Fakultätsbericht 2016-2017 der Physikalisch-Astronomischen Fakultät
102 — Forschung Hochschuldozentur für Relativistische Astrophysik apl. Prof. Dr. Reinhard Meinel Forschungsschwerpunkte Relativistische Gleichgewichtsfiguren: stationäre Konfigurationen rotierender Flüssigkeiten unter dem Einfluss der eigenen Gravitation im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie, relevant für die Modellierung von Neutronensternen Quasistationäre Wege zu Schwarzen Löchern: stetiger Übergang von Gleichgewichtskonfigurationen normaler Materie zu Schwarzen Löchern (parametrischer Kollaps), relevant für die Thematik der "kosmischen Zensur" Lösung der Einstein-Gleichungen mit Hilfe der “inversen Spektraltransformation”: Lösungsverfahren aus der Solitonentheorie, anwendbar auf die Vakuum-Einstein-Gleichungen bei Vorliegen geeigneter Symmetrien, relevant für Schwarze Löcher und Gravitationswellen Das gyromagnetische Verhältnis eines Systems (auch gyromagnetischer Faktor oder g-Faktor ge- nannt) gibt an, um welchen Faktor das magneti- sche Dipolmoment größer als das halbe Produkt aus spezifischer Ladung und Drehimpuls ist. Für ein System aus klassischen Teilchen einheitlicher spezifischer Ladung, die sich mit im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit kleinen Geschwindigkeiten bewegen, gilt g=1. Aus der Dirac-Gleichung folgt bekanntlich für das mit dem Spindrehimpuls des Elektrons ver- bundene magnetische Moment der Wert g=2 (quantenelektrodynamische Korrekturen liefern in hervorragender Übereinstimmung mit den Experimenten einen geringfügig größeren Wert). Interessanterweise gilt g=2 auch für die Kerr-Newman-Lösung der Einstein-Gleichungen, die ein rotierendes, elektrisch geladenes Schwar- zes Loch beschreibt. Mit hochgenauen numerischen Methoden ha- ben wir das allgemein-relativistische Verhalten einer stationär rotierenden Scheibe studiert, die aus elektrisch geladener inkohärenter Materie (“Staub”) besteht. Dabei haben wir eine konstan- te Winkelgeschwindigkeit und eine konstante spezifische Ladung vorausgesetzt. Der gyromagnetische Faktor rotierender Scheiben: vom Newtonschen Grenzfall bis zum Schwarzen Loch Für verschwindende Ladung reduziert sich das Modell auf die analytisch bekannte (ungela- dene) Staubscheibenlösung der Einstein-Glei- chungen (Neugebauer und Meinel 1995). In die- sem Fall konnte gezeigt werden, dass die Lö- sung einen parametrischen Grenzübergang zu einem Schwarzen Loch gestattet – beschrieben durch die extreme Kerr-Lösung. Mit unseren numerischen Rechnungen konn- ten wir (im Rahmen der sehr hohen Genauigkeit) demonstrieren, dass auch die geladene Scheibe einen derartigen Grenzübergang zeigt. Dabei bil- det sich wiederum ein Schwarzes Loch – be- schrieben durch die extreme Kerr-Newman- Lösung. Dementsprechend nimmt der gyromagnetische Faktor in diesem Grenzfall den Wert g=2 an. Im Newtonschen Grenzfall ergibt sich hingegen (im Einklang mit den obigen Erläuterungen) der Wert g=1. Damit haben wir ein interessantes Modell gefunden, welches in stetiger Weise zwischen dem “klassischen Wert” g=1 und dem “ultra- relativistischen” Wert g=2 interpoliert. Pynn Y.-C., Panosso Macedo R., Breithaupt M., Palenta S., Meinel R. (2016): Gyromagnetic factor of rotating disks of electrically charged dust in general relativity. Physical Review D, DOI 10.1103/ PhysRevD.94.104035.
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