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FSU-Newsletter/Winter 2016/17
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Von Null auf Hundert in 1,5 Sekunden
– das ist der aktuelle Weltrekord in Sa-
chen Beschleunigung unter den Auto-
mobilen. Gehalten wird er von einem
Elektrofahrzeug. Schneller als jeder
Formel-1-Wagen kommt es auf Touren.
„Mit dem richtigen Energiespeicher
lässt ein Elektrofahrzeug jedes her-
kömmlich betriebene Auto stehen“, weiß
Prof. Dr. Andrea Balducci. Der Inhaber
der neuen Professur für Angewandte
Elektrochemie erforscht und entwickelt
„Superkondensatoren“ – elektrochemi-
sche Speichersysteme, die die in ihnen
gespeicherte Energie extrem schnell
abgeben können. Diese Arbeit wird der
Wissenschaftler von nun an am „Center
for Energy and Environmental Chemistry
Jena“ weiterführen, wohin er jüngst
vom Helmholtz-Institut Ulm wechselte.
Bereits während seiner Doktorarbeit
hat sich der 40-jährige Italiener mit Su-
perkondensatoren befasst. „Diese kom-
men auch als Back-up-Systeme, etwa
auf Intensivstationen in Krankenhäu-
sern, zum Einsatz“, sagt Balducci. Nach
dem Chemiestudium in Bologna ging er
für seine Doktorarbeit nach Toulouse,
wo er binational an den Universitäten
Bologna und Toulouse promovierte.
Danach wechselte er an die TU Graz,
forschte später in Münster und Ulm.
Dem Ruf der Uni Jena folgte er gern:
„Neben Münster und Ulm entsteht hier
gerade ein drittes nationales Zentrum für
Energieforschung“, ist er überzeugt. US
„Vollgas“ im Elektroauto
Foto:Günther
Prof. Dr. Andrea
Balducci.
Von der Landplage zum Forschungsobjekt
Sie haben ein denkbar schlechtes
Image: Wenn sie auftauchen, dann
meist in großer Zahl und sie fressen al-
les, was wächst. Doch der schlechte Ruf
der Heuschrecken ist laut Prof. Dr. Hol-
ger Schielzeth unbegründet. Für den neu
ernannten Professor für Populationsöko-
logie sind sie wichtige Studienobjekte.
„Heuschrecken eignen sich hervorra-
gend für ökologische und evolutionsbio-
logische Studien, da wir sie sowohl im
Labor als auch im Freiland untersuchen
können“, sagt der 40-Jährige, der jüngst
von der Uni Bielefeld nach Jena wech-
selte.
Neben heimischen Heuschrecken ge-
hören Vögel zu den Fachgebieten des
gebürtigen Berliners. Seine Disserta-
tion fertigte er am Max-Planck-Institut
für Ornithologie in Seewiesen in Bayern
an. Danach forschte er zwei Jahre an der
Universität Uppsala in Schweden, bevor
er 2012 nach Bielefeld ging. Vor Ort wird
sich Prof. Schielzeth in das „Jena-Expe-
riment“ einbringen. Seine Arbeitsgruppe
koordiniert das Projekt in der Saaleaue,
in dem Forscher aus aller Welt Artenviel-
falt und Ökosystemprozesse untersu-
chen. Für das Freiland will er auch Stu-
dierende begeistern und im Rahmen von
Lehrveranstaltungen Exkursionen anbie-
ten. Denn: Tiere, die man untersucht, in
ihrer natürlichen Umgebung zu beobach-
ten, bringe immer wieder entscheidende
Anregungen für das wissenschaftliche
Arbeiten, so Schielzeth.
US
Prof. Dr. Holger
Schielzeth.
Mit Mathematik die Wirklichkeit modellieren
Dass mit Mathematik die Wirklichkeit
modelliert werden kann, um daraus
Schlüsse für reale Zusammenhänge
zu ziehen, hat Anke Pohl schon früh
fasziniert. Jetzt ist die 36-jährige Wis-
senschaftlerin zur Analysis-Professorin
ernannt worden – und noch immer
schwärmt sie von der Flexibilität, die die
Mathematik bereitstellt, um komplexe
Probleme aus der Realität zu beschrei-
ben und sich der Lösung zu nähern. In
ihren Forschungen macht sie das v. a. im
Bereich der Dynamischen Systeme und
Ergodentheorie, der Zahlentheorie und
der Analysis.
Anke Pohl studierte an der TU Claus-
thal und der Universität Bologna in Ita-
lien. Nach ihrer Dissertation in Pader-
born führten sie ihre Forschungen an
das Max-Planck-Institut für Mathematik
in Bonn, die ETH Zürich und an die Uni
Göttingen. Aus mehreren Angeboten
entschied sie sich nun bewusst für die
FSU. „Es passt sehr gut in Jena“, bringt
sie es auf einen einfachen Nenner. Die
Stadt sei schön und die Uni biete viel-
fältige Anknüpfungspunkte und Koope-
rationsmöglichkeiten für ihre Forschung.
Daneben ist Prof. Pohl die Lehre sehr
wichtig. Bereits in ihrem Studium be-
gann sie zu unterrichten und möchte den
Studierenden heute insbesondere eine
lösungsorientierte Art zu denken, eine
selbstbewusste Herangehensweise an
mathematische Problemstellungen und
Motivation für das Fach mitgeben.
jd
Prof. Dr. Anke Pohl.
Foto:Kasper
Foto:Günther
Foto:Günther
Prof. Dr. Rouwen
Cañal-Bruland.
Die Chance des Torwarts beim Elfmeter
Wie hält man eigentlich einen Elfmeter?
Diese Frage stellen sich Torhüter und
Fußballfans weltweit. Antworten darauf
könnten aus der Wissenschaft kommen
– etwa von Prof. Dr. Rouwen Cañal-
Bruland. Der 38-Jährige hat in diesem
Semester die Professur für Sportpsy-
chologie übernommen. Er beschäftigt
sich v. a. mit der Verbindung von mo-
torischen und kognitiven Lernprozes-
sen und Leistungen. „Ein Torwart kann
unterschiedliche Informationen nutzen,
um zu entscheiden, wohin er am besten
springen sollte: Er kann z. B. durch Er-
fahrungswerte wissen, welche Richtung
der Schütze bevorzugt – wie etwa Jens
Lehmann durch den berühmten Zettel
bei derWM 2006“, erklärt Cañal-Bruland.
„Zum anderen lässt sich der Elfmeter
aber auch aus der Körperhaltung, der An-
laufbewegung und ähnlichen physischen
Anzeichen des Schützen lesen.“ So geht
er der Frage nach, welche Informationen
für die Steuerung des Bewegungsverhal-
tens relevant sind, wie diese aufgenom-
men und verarbeitet werden.
Nach dem Sportstudium in Müns-
ter hat der Professor acht Jahre an der
Freien Universität Amsterdam gearbei-
tet. In Jena will er seine Forschung in-
tensivieren und eine Forschungsgruppe
samt Labor aufbauen. Dabei möchte er
eng vernetzt mit anderen Disziplinen
arbeiten, denn sportpsychologische Er-
kenntnisse finden bei weitem nicht nur
im Leistungssport Anwendung.
sh