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Uni-Journal Jena04/15
Neue Bücher
Der Mitarbeiter Gottes
Buch über Pädagogen Rudolph Zacharias Becker
Spätestens seit dem Erfolg der Romane
von Dan Brown sind die Illuminaten all-
gegenwärtig – und zwar als meuchelnde
Mönche. Doch Allmachtsfantasien spiel-
ten im Denken der Geheimbündler wohl
eher eine geringe bis gar keine Rolle.
Vielmehr wollten sie jeden Menschen
– unabhängig vom gesellschaftlichen
Stand – dazu bringen, dass er sich als
eigenständiges und selbstbewusstes
Wesen begreift, ganz im Sinne der Auf-
klärung.
Zu einem der wichtigsten Pädago-
gen, der sich diesen Ideen verschrie-
ben hatte, ist nun ein Buch erschienen.
Die Erziehungswissenschaftlerin Dr.
Christine Freytag hat im Rahmen ihrer
Dissertation die Arbeit des Freimaurers
und Mitglieds des Illuminatenordens
Rudolph Zacharias Becker (1752 bis
1822) untersucht. Der Thüringer – ge-
boren in Erfurt, Studium in Jena, gelebt
und gewirkt vor allem in Gotha – ist
als Volksaufklärer bekanntgeworden.
Freytag setzte sich vor allem mit Be-
ckers Bildungsbegriff auseinander und
analysierte die zwischen 1779 und 1794
e r s c h i e n e n e n
Schriften. Ihr Buch
gibt einen umfas-
senden Überblick
über Beckers
Bildungstheorie,
die grundlegende
Fragen des Men-
schen, etwa nach
dem Sinn des
Lebens und der
Funktionsweise
des Menschen,
einbezieht. Mit
der Beantwortung
solcher Fragen
wurde Becker zur
Schlüsselfigur der
deutschen Aufklä-
rung. Freytag ar-
beitet die Person,
das Wirken und
Denken des Illumi-
naten grundlegend
auf und betrachtet
seine Ideen insbesondere aus pädagogi-
scher Perspektive.
sh
Mediale Experimente
Authentizität „echter Menschen“ vor der Kamera
Will man echte Menschen und echtes
Leben beobachten, dann schaut man
heute nicht mehr aus dem Fenster, son-
dern in den Fernseher. Das zumindest
suggerieren die immer wieder neuen
Formate, die sich darauf berufen, das
Authentische zeigen bzw. produzieren
zu können. Angefangen mit kleinen
Sketchen vor der versteckten Kamera
in den 1950er Jahren, hat sich das so-
genannte Reality-TV spätestens seit
dem Big-Brother-Container zum Mas-
senphänomen entwickelt. Doch wie
authentisch kann das Verhalten eines
Menschen sein, wenn er von Kameras
beobachtet wird? Oder ist es gerade die
künstliche Inszenierung bestimmter Um-
stände, die Authentizität erst hervorbrin-
gen kann? Diese Fragen beschäftigten
über die Jahre nicht nur Wissenschaftler
oder Fernsehproduzenten sondern auch
Künstler. Dr. Elisabeth Fritz hat sich im
Rahmen ihrer Promotion damit ausein-
andergesetzt, wie Gegenwartskünstler
das experimentelle Beobachten von
Menschen mit der Kamera aufgreifen.
Unter dem Titel „Authentizität, Partizi-
pation, Spektakel. Mediale Experimente
mit ‚echten Menschen‘ in der zeitgenös-
sischen Kunst“ hat die Kunsthistorikerin
ihre Dissertationsschrift nun als Buch
veröffentlicht.
Vom Ideal zur Ausbeutung
Während viele Sozialwissenschaft-
ler und Künstler die TV-Produktion als
wertvolles und interessantes Zeugnis
betrachteten, hat sich das Image heute
gewandelt. „Galten das Einbeziehen
und Sichtbarmachen von ,echten‘ oder
,gewöhnlichen‘ Menschen als Ideal
und Ausdruck von Mitgefühl, sozia-
lem Engagement, Emanzipations- und
Aufklärungsmöglichkeit und daher als
besonders anstrebenswert und wert-
voll, so werden die angesprochenen
TV-Formate heute als niederwertig,
ausbeuterisch oder voyeuristisch ab-
qualifiziert“, sagt Fritz. Das gilt auch für
künstlerische Bestrebungen der Partizi-
pation und Beteiligung des Publikums
ElisabethFritz:
Authentizität,Parti-
zipation,Spektakel.
MedialeExperimente
mit„echtenMen-
schen“inderzeit-
genössischenKunst.
(KunstGeschichte
GegenwartBand3),
BöhlauVerlagKöln,
Weimar,Wien2014,
336Seiten,49,90
Euro,ISBN978-3-412-
22164-5
ChristineFreytag:
Mensch,werdeund
macheallesimmer
besser.Überlegungen
zurAufklärungund
Vervollkommnung
desMenschenam
BeispielvonRu-
dolphZacharias
BeckerinderZeit
von1779bis1794.
GaramondVerlag,
Jena2014,426Seiten,
44,90Euro,ISBN978-
3-944830-05-6
Facetten
des Balkans
Das „Pulverfass Europas“ –
so wird der Balkan von vielen
Europäern gesehen. Kriege
und Konflikte gehören zu
dieser Region. Aber auch das
ist der Balkan: ein vielfältiger
und reichhaltiger Kunst- und
Kulturraum. Dieses facet-
tenreiche Gebiet haben Wis-
senschaftler der Slawistik,
Südosteuropastudien und
Romanistik mit einem inter-
nationalen Team von Autoren
für ein neues Handbuch aus
unterschiedlichen Perspekti-
ven beschrieben. Der in Jena
und Leipzig initiierte Band
gliedert sich in die Themen-
blöcke Geschichte, Europäi-
sierung, Sprachen sowie ma-
terielle und geistige Kultur.
Insgesamt 34 Beiträge bieten eine Lan-
deskunde, „wie es sie bisher nicht gab“,
so Mitherausgeber Prof. Dr. Thede Kahl
über das Handbuch, das Studierenden
als interdisziplinäres Grundlagenwerk
dienen soll.
biw
UweHinrichs,
ThedeKahl,Petra
Himstedt-Vaid(Hg.):
HandbuchBalkan.
SlawistischeStu-
dienbücherNr.23,
HarrassowitzVerlag,
Wiesbaden2014,844
Seiten,98Euro(Stu-
dienausgabe39,80
Euro),ISBN978-3-
447-06756-0
an der eigenen medialen Darstellung.
Dabei zeigt die Kunsthistorikerin auf,
wie in neueren Kunstprojekten in Form
von begehbaren Videoinstallationen ge-
rade der spektakuläre und inszenierte
Charakter der Experimente betont wird.
Dadurch werden die paradoxen Bedin-
gungen der künstlichen Erzeugung von
„echtem“ menschlichen Verhalten und
insbesondere die zentrale Rolle der
Beobachtenden bei der Zuschreibung
von Authentizität thematisiert. So nutzt
etwa Danica Daki
ć
Masken und Rollen-
spiel, um alternativeWege zur medialen
Darstellung von Menschen mit Behinde-
rung zu finden. Phil Collins organisierte
einen achtstündigen Tanzmarathon mit
palästinensischen Jugendlichen als eine
Visualisierung ihres schwierigen Le-
bensalltags, die völlig im Gegensatz zu
aus dem Fernsehen bekannten Bildern
steht. In ihrem Buch stellt Fritz diese und
andere künstlerische Arbeiten sowie de-
ren Bezüge zu ähnlichen Experimenten
in Sozialwissenschaft und populärer Me-
dienkultur vor.
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