Fakultätsbericht 2016-2017 der Physikalisch-Astronomischen Fakultät

76 — Forschung Arbeitsgruppe Röntgenoptik Prof. Dr. Eckhart Förster Forschungsschwerpunkte Die Arbeitsgruppe Röntgenoptik ist eine der wenigen Gruppen, die in Deutschland auf diesem Gebiet aktiv sind. Sie verfügt über hervorragende Kompetenzen in der Kristallographie mit den entsprechenden Einrichtungen u.a. für Kristallbearbeitung und Feinstrukturanalyse. Große Bekanntheit erreichte die Gruppe mit Röntgenoptiken aus gebogenen Kristallen. Im Rahmen eines Verbundprojektes werden der- zeit neue Designs entwickelt, um mit den neuartigen Mikrokalorimetern vernünftige Detektionsraum- winkel zu erreichen. Der Schwerpunkt der Arbeit hat sich jedoch auf Präzisions-Röntgenpolarimeter verlagert, die inzwischen in beachtlicher Breite erforscht, entwickelt und angewandt werden. Ausgangspunkt der Aktivitäten war ein Projekt zum Nachweis der Doppelbrechung eines durch ein starkes Laserfeld polarisierten Vakuums. Un- ter Zugrundelegung aus heutiger Sicht optimisti- scher Annahmen sind dazu Röntgenpolarimeter mit einem Auslöschungsverhältnis (Reinheit) von 10 -10 und einer Wellenlänge <1Å erforderlich. Die besten Röntgenpolarimeter beruhen auf Bragg-Reflexion um 90°, also auf denselben Effekt, der zur Polarisation des Himmelslichtes führt. Durch mehrere 90°-Reflexion an den Innen- wänden eines passend in einen Kristall geschnit- ten Grabens oder Kanals — man spricht dann von Channel-Cuts — lässt sich die Polarisationsrein- heit drastisch steigern, bis Reflexionen an mehre- ren Netzebenen, die zusammen auch eine 90°- Ablenkung bewirken, die erzielbare Reinheit be- grenzt. Wir haben einen Weg gefunden, die Mehr- strahleffekte zu minimieren und dadurch schon vor fast 10 Jahren die Polarisationsreinheit um nahezu einen Faktor 100 gegenüber dem Stand der Technik verbessert. Wie nicht anders zu erwarten, hat diese sprunghafte Verbesserung der Polarisationsrein- heit zu einer Reihe von Anwendungen von der Präzisionspolarimetrie im Röntgenbereich Festkörperphysik bis hin zur Röntgen- Quantenoptik geführt. Bei letzterer erreicht man das Regime der starken Kopplung mit Hilfe der Kernresonanz. Bisher war die Trennung der kern- resonanten Photonen von der viele Größenord- nungen stärkeren anregenden Synchrotronstrah- lung nur durch zeitliche Diskrimination möglich, während dies nun direkt mit Polarimetern ge- lingt. Dies hat einige vielbeachtete Ergebnisse in der Röntgen-Quantenoptik ermöglicht. Eine andere Anwendung ist die spektral aufgelöste Polarimetrie, die im Röntgenbereich nahezu Neuland ist. Die Bedeutung der Technik wird aber sofort klar, wenn man bedenkt, dass es damit gelingen kann, die Ausrichtung der Elektro- nenorbitale in Festkörpern zu bestimmen. Bei nahezu allen Anwendungen von Channel-Cuts in der Röntgenpolarimetrie ist ein zentrales Prob- lem, dass jeder gegebene Kristall Präzisionspo- larimetrie nur bei wenigen diskreten Wellenlän- gen zulässt. Wir haben unsere Entwicklungsar- beit daher weit über das ursprünglich aus- schließlich verwendete Silizium ausgedehnt, un- ter anderem auf Germanium und zuletzt auf Quarz, das besonders viele geeignete Reflexe bietet. Röntgenpolarimetrie zum Nachweis starker Kopplung zwischen Röntgenphotonen und Eisen-Vielschichtsystemen. Links: Röntgenpolarisator; Mitte: Silizium Channel-Cut Kristall als zentrales Bauteil des Polarisators; Rechts: Nachweis der starken Kopplung, Vergleich von Simulation und Messung der Abhängigkeit des Spektrums der kernresonanten Photonen vom Einfallswinkel der Strahlung auf die Schichtstruktur.

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