Fakultätsbericht 2016-2017 der Physikalisch-Astronomischen Fakultät

80 — Forschung Lehrstuhl Metallische Werkstoffe Prof. Dr. Dr. h.c. Markus Rettenmayr Forschungsschwerpunkte  Im Rahmen von Untersuchungen der Thermodynamik und Kinetik von Phasenumwandlungen wird an (rascher) Erstarrung unter Schwerelosigkeit und an der komplexen Interaktion von Pro- zessen in steilen Temperaturgradienten gearbeitet.  Grenz- und Oberflächen interessieren einerseits über ihre Beiträge zur Strukturbildung, anderer- seits über die Wechselwirkung mit der Umgebung und der Lebensdauer eines Werkstoffs.  Transmissionselektronenmikroskopie wird zur Aufklärung von Strukturen auf feinster Längens- kala herangezogen, es werden aber auch die Auswertemöglichkeiten von Beugungsbildern erwei- tert.  Die Entwicklung neuer oder Anpassung bekannter Legierungen für besondere Anforderungsprofi- le wird zusammen mit Industriepartnern durchgeführt Thermodynamik und Kinetik von Phasenumwandlungen strukturellen Längenskalen, da bei hohen Erstar- rungsgeschwindigkeiten Transportprozesse nur über kürzere Distanzen erfolgen können, bevor der Werkstoff im festen Zustand ist. Bei be- stimmten Geschwindigkeiten erfolgen aber auch qualitative strukturelle Übergänge, etwa wenn die Strukturbildung nicht durch die Diffusion der Legierungselemente, sondern allein durch den Wärmeentzug kontrolliert wird. Ebenso können mit raschen Prozessen häufig metastabile Zwi- schenzustände erreicht werden, die teilweise für einen Einsatz interessante Eigenschaften auf- weisen. Das Gebiet der Erstarrung wird sowohl auf experimenteller als auch auf theoretischer Ebene bearbeitet (s. Abb. 1). Besondere Gefüge und Eigenschaften ent- stehen, wenn ein Gemisch aus einer flüssigen und einer oder mehreren festen Phasen einem Temperaturgradienten ausgesetzt werden. Ent- sprechende Proben können im Temperaturgra- dienten gehalten oder aber bewegt werden und dadurch gerichtet erstarren. Bei geeigneter Pro- zessführung und Wahl der Legierungskonzentra- tion trennen sich die stabilen kristallinen Phasen im Temperaturgradient räumlich voneinander. Dies erleichtert die Bestimmung ihrer Eigen- schaften ganz entscheidend. Da die Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts dabei eine entscheidende Rolle spielt, lässt sich umge- kehrt von der im Gradienten erstarrten Struktur auf die Thermodynamik und die entsprechenden Phasendiagramme zurückschließen. Dies wird am Lehrstuhl für die Bestimmung von Daten in Hochdurchsatzexperimenten durchgeführt. P.K. Galenko, K. Reuther, O.V. Kazak, D. Alexandrov, M. Rettenmayr, Effect of Convective Flow on Dendritic Growth of Pure and Alloy Melts, Applied Physics Letters 111 (2017) 031602 Abb. 1: Durch Simulationsrechnungen erzeugte Dendriten; Zelluläre Automaten führen zu unsymmetri- schem Wachstum der Sekundärarme (links), die neu entwickelte Meshless Front Tracking Methode behebt dieses Problem. Die Eigenschaften metallischer Werkstoffe sind mehr noch als über die Zusammensetzung über die Struktur definiert. Das Gefüge und seine Ent- stehung stehen im Zentrum der Arbeiten am Lehrstuhl. Die Spanne der Themen reicht dabei von grundlagenorientierten Fragestellungen (Er- starrung aus der Schmelze in Schwerelosigkeit) bis zu technischen Anwendungen mit Industrie- partnern (Phasenselektion beim Erstarren von Aktivloten zum Fügen von Keramiken). Erstarrung aus der Schmelze ist die erste Phasenumwandlung in der Geschichte fast jedes metallischen Werkstoffs bei seiner Entstehung. Während der Erstarrung bilden sich komplexe Strukturen wie z.B. Dendriten und Eutektika, die beim technischen Einsatz des Werkstoffs eine tragende Rolle spielen können. Moderne Prozes- se erlauben immer höhere Abkühl- und Erstar- rungsgeschwindigkeiten, wodurch das Gefüge in weiten Grenzen variiert werden kann. Dies ge- schieht einerseits durch eine Verfeinerung der

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