Prof. Dr. Achim Seifert. Der Jenaer

Jurist war Mitglied einer Kommission,

die vom Präsidenten der FSU ins Le-

ben gerufen worden war, um diese

spezielle Form von NS-Unrecht zu un-

tersuchen. Dieser Kommission gehör-

ten weiter an: Uni-Präsident Prof. Dr.

Walter Rosenthal, der Zeithistoriker

Prof. Dr. Norbert Frei, der Leiter des

Universitätsarchivs Prof. Dr. Joachim

Bauer und der Politikwissenschaftler

Prof. Dr. Klaus Dicke.

Man könne das begangene Unrecht

nicht ungeschehen machen, sagte

Prof. Rosenthal, aber die Universität

habe mit dem öffentlich sichtbaren

Akt der Rückbesinnung und des tie-

fen Bedauerns die Entscheidungen

der damaligen Universitätsgremien

zurückgenommen.

61 Fälle nachgewiesen

Insgesamt konnten 61 sogenannte

Depromotionen im Universitätsarchiv

nachgewiesen werden. Nach gründ-

lichem und zeitintensivem Aktenstu-

dium hat die Kommission Kriterien

entwickelt, um die einzelnen Fälle

beurteilen zu können. Richtschnur

war die Frage, ob die Entziehung des

Doktortitels als NS-Unrecht anzuse-

hen ist oder nicht. So unterlagen jene

Wissenschaftler, die aus Deutschland

nach 1933 emigrieren mussten, dem

Verdikt der „erwiesenen Unwürdig-

keit des Inhabers aufgrund seines

späteren Verhaltens“; der Unwürde-

tatbestand, der während des Natio-

nalsozialismus in sämtliche Promo-

tionsordnungen der Fakultäten der

FSU eingefügt worden war, bildete

die Rechtsgrundlage für die Entzie-

hung der Doktorgrade von NS-Ver-

folgten.

In anderen Fällen erfolgte die

Entziehung des Doktorgrades in

der Folge einer strafgerichtlichen

Verurteilung. In diesen Fällen sei zu

prüfen gewesen, ob die Urteile als

NS-Unrecht anzusehen sind, erläu-

tert Prof. Seifert. Die Kommission

habe insbesondere Verurteilungen

wegen „Rassenschande“, „widerna-

türlicher Unzucht“ (Homosexualität)

und „gewerbsmäßiger Abtreibung“

als NS-Unrecht qualifiziert und eine

Aufhebung der aufgrund dessen er-

folgten Entziehungsentscheidungen

empfohlen. Das gelte gleichfalls für

Urteile, die für Verstöße gegen das

„Heimtückegesetz“ oder die soge-

nannte Reichsfluchtsteuer verhängt

worden sind.

Bei der Verurteilung wegen ande-

rer Straftatbestände sei zu prüfen

gewesen, ob einzelne Aspekte des

Verfahrens als Unrecht anzusehen

sind, etwa wenn Zeugen unter Druck

gesetzt worden waren.

Bei der öffentlichen Gedenkveran-

staltung am 9. November sind die Na-

men jener Wissenschaftler verlesen

worden, denen posthum der Doktor-

titel wieder zuerkannt wurde. Auf

Beschluss des Senats ist die Entzie-

hung des Titels bei 23 Wissenschaft-

lern symbolisch aufgehoben worden.

Zudem wurde die Rehabilitierung von

22 Betroffenen bekräftigt, denen der

Doktortitel bereits im Sommer 1945

wieder zuerkannt worden war. In

weiteren vier Fällen konnte nicht ein-

deutig geklärt werden, ob von NS-Un-

recht beim Entzug des Doktorgrades

ausgegangen werden muss. In drei

Fällen konnte eine abschließende

Klärung wegen fehlender Akten nicht

erfolgen.

Die Namen der rehabilitierten Wis-

senschaftler sind im Internet nachzu-

lesen unter: www.uni-jena.de/Mittei- lungen/PM161102_Depromo_Seifert. html. sl

Johann Wolfgang Döbereiner (1780-1849), Erfinder

des Platin-Feuerzeugs undWegbereiter des Perioden-

systems der Elemente, ist von der FSU und der Ge-

sellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) auf besondere

Weise geehrt worden: Seine Wirkungsstätte – das

Hellfeldsche Haus in der Neugasse 23 – ist als „His-

torische Stätte der Chemie“ ausgezeichnet worden,

woran seit dem 8. September eine Gedenktafel (Foto)

erinnert. Mit diesemTitel würdigt die GDCh seit 1999

Leistungen und Orte von geschichtlichem Rang in der

Chemie. Das Hellfeldsche Haus ist der 16. Ort, den

die GDCh in die Liste der bedeutenden chemiehisto-

rischen Stätten aufgenommen hat.

ch

Seit dem 23. November erinnert eineTafel amWirts-

haus „Zur Sonne“ auf dem Markt an die folgenreiche

Begegnung zwischen dem Alttestamentler und Pio-

nier der damals noch jungen „Assyriologie“ Eberhard

Schrader (1836-1908) und Friedrich Delitzsch (1850-

1922) im Sommer 1873 – die, wie es auf der Tafel

heißt, als „Geburtsstunde der deutschen Altorienta-

listik“ bezeichnet werden kann.

Die Enthüllung der Gedenktafel übernahm Prof. Dr.

Markus Hilgert (Foto), Direktor des Vorderasiatischen

Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, der

2004 an der FSU habilitierte. Die Anbringung der Tafel

wurde unterstützt durch den „Förderverein Altorienta-

listik und Hilprecht-Sammlung Jena e. V.“ .

jd

Foto:Kasper

Foto:J.Scheere