Fakultätsbericht 2016-2017 der Physikalisch-Astronomischen Fakultät

Forschung — 59 Ternäre Verbindungen in der Perowskit-Struktur sind eine intensiv untersuchte Materialklasse mit bemerkenswerten elektronischen Eigenschaften, welche sie zu Schlüsselmaterialien für eine Viel- zahl technologischer Anwendungen machen. Perowskite dienen insbesondere als Absorber in der neuen Generation von Perowskit-Solarzellen, welche in nur wenigen Jahren einen Wirkungs- grad von über 22 % erreicht haben. Die Suche nach chemisch stabilen, ungiftigen und preis- günstigen Perowskiten, die gleichzeitig einen hohen Wirkungsgrad der Solarzelle garantieren, ist ein essentieller Schritt in der Weiterentwick- lung dieser Technologie zur Marktreife. Die Lö- sung des altbekannten Problems, neue Materia- lien für spezifische Anwendungen zu finden, hat dank der Möglichkeit, große Klassen von Materi- alien mittels Ab-Initio-Rechnungen auf Super- computern nach den gewünschten Eigenschaf- ten zu durchforsten, neue Dynamik gewonnen. Mit Hilfe effizienter und dennoch genauer nume- rischer Methoden zur Berechnung der Elektro- nenstrukur, wie beispielsweise der Dichtefunktio- naltheorie, können vielversprechende Verbindun- gen identifiziert, vollständig charakterisiert und anschließend Experimentatoren zur Synthetisie- rung vorgeschlagen werden. In den vergangenen zwei Jahren haben wir unter Verwendung einer Kombination aus Hochdurchsatz-Prototypen- Suche, Methoden zur Kristallstrukturvorhersage, genetischen Algorithmen und maschinellem Ler- nen das Periodensystem der Elemente nach neu- en Materialien für die Photovoltaik durchsucht. Computergestütztes Material-Design: Suche nach stabilen und leistungsfähigen Perovskiten für die Photovoltaik Wir fanden zahlreiche Perowskit-Verbindungen, die stabil gegenüber dem Zerfall in bekannte ternäre, binäre und elementare Verbindungen sind, und chemische Zusammensetzungen auf- weisen, welche noch nicht in den verfügbaren Datenbanken aufgeführt sind. Für diese Kristall- strukturen haben wir anschließend elektronische Bandlücken, effektive Lochmassen sowie die spontane ferroelektrische und magnetische Po- larisation berechnet. Diese Größen sind relevan- te Materialkennzahlen für eine Reihe von Anwen- dungen wie Lichtabsorber, transparente Kontak- te sowie piezoelektrische und magnetoelektri- sche Bauelemente. Einige unserer neu entdeck- ten Perowskite weisen vielversprechende Eigen- schaften für diese Anwendungen auf. Körbel S., Marques M.A.L., and Botti S., Stability and electronic proper- ties of new inorganic perovskites from high-throughput ab initio calcu- lations (2016), J. Mater. Chem. C 4, 3157-3167, DOI: 10.1039/ c5tc04172d Schmidt J., Shi J., Borlido P. , Chen L., Botti S., and Marques M.A.L., Predicting the thermodynamic stability of solids combining density functional theory and machine learning, (2017) Chem. Mat. 29, 5090- 5103. DOI: 10.1021/acs.chemmater. In jüngster Vergangenheit ist das Interesse an der Anwendung von Methoden des maschinellen Lernens auf Fragestellungen aus der Physik der kondensierten Materie und der theoretischen Chemie rasant gestiegen. Teilweise wurde diese Interesse durch beispiellose Fortschritte in ande- ren Feldern der numerischen Datenverarbeitung (z.B. Gesichtserkennung, selbstfahrende Autos, Go- und Schachspiel) angefacht, wo Techniken des maschinellen Lernens übermenschliche Fä- higkeiten erlangt haben. Ist es heute möglich, dass eine lernende Maschine die Stabilität und Eigenschaften eines Materials vorhersagt, ohne die Vielteilchen- Schrödinger-Gleichung zu lösen? Wir haben meh- rere Methoden des maschinellen Lernens mit dem Ziel, die thermodynamische Stabilität von Festkörpern vorherzusagen, getestet. Wir haben dabei gezeigt, dass der Fehler bei der Berech- nung der Bildungsenergien durch die Maschine noch zu groß ist. Effiziente, genaue Methoden zur Lösung der Vielteilchen-Schrödinger-Glei- chung werden immer noch gebraucht. Nichts- Beschleunigung der Suche nach neuen Materialien durch maschinelles Lernen destotrotz kann maschinelles Lernen sehr hilf- reich sein, um den Parameterraum der zu durch- suchenden chemischen Verbindungen einzu- schränken, sodass die genaueren Dichtefunktio- naltheorie-Rechnungen nur für eine kleinere Zahl von vielversprechenden Kandidaten durchgeführt werden müssen. Dieses Vorgehen beschleunigt die gezielte Materialsuche erheblich, ohne die Genauigkeit der Endergebnisse zu reduzieren.

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