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Uni-Journal Jena04/15
Quer gedacht
Neue Perspektiven zur Reformpädagogik
Über Bildungskonzepte,
Lehrpläne und Schulformen
wird gern und heftig gestrit-
ten. Nicht selten rückt dabei
die Reformpädagogik in den
Fokus. Doch längst nicht im-
mer ist klar, was dabei ge-
meint ist. Schon der Begriff
„Reformpädagogik“ sei un-
scharf, sagt Prof. Dr. Dr. Ralf
Koerrenz. Der Pädagoge un-
ternimmt deshalb in seinem
aktuellen gleichnamigen Buch
den Versuch, die „Reformpä-
dagogik“ kritisch zu beleuch-
ten und ihr den gebührenden
Platz in öffentlichen Debatten
zuzuweisen.
In öffentlichen Debatten
werde die Reformpädagogik als histori-
sches Phänomen auf die Zeit um 1900
eingegrenzt, sagt Koerrenz. „Wir müs-
sen die Reformpädagogik aber als Einlö-
sung der Ideen der Aufklärung begreifen
und damit als globales Projekt.“ Zu den
Kernpunkten der Reformpädagogik ge-
höre es zum einen, stets die
Perspektive der Lernenden
einzunehmen. Zum anderen
geht es auch um eine päda-
gogische Kritik der Kultur. Ver-
treter einer solchen Pädago-
gik waren im 18. Jahrhundert
beispielsweise Rousseau und
Pestalozzi.
Neben der Kennzeichnung
historischer Zeiträume gebe
es systematische Aspekte,
die in der Verbindung von
Reform und Pädagogik mit-
schwingen. Zu unterschei-
den seien eine utopische und
eine ökonomische Ausrich-
tung. „Ökonomisch betrach-
tet muss sich die Pädagogik
ändern, weil sich die Wirklichkeit geän-
dert hat“, so beschreibt Koerrenz den
Anpassungsdruck, dem sich heute auch
Lehrkräfte ausgesetzt sehen. Das letzte
Kapitel hat Ralf Koerrenz der Reformpä-
dagogik heute und ihrer Reaktion auf die
globalisierte Moderne gewidmet.
sl
Ra
lfKoerrenz:Re-
formpädagogik.Eine
Einführung,Verlag
FerdinandSchö-
ningh,Paderborn
2014,218Seiten,24,90
Euro,ISBN978-3-506-
77536-8
Carl Augusts Reformen
Quellenedition zu Reformen des Rheinbundes
Neue Bücher
Die Niederlage Preußens
1806 bei Jena und Auerstedt
und der damit eingeläutete
Untergang des Alten Rei-
ches zwangen die besiegten
Länder zu umfassenden Re-
formen. Dabei schlugen die
Staaten des Rheinbundes
einen Sonderweg ein. Wie
dieser Sonderweg bei den
thüringischen Staaten verlief,
haben Jenaer Historiker er-
forscht. Die Ergebnisse sind
jetzt in der Reihe „Quellen zu
den Reformen in den Rhein-
bundstaaten“ veröffentlicht
worden.
„Die Reformen im Her-
zogtum Sachsen-Weimar-Ei-
senach wurden nicht von oben diktiert,
sondern in Kooperation mit den betei-
ligten Ständen vorangetrieben“, sagt Dr.
Gerhard Müller. Gemeinsam mit Prof.
Dr. Hans-Werner Hahn hat Müller v. a.
die Reformen im Herzogtum Sachsen-
Weimar-Eisenach untersucht. Erstmals
rückte somit ein Staat ins Blickfeld, der
erst 1806 dem Rheinbund
beigetreten war. Im Rahmen
dieses Bündnisses unter der
Oberhoheit Napoleons wurde
heftig über Reformen disku-
tiert.
Mit einer Fülle von Doku-
menten belegen die Histori-
ker, wie um die Erneuerun-
gen gerungen wurde. „Eine
vollständige Umsetzung der
Reformideen gab es erst nach
dem Wiener Kongress“, sagt
Gerhard Müller. Ideen zur
Modernisierung des Staats-
wesens gab es in Hülle und
Fülle und so erstreckten sich
die Reformen auf zahlreiche
Felder. Der Weg der Refor-
men im größten Staat Thüringens wird
nachgezeichnet in Band 9 der „Quellen
zu den Reformen in den Rheinbund-
staaten“, herausgegeben von der Histo-
rischen Kommission bei der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften. Der Titel
lautet „Thüringische Staaten Sachsen-
Weimar-Eisenach, 1806-1813“.
sl
Hans-WernerHahn
(Hg.):Thüringische
StaatenSachsen-
Weimar-Eisenach.
1806-1813,Verlagde
GruyterOldenbourg,
2015,719Seiten,
199,95Euro,ISBN
978-3-486-71293-3
Freiheit
Am Ende eines Krieges ha-
ben meist nicht nur Indivi-
duen, sondern ein ganzes
Land die Freiheit verloren. Die
friedliche Revolution in der
DDR hat bewiesen, dass es
bei politischen und sozialen
Umbrüchen auch einen Frei-
heitsgewinn geben kann. In
einem neuen Sammelband,
herausgegeben von Jenaer
Rechtswissenschaftlern, wird
dieser komplexe Zusammen-
hang durch fächerübergrei-
fende Analysen anhand von
Beispielen verdeutlicht.
Juristen aus Theorie und
Praxis, Historiker und Öko-
nomen nehmen sich des
Freiheitsthemas in exempla-
rischen Einzelbeiträgen an.
Im Mittelpunkt steht dabei kein utopi-
sches Freiheitsziel, sondern die Vielfalt
möglicher Freiheitssphären: von der
sozialen und staatlichen Makroebene
über die Mesoebene bestimmter Hand-
lungsverbände, namentlich solcher in
der Wirtschaft, bis hin zur Mikroebene
des Einzelnen in seiner sozialen Einge-
bundenheit. So entstand ein interdiszip-
linärer Band, der zu weiteren Grundsatz-
analysen anregen soll.
AB
HeinerAlwart,
AminaHallmann
undKatharinaKrä-
mer(Hg.):Freiheit
undFreiheitsverluste
inRechtsregime,
Gesellschaftund
Wissenschaft, Ver-
lagMohrSiebeck,
Tübingen2014,198
Seiten,64Euro,ISBN
978-3-16-153702-8
Süd-Ost-Europäer
Festschriften sind nicht im-
mer ein spannender Lese-
stoff. Dem Band, der anläss-
lich des 65. Geburtstages
des Jenaer Rumänisten Prof.
Dr. Wolfgang Dahmen er-
schienen ist, gelingt es aber
in verständlicher Form, den
Menschen ebenso wie den
Wissenschaftler zu charakte-
risieren und seiner fachlichen
Breite gerecht zu werden. Da-
bei verknüpfen die Autoren z.
B. Dahmens Leidenschaft
für die Eisenbahn mit seinen
sprachwissenschaftlichen In-
teressen, indem ein Beitrag
„Zu Korrelationen zwischen
Infrastruktur und Sprache:
Die albanische Eisenbahn und
ihre gemeinsprachlicheTermi-
nologie“ diese Themen verknüpft. Die
fachliche Spannweite der 44 Beiträge
zeigt überdies, wie sehr es Dahmen ge-
lungen ist, Slawisten, Romanisten und
Historiker miteinander zu vernetzen und
damit der Süd-Ost-Europa-Forschung
neue Impulse zu geben.
AB
ThedeKahl,Johan-
nesKramer,Elton
Prifti(Hg.):Roma-
nicaetBalcanica.
WolfgangDahmen
zum65.Geburtstag,
JenaerBeiträgezur
Romanistik,Band
7,AVM,München
2015,798Seiten,74,90
Euro,ISBN978-3-
95477-036-6