Fakultätsbericht 2016-2017 der Physikalisch-Astronomischen Fakultät

Forschung — 95 Diese Konsistenzbedingungen dienen dadurch als Einschränkungen an hypothetische Erweite- rungen des Standardmodells bei höchsten Ener- gien und sind somit ein wichtiges Prüfkriterium für die Konstruktion von neuen Modellen. Ein weiteres hochaktuelles Anwendungsfeld der Methode der funktionalen Renormierung ist das Hochenergieverhalten von Feldtheorien der Gravitation. Das Grundsatzargument, nachdem Gravitation sich einem Standardquantisierungs- verfahren versagt, beruht auf der Beobachtung, dass im Rahmen von Störungstheorie der soge- nannte Goroff-Sagnotti Term eine unabhängige physikalische Kopplung erzwingt und damit ver- mutlich unendlich viele weitere Kopplungen not- wendig werden, so dass eine solche Theorie kei- nerlei Vorhersagekraft hat. Uns ist es hingegen gelungen zu zeigen, dass in einer Quantisierung der Gravitation mit einem wechselwirkenden Hochenergieverhalten (“Asymptotisch sichere Gravitation”) der Goroff-Sagnotti-Term unschäd- lich ist und durch die Fluktuationen der wechsel- wirkenden Quantengravitation kontrolliert wird. Eine solche rein quantenfeldtheoretisch begrün- dete Version der Quantengravitation behält so- mit aller theoretischen Evidenz nach ihre Vorher- sagekraft. Aktuelle Studien gehen daher der Fra- ge nach, inwiefern asymptotisch sichere Gravita- tion und teilchenphysikalische Modelle der Mate- rie zu einem mathematisch konsistenten Hoch- energieverhalten führen, das wiederum mit Nie- derenergieobservablen im Einklang steht. Die Vision eines grundlegenden und umfassenden mikroskopischen Verständnisses der Natur im Rahmen der Quantenfeldtheorie erscheint somit möglich. Quantenelektrodynamik in starken Feldern Quantenfluktuationen können Standardeigen- schaften der klassischen Theorien grundlegend ändern. Durch Quantenfluktuationen erhält bei- spielsweise der Grundzustand der Quantenelek- trodynamik (das Quantenvakuum) Eigenschaf- ten, die denen eines Materials ähneln können. Moderne Hochintensitätslaser eröffnen einen völlig neuen Zugang zur Untersuchung solch grundlegender physikalischer Fragestellungen. Abb: Simulation von Vakuumpolarisationseffekten im starken Laserfeld Holger Gies, René Sondenheimer: Renormalization Group Flow of the Higgs Potential, Phil. Trans. R. Soc. A 20170120 (2017), DOI: 10.1098/ rsta.2017.0120 Holger Gies, Luca Zambelli: Asymptotically free scaling solutions in non-Abelian Higgs models, Phys.Rev. D92 (2015), 025016, DOI: 10.1103/PhysRevD.92.025016 Holger Gies, Benjamin Knorr, Stefan Lippoldt, Frank Saueressig: Gravi- tational Two-Loop Counterterm Is Asymptotically Safe, Phys. Rev. Lett. 116 (2016), 211302, DOI: 10.1103/PhysRevLett.116.211302 Mit Lasern können, komplementär zur Forschung mit Teilchenbeschleunigern, die fundamentalen Eigenschaften der Natur auf mikroskopischer Quantenebene untersucht werden. Unsere Arbeitsgruppe erforscht diese neuen Möglichkeiten im Rahmen der Quantenfeldtheo- rie theoretisch. Unser Ziel ist es, neuartige Signa- turen und Observablen elementarer physikali- scher Prozesse in hochintensiven Laserfeldern zu identifizieren, diese theoretisch zu untersu- chen und konkrete, experimentell realisierbare Anordnungen zu deren Nachweis vorzuschlagen. Holger Gies, Felix Karbstein, Nico Seegert: Photon merging and split- ting in electromagnetic field inhomogeneities, Phys. Rev. D93 (2016), 085034, DOI: 10.1103/PhysRevD.93.085034 Holger Gies, Felix Karbstein: An Addendum to the Heisenberg-Euler effective action beyond one loop, JHEP 1703 (2017) 108, DOI: 10.1007/JHEP03(2017)108

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